Mit dem CFX Concert Grand präsentiert Garritan in Zusammenarbeit mit den Abbey Road Studios eine gut 130 GB große Sample Library eines Yamaha CFX Konzertflügels. Nun gibt es virtuelle Klaviere ja mittlerweile in großer Zahl und der Wettbewerb um den besten computergestützten Flügel hat in jüngerer Zeit schon einige bemerkenswert gute Librarys hervorgebracht. Allerdings gibt es dann doch nicht so viele, die mit einer so gewaltigen Fülle an Samples für einen einzigen Flügel an den Start gehen.
Die große Datenmenge ergibt sich daraus, dass das Instrument dreimal mit unterschiedlichen Mikrofonen und Mikrofonpositionen aufgenommen wurde, weshalb man aus drei unterschiedlichen Instrumentencharakteristika bzw. Perspektiven auswählen kann: Classic, Contemporary und Player. Das macht uns natürlich neugierig. Und gleich vorweg: Der CFX Concert Grand ist ein sehr schönes Instrument geworden und bildet präzise die Studiosituation einer Klavieraufnahme ab.
Details
Installation und Autorisierung
Der Garritan Abbey Road Studios CFX Concert Grand kommt in einem schönen schwarzen Pappschuber im DVD-Format. Dabei ist nur der Schuber im DVD-Format, die Klavierbibliothek kommt auf einem USB-Stick. Wer schon einmal einen Nachmittag damit verbracht hat, eine sehr große Sample Library zu installieren, weiß, wieso das toll ist: USB-Stick rein und die Daten werden auf die Festplatte gezogen, ohne dass man dauernd DVDs austauschen muss. Hier also schon einmal ein erstes Lob für Garritan, so muss das heutzutage sein. Auch mit SSD-Laufwerk müssen aber ziemlich viele Samples kopiert und entpackt werden, einmal Kaffee trinken reicht dafür dann doch nicht. Aber es werkelt halt vor sich hin und man muss nichts weiter tun – außer natürlich vorher 130 GB Platz auf der Festplatte oder auf einem schnellen externen Laufwerk freischaufeln. Wie auch beim VSL Vienna Imperial gibt es die Möglichkeit, eine abgespeckte Version zu installieren, die nur mit 25 GB zu Buche schlägt. Aber was sind heute schon 130 GB …
Nach der Installation folgt die Autorisierung, die sehr angenehm vonstatten geht: Nach Registrierung auf der Website des Herstellers (ohne lästiges Warten auf eine Bestätigungsmail!) lädt man sich eine Bilddatei – quasi ein persönlicher „Registrierungsausweis“ – auf den Computer und zieht sie auf die Programmoberfläche – zack, ist man registriert. Das ging selten so leicht, und wenn ich Installation und Autorisierung mit den Konkurrenten Native Instruments und Vienna Symphonic Library vergleiche, war die Installation des CFX Concert Grand geradezu ein Genuss.
Aufnahmetechnik und Raum
Der Yamaha CFX Konzertflügel wurde in drei verschiedenen Sample-Sets bzw. Perspektiven mit unterschiedlichen Mikrofonen und Aufstellungen aufgenommen. Dabei gehören zu jeder Variante je eine Mikrofonposition nah am Flügel und eine mit Raumklang. Die Aufzählung der verwendeten Mