Praxis
Es liegt auf der Hand, dass es bei einer Piano-Sample-Library vor allem auf Folgendes ankommt: die Auswahl der richtigen Instrumente, ein möglichst perfektes Recording und eine stimmige Umwandlung des Audiomaterials in die entsprechenden Samples und Dynamik-Layer, die das Ganze erst virtuell spielbar machen. In allen drei Aspekten scheint man bei den Galaxy Pianos Höchstleistungen vollbracht zu haben. Widmen wir uns zunächst den einzelnen Instrumenten:
Für „Galaxy Steinway“ wurde das größte aktuelle Flügelmodell von Steinway gesamplet, das Model D-274. Dieses Instrument ist aus den Konzertsälen dieser Welt (und auch aus so manchem gut budgetierten Club) nicht wegzudenken. Folglich findet es sich auch sehr häufig in diversen Softwareinstrumenten, etwa bei „Ivory“ oder der alten Version des „Akoustik Piano“. Für mich steht dieser gigantische Flügel fast prototypisch für Perfektion. Sein Sound ist in allen Stilistiken zu Hause und gibt sich in keiner Hinsicht irgendeine Blöße. Er scheint einfach vollendet rund, nicht zu bassig, nicht zu dünn, nicht zu muffig, nicht zu crisp. Und alles von einer ausladenden Dynamik beseelt. All dies ist in den Samples überzeugend abgebildet. Das Glück könnte vollkommen sein, wäre da nicht diese dumme Plastiktastatur im Studio, die natürlich mit dem Original ungefähr nichts gemein hat als die schwarze und weiße Farbe der Tasten. Der Steinway-Sound ist wirklich wunderschön und breit einsetzbar. Eines hat er allerdings nicht so sehr: einen unverwechselbaren Charakter. Er ist eher der schöne Generalist. Ecken und Kanten sucht man vergebens. Aber dafür sind schließlich auch andere zuständig.
Beim „Vienna Grand Imperial“ wurde ein Bösendorfer Model 290 Imperial aufgenommen. Dieses Instrument der Traditionsmarke wartet mit einer erstaunlichen Besonderheit auf: Es besitzt im Bassbereich 8 Tasten mehr als herkömmliche Flügel. Diese Töne können natürlich gespielt werden, sind aber vor allem dazu da, dem Instrument durch das Mitschwingen dieser sehr tiefen Saiten noch mehr Resonanzvolumen zu verleihen. Im Plugin ist das alles umgesetzt und sogar über den Button „Extra Octave“ zu- und abschaltbar. Der Bösendorfer erweist sich als klug gewählter Mitspieler in der Galaxy II Collection. Zwar bietet er in puncto Klangfülle und Dynamik ähnlich Begeisterndes wie der Steinway, kommt aber etwas kerniger und „saitiger“ daher. Im Diskant wirkt er schlanker und etwas durchsetzungsfähiger als der Steinway, liefert dabei aber mit seinem Extrabass-Pfund viel Soundtiefe. Herrlich.
Extrem angetan war ich vom „German Baby Grand“, dem ein 1929 gebauter Stutzflügel von Blüthner (Model 150) zugrunde liegt. Auch er zeigt sich als treffend gewählter Teil der Collection, denn nach den beiden überirdischen Prachtexemplaren von Steinway und Bösendorfer weiß er mit einem intimen Sound und sehr viel Charakter für sich einzunehmen. Sein ganz leicht detuneter Charme und die Direktheit seines sehr viel kleineren Resonanzkörpers erinnert durchaus an ein Upright Piano, ohne allerdings die Tiefe und Wucht eines Grand Pianos vermissen zu lassen. Nachdem in der modernen Rock- und Popmusik (außer bei Alicia Keys vielleicht) die pompösen Pianosoundperfektionisten ein wenig aus der Mode gekommen sind, bietet sich dieses schöne weiße Baby als charakterstarke Stimme an – eine Rolle, die dem Blüthner übrigens nicht fremd sein sollte. Schon die Beatles benutzten ihn, zum Beispiel bei „Let it be“.
Das seit März 2010 erhältliche „Vintage D“ schließlich, das zwar nicht Teil der Galaxy II Collection ist, sich aber mit gleicher Oberfläche nahtlos einreiht, erweitert das Spektrum der Galaxy Sounds ein weiteres Mal auf sehr clevere Weise. Klanggrundlage ist nämlich ein 1920 gebautes Steinway Model D, das in den deutschen Bauer Studios steht und dort schon von etlichen Pianogrößen für Aufnahmen verwendet wurde. Der Sound bietet alle Schönheiten eines Steinway-Flagschiffs, allerdings ergänzt um die Vorzüge einer würdevollen Alterung. Die Perfektion hat im Laufe eines bewegten Lebens schöne Falten bekommen, die das Instrument unverkennbar gemacht haben. Es klingt, als hätte während der nunmehr 90 Jahre jeder einzelne Tone versucht, seine Eigenheiten zu entwickeln, ohne jedoch das prachtvolle Gesamtbild zu gefährden. Das ist wirklich eine umwerfende Steinway-Erfahrung.
Für dich ausgesucht
Bei den Stichworten „umwerfend“ und „Perfektion“ sind wir dann auch schon beim Thema Recording und Sample-Umsetzung angekommen. Ich wüsste ehrlich gesagt nicht, wie man das besser machen kann. Die Instrumente wirken auf mich audiotechnisch so makellos eingefangen, dass das sicherlich hochaufwendige und mit viel Sachverstand durchgeführte Aufnehmen und Mischen ganz in den Hintergrund tritt: Die Flügel sind einfach da, in all ihren Nuancen und Vorzügen. Insbesondere bei den „Noises“ hat sich offenbar in der Version K4 noch mal einiges getan. Es ist wirklich kaum zu glauben, welcher Detailreichtum sich da auftut und wie man es geschafft hat, all diese Klangelemente auch noch so zu inszenieren, dass sie sich stufenlos abtönen oder featuren lassen, ohne dass der Gesamtsound entweder unschön vollgerumpelt oder aber beschnitten wirkt. Alles passt grandios zusammen und liefert Pianosounds in einem Realismus, den zu produzieren meinem Computer bisher nicht vergönnt war.
Es ist ja interessant zu sehen, worüber sich manche Leute so ereifern. Im Forum der Herstellerseite (www.galaxypianos.de) wollte ein Zeitgenosse nun partout wissen, wie viele Velocity-Layers denn nun bei den Galaxy Pianos verbaut seien (eine Info, die offenbar zu diesem Zeitpunkt in der Dokumentation fehlte). Für alle, die es interessiert: bis zu 13. Aber diese Zahl alleine sagt ja zunächst mal fast nichts über die Güte der Sample-Library aus. Es kommt eben darauf an, wie geschickt das technisch gemacht ist. Bei den Galaxy Pianos fiel mir direkt deren sehr gute Spiel- und Artikulierbarkeit auf. Auch wenn mein feiner i7-Prozessor bei so viel Detailreichtum durchaus nicht untätig war, macht sich eine hohe Performance des Plugins sofort bemerkbar. Das Spielgefühl wird praktisch gar nicht durch Latenz getrübt, was ich für ein solch mächtiges Softwareinstrument schon beachtlich finde. Die Dynamikauflösung scheint mir sehr organisch und gut gelöst, das Plugin ließ sich sehr natürlich und kontrolliert spielen – wobei ich mir nicht mal die Mühe gemacht habe, die hervorragenden Möglichkeiten des Interfaces zu nutzen, die Dynamik auf meine Tastatur maßzuschneidern.
Übrigens liegen alle Instrumente der Galaxy II Collection auch in resourcenschonenden Kompaktversionen vor. Der (moderne) Steinway glänzt darüber hinaus sogar mit einer 5.1-Umsetzung. Lediglich der „Vintage D“ gibt sich kompromisslos und ist nur in vollumfänglicher Stereoschönheit zu haben. Wem die skizzenhaften Sound-Beispiele zu diesem Artikel nicht genügen, dem sei auf jeden Fall die Herstellerseite sehr empfohlen. Dort gibt es eine sehr große Anzahl sehr gelungener Sound-Beispiele.
Über den Klang der Galaxy Pianos lässt sich resümierend also nur in allen erdenklichen Superlativen sprechen. Ich würde mich so weit vorwagen zu behaupten, dass das mit heutigen technischen Mitteln besser nicht möglich ist.
BEDIENUNG UND SOUND-MANIPULATION
Die Integration in KONTAKT 4, die sich offenbar immer größerer Beliebtheit erfreut, bietet zunächst den Vorteil, dass sich die Macher der Galaxy Pianos in ihrem eigenen Interface nicht groß um die Einbindung des Plugins in eine DAW-Umgebung oder einen Host kümmern mussten. KONTAKT besorgt nicht nur Dinge wie Routing und Speichermanagement, sondern erledigt auch die Verwaltung eigener Instruments. So konnte auf Laden- und Speichern-Dialoge, übergeordnete Preset-Menüs etc. im Plugin-Interface verzichtet werden, und der User kann mithilfe der bekannten Features von KONTAKT dennoch eigene Sounds nach Belieben erstellen, laden und speichern. Nichtsdestotrotz bietet die Galaxy-Oberfläche eine Auswahl von „Global Presets“. Dabei handelt es sich um eine (nicht geringe) Anzahl von Voreinstellungen für die gesamten Parameter des Plugins. Lediglich der Grund-Sound wird hiervon nicht beeinflusst, sodass man unabhängig vom gewählten Flügel von „Basic Grand“ bis „A Devil in Heaven“ durch die Sound-Ästhetiken marschieren kann. Sehr schade ist, dass der User hier keine Möglichkeit bekommt, eigene Presets zu erstellen. Denn hat man sich einmal an seine Lieblingseinstellung für die Lautstärke der Hammergeräusche, ein optimales Tuning oder das perfekte Hall-Programm herangetastet, würde man das vielleicht gerne festhalten können, ohne es mit einem bestimmten Piano abspeichern zu müssen.
Gleich zu Anfang unserer Tour durch den Parameterwald der Galaxy Pianos stoßen wir auf ein Schmankerl: einen Drehregler mit der unscheinbaren Bezeichnung „Colour“ (siehe rps. höre Soundbeispiel), der uns Möglichkeiten von „soft“ bis „hard“ bietet. Es leuchtet sofort ein, was man damit anstellen kann. Der Clou liegt aber darin, dass diese Soundveränderung nicht mit einem EQ realisiert wird, sondern über die unterschiedliche Mischung harter und weicher Samples und eine gewisse Eingrenzung des Dynamikbereichs. Hier deutet sich bereits etwas an, das mir an diesem Plugin besonders gefällt: Es wurden sehr oft Lösungen gesucht, die aus der Natur des Intrumentes heraus Sinn machen. Also in diesem Fall kein EQ, der einfach irgendein Bündel an Frequenzen anhebt oder absenkt, sondern eine eher natürliche Soundmodulation, die die Grundsounds tatsächlich von ultra-muffig bis schmerzhaft poppig zu verändern vermag. Direkt mal ein tolles Feature.
In der Sektion „Tone“ findet sich neben diesem Colour-Regler die Möglichkeit, die Lautstärke der Saiten-Resonanzen zu regeln, die im Übrigen getrennt gesamplet wurden (wie auch immer das möglich ist), und den Flügeldeckel in geöffnete, halb-geöffnete oder geschlossene Position zu bringen. Letzteres hat vor allem Einfluss auf die Brillanz des Klanges. Damit hat man mit Hilfe von, wenn man so will, natürlichen EQs bereits schöne Eingriffsmöglichkeiten direkt auf der ersten Ebene des Interfaces. Wie erwähnt, haben sich die Macher aber klugerweise dazu entschieden, uns auf einer zweiten, darunterliegenden Bedienebene jeweils weitere Parameter anzubieten. Ein Klick auf das neben der Überschrift „Tone“ plazierte Plus-Zeichen enthüllt ein solches Untermenü, wobei sich nicht einfach irgendein Fenster rein schiebt und uns das gesamte Interface durcheinanderbringt.
Es ändert sich lediglich der Inhalt der gesamten „Tone“-Sektion und das übrige Interface bleibt, wie es ist. Sehr elegant. Bei den Parametern, die sich dort auftun, handelt es sich – diesmal tatsächlich – zunächst um einen EQ. Auch dieser ist allerdings wieder mit Sinn für die Sache realisiert und präsentiert uns drei Schieberegler für „Warmth“, „Punch“ und „Brilliance“. Es lassen sich also die Wärme des Klangs, seine Durchsetzungskraft und seine Brillanz regeln. Dabei muss man sich keine Gedanken über Frequenzen und Flankensteilheit machen, sondern greift, ähnlich wie bei den „Ranger“ EQs von spl, auf fest eingestellte Bänder zurück, die für das Klangmaterial Sinn machen. Bei „Brilliance“ und vor allem bei „Warmth“ (da schiebt man den Regler wirklich gerne auf Anschlag) scheint mir die Frequenzauswahl sehr gelungen. Bei „Punch“ bin ich mir nicht so sicher, da wird das Ganze bei heftigem Gebrauch doch etwas Telefon-artig. Aber schließlich kann man bei speziellen Wünschen immer noch selber zum EQ seines Vertrauens greifen. Die hier gemachten, musikalisch absolut sinnvollen Angebote sind ohne Fehl und Tadel.
Eine EQ-ähnliche Funktion hat der Regler „Low Keys“, mit dem (für den englischsprechenden User wenig überraschend) die Lautstärke der tiefen Register angehoben oder abgesenkt werden kann. Will man also z. B. das „Vienna Grand“ mit seinen mächtigen Bässen für den Pop-Betrieb ein wenig zähmen, ist hier der richtige Ort dafür.
Zuletzt bietet uns das Menü die Möglichkeit, den Sound mit einer in ihrer Intensität und Art regelbaren Kompression zu versehen. Zur Auswahl stehen vier verschiedene Typen von Kompression, die mit Bezeichnungen wie „Pump it up“ zwar keine Rückschlüsse auf die verwendeten Kompressormodelle, sehr wohl aber auf deren Wirkungsweise zulassen. Alle vier Varianten versehen absolut zufriedenstellend ihren Dienst und taugen dazu, den Sound kompakter zu machen oder ihn sogar mächtig pumpen zu lassen.
Widmen wir uns nun jenem zentralen Bereich des Interfaces, der mit der überraschenden Überschrift „Anatomy“ versehen ist. Vermutlich deutet der etwas medizinisch anmutende Begriff darauf hin, dass wir uns in dieser Sektion an das Rückgrat des Sounds oder dessen Grundausstattung heranmachen.
Sofort einladend wirken hier sechs Schieberegler, mit denen man all jene Sounds beeinflussen kann, die jenseits des (theoretischen) reinen Tons beim Spielen noch so entstehen. Dies sind: „Release Samples“, also alles, was nach Loslassen der Taste nachschwingt, insbesondere ein gewisser Raumsound, die Resonanz des Korpus etc.; „Hammer noises“, das hölzerne Klackern der Hämmer; „Pedal Noises“, diverse Klänge, die beim Treten und Loslassen der Pedale entstehen; „Damper Noises“, also das filzige Geräusch der Dämpfer, die sich von den Saiten abheben und wieder aufsetzen; „String Noises“, der Sound, der entsteht, wenn die Dämpfer nach Treten des Dämpferpedals die Saiten leicht zum Schwingen bringen; und schließlich „Overtones“, ein Regler, mit dem der Obertongehalt der ausschwingenden Saiten verstärkt werden kann.
All diese Sounds können über eine jeweils links neben den Schiebereglern plazierte LED ein- und ausgeschaltet werden, wobei zusätzliche Samples kurz nachgeladen oder aus dem Samplespeicher entfernt werden. Wie erwähnt tragen die in diesem Bereich regelbaren Geräusche und Klänge sehr wesentlich zur Natürlichkeit des Gesamtsounds bei. Umso schöner, dass uns das Plugin so umfangreiche Möglichkeiten bietet, deren Mischung zu beeinflussen. In dieser Detailliertheit kenne ich das von keinem der Konkurrenten.
Wenn wir im Bereich „Anatomy“ weiterstreifen, finden sich zudem diverse funktionale Einstellmöglichkeiten. So hat man die Möglichkeit, das Stereobild zu verbreitern oder zu verschlanken („Stereo Width“) und man kann die Mikropositionen komplett spiegeln, indem man zwischen der Perspektive des Pianisten und der des Hörers (der dann allerdings brav genau dem Spieler gegenübersitzen müsste …) wechselt. Weiterhin lassen sich Transpose, Fine Tune und Grundton zwischen 436Hz und 444Hz regeln. Außerdem hat man die Wahl zwischen der normalen „Stretch“ Stimmung und einer Vielzahl historischer Stimmungen. Und man kann unter dem Punkt „Voice Management“ vorgeben, wie viele Stimmen sich die Galaxy Pianos gleichzeitig gönnen dürfen, was natürlich Einfluss hat auf die Belastung von CPU und Festplattenzugriff.
Beim Feature „Articulation“ lassen sich die bereits beschriebenen Pedalspielmöglichkeiten Repedalling und Halfpedalling ein- und ausschalten. Gleiches gilt für die Funktion „Silent Key“, die vorgibt, ob auch bei leichtestem Tastenanschlag immer ein Ton erklingt oder, wie bei echten Klavieren, keiner erzeugt wird. Mit „Una Corda“ kann man die Benutzung des Una Corda-Pedals (also des linken) ein- und ausschalten. Man könnte sich zunächst fragen, wozu dies überhaupt nötig ist, schließlich schaltet man das Sustain-Pedal ja auch nicht ein oder aus. Aber weil die schlauen Köpfe hinter den Galaxy Pianos auch hier ganze Arbeit gemacht haben und für diese Spielweise eigens hergestellte Samples anbieten, möchte man vorbildlicherweise dem User die Wahl lassen, ob er sein System mit den zusätzlichen MBs belasten möchte oder nicht. Warum dieses Feature allerdings einzig beim „Steinway“, also dem neueren der Steinway D Modelle, nicht zur Verfügung steht, ist konzeptionell nicht ganz nachvollziehbar.
Die kreiselnde Bewegung durch die Anatomie-Abteilung endet im Bereich Dynamik/Velocity. Auf oberster Bedienebene präsentiert sich ein mit „Dynamic“ überschriebener Drehregler, mit welchem sich flott der Dynamikbereich des Plugins einschränken oder ausdehnen lässt. Wichtig zu verstehen ist hierbei, dass dies keineswegs auf MIDI-Ebene geschieht. Vielmehr wird die Lautstärke der weichen und der harten Samples verändert. Nach links gedreht nähert sich die Lautstärke der weichen (leisen) Samples jener, der harten (lauten) stetig an, bis diese in äußerster Stellung schließlich gleichlaut sind. Somit verändert man in dieser Extremstellung mit der Anschlagsstärke nur noch den Sound, nicht aber die Lautstärke der Töne – die Lautstärke-Dynamik ist null. Bei der Drehung nach rechts passiert das Gegenteil: Während die Lautstärke der harten (lauten) Samples gleich bleibt, werden die weichen immer leiser. Die Dynamik ist maximal. Auch hier findet der Hersteller eine kluge, „artgerechte“ Lösung und begnügt sich nicht damit, plump den Velocitybereich zu beschneiden.
Natürlich kann aber auch die MIDI-Velocity von Interesse sein. Dann nämlich, wenn es gilt, die Spielbarkeit des Instruments auf die Dynamikkurve der jeweiligen Tastatur einzustellen. Hierzu bieten die Galaxy Pianos ein Untermenü namens „Velocity“. Dahinter verbirgt sich ein ausgefuchster Editor (der diesmal auch den gesamten Raum des Interfaces in Anspruch nimmt). Die Beschreibung seiner detaillierter Funktionen würde hier zu weit führen. Es sei nur so viel gesagt, dass sich damit sehr präzise alle denkbaren Velocity-Kurven produzieren lassen, mit negativer oder positiver Krümmung, minimaler und maximaler Velocity etc. Wem das Reglerdrehen da nicht reicht, der kann sogar mit der Maus eine Kurve frei malen – das sollte auch die exotischsten MIDI-Lieferanten spielbar machen. Für die Velocity-Einstellungen gibt es auch einige Presets, die die erste Orientierung sehr erleichtern. Diesmal lassen sich sogar eigene Einstellungen speichern, dies allerdings nur in Form von 4 allgemein benannten User Presets – besser als nichts, aber wiederum etwas unnötig eingeschränkt.
HALL, PADS UND WARP
Zwei Sektionen bleiben uns noch in diesem an Möglichkeiten so reichen Interface: die mit „Space“ betitelte Wirkungsstätte des Faltungshalls und etwas offenbar Spezielles, das mit den Aufschriften „Pads“ und „Warp“ durchaus gemischte Gefühle hervorruft.
Zuerst zum Hall. Unter der Haube des Effekts werkelt ein Faltungshall, der bekanntlich mithilfe sogenannter Impulsantworten (IRs) das Reflexionsverhalten von Räumen oder die Charakterstik anderer Effektgeräte sehr realistisch abbilden kann. Im Fall der Galaxy Pianos stehen insgesamt 22 Presets zur Verfügung, die eine sinnvolle Auswahl für die gewöhnlichen Piano-Szenarien darstellen. Das Modul klingt sehr gut und muss sich (natürlich bei weit bescheidenerem Funktionsumfang) vor der spezialisierten Konkurrenz nicht verstecken. Einstellbar sind die Lautstärke des Effekts über einen Send-Drehregler, ein Pre-Delay bis 150ms sowie die Größe des jeweiligen Raumes – wobei sich in der mir vorliegenden Version die Räume bei einer Drehung nach links vergrößerten, was vermutlich nicht im Sinne des Erfinders ist. Wäre man ganz unbescheiden, würde man sich für das Hall-Modul ein kleines Feature zusätzlich wünschen: Könnte man nämlich Impulsantworten selbst laden, würde die wirklich schon sehr gute Hall-Effektsektion noch einmal ordentlich aufgebohrt. Dies wäre z. B. für Nutzer von Logic Express möglicherweise sehr willkommen, die ohne Weiteres in ihrem DAW über keinen Faltungshall dieser Qualität verfügen. Dies aber nur als kleine Anregung. Der Hall-Effekt des Plugins ist aller Ehren wert und erfüllt sicherlich den Großteil der Aufgaben.
Ganz unten rechts auf der Benutzeroberfläche finden wir schließlich das letzte Soundmanipulationsfeature der Galaxy Pianos: die Warp-Sektion. Direkten Zugriff haben wir auf eine Auswahl von 20 Pad-Sounds, die wir unter unsere schönen Piano-Samples legen und in der Lautstärke natürlich regeln können. In einem Untermenü begegnen uns dann neben dieser „Pad Machine“ noch der „Degrader“, welcher den Sound auf diese und jene Weise zerreißt, zerhackt und zerstört, der „Spiritualizer“, der einen Flanger-artigen Effekt, einen Filter und einen erst mal geheimnisvollen „Ghost Mode“ anbietet, der „Alterizer“, welcher das Signal irgendwie spacig durch Impulsantworten schickt und moduliert, und der „Time Traveller“, hinter dem sich ein recht schlichtes Delay verbirgt.
Nachdem ich die Galaxy Pianos in praktisch allen Aspekten so ausgiebig gelobt habe, muss ich an dieser Stelle auch mal etwas mäkeln und grundsätzlich werden. Mir sind nämlich Sinn und Zweck dieser Warp-Sektion nicht ganz klar. Natürlich möchte sich grundsätzlich niemand über zusätzliche Features beschweren. Aber die Frage muss gestattet sein, ob man den Entwicklern (nicht nur der Galaxy Pianos selbstverständlich) nicht empfehlen sollte, sich auf die Kernkompetenzen zu konzentrieren und vor allem die Features so zu wählen, dass sie – um es pathetisch zu sagen – aus dem Geist des Plugins heraus Sinn machen.
Beispiel „Pad Machine“: Bei der Nennung von „Piano“ und „Pad“ in einem Atemzug formen sich meine Zeigefinger ohnehin schon instinktiv zum Kreuz. Es mag ja sein, dass so mancher seine schönen Flügel-Sounds mit einem Panflöten-Pad unterlegen möchte (weil er beispielsweise ein 80er Jahre B-Movie nachvertont oder so), aber ich weiß nicht, ob man solche Tendenzen in einem so hochqualitativen Plugin unterstützen muss. Zudem sind die mitgelieferten (ebenfalls Sample-basierten) Pads, die von einfachen Analog-Flächen über einiges Geflöte bis zu Sweep-Ungetümen reichen, zwar völlig ok (wenn man so was mag), aber auch nicht weiter der Rede wert. Die Logic-eigenen Synths z. B. produzieren dergleichen mühelos auch. Ich weiß, dass auch „Ivory“ mit Pad-Sounds daherkommt, aber das macht es weder besser noch nachvollziehbarer.
Beispiel „Time Traveller“: Dieser einfache Delay-Effekt klingt brauchbar, lässt sich aber mit fünf Reglern für Delay-Zeit, Damping (also Höhenanteil der Delays), Pan (nur in der Stärke, nicht aber in der Art veränderbare Stereo-Verteilung der Delays), Feedback und Send nur äußerst beschränkt kontrollieren und ist zudem in der Delay-Zeit weder in bpm und Notenwerten einstellbar, noch kann er zu einem Song irgendwie synchronisiert werden. Für ganz einfache Anwendungen mag man damit klarkommen, mit dem Highend-Segment, in dem sich die Galaxy Pianos ansonsten bewegen, hat das aber natürlich nicht viel zu tun.
Gegenbeispiel „Spiritualizer“: Hier findet sich unter „Madness“ ein recht halbgarer Flanger- oder Phaser-Effekt. Ok, geschenkt. Weiterhin bekommen wir ein ganz hübsch zupackendes Filter mit 4 verschiedenen Varianten (lowpass, highpass etc.) und Reglern für Cutoff und Resonance – gut, nehmen wir dankend mit. Interessant aber wird es bei dem etwas kryptischen Schalter „Ghost Mode“. Der lässt uns nämlich nach beherztem Klick ausschließlich die Resonanz-Samples des jeweiligen Flügels spielen, was ein kleines Reich außergewöhnlicher, aber eben irgendwie Piano-eigener Klänge auftut.
Will heißen: Wenn man schon „warpt“, dann gerne so, dass man – wie es die Galaxy Pianos ja bei fast allen anderen Features mustergültig vormachen – im Sinne und auf Basis des Plugin-eigenen Klangreichtums herumfreakt. Vielleicht möchte ja jemand mal nur die Hammergeräusche recorden. Oder man haut einfach bei einer Extrasamplerunde eine Blechleiste auf die Saiten. Für „Ivory“ gibt es bei einem Sound eine Variante mit Wolldecke drüber. Meinetwegen auch so. Aber alles, was nicht so eng zum Piano-Sound dazugehört – Delays, Modulationseffekte, Synth-Layersounds etc. erwarte ich nicht von einem solchen Plugin und hole sie mir gerne woanders. Oder umgekehrt: Die total kaputtgehackten, in den Orbit modulierten Pianosounds überlassen wir doch mit Vergnügen irgendwelchen schlanken Freak-Plugins. Eine edelst gesamplete Library brauche ich da als Basis keineswegs – hört man ohnehin am Ende nicht. Durch die Streichung von (aus meiner Sicht) überflüssigen Features würden aber andererseits Resourcen frei, bestehende Elemente zu verbessern – was bei den Galaxy Pianos glücklicherweise kaum nötig wäre – oder im oben genannten Sinne neue zu entwickeln. Aber das nur am Rande.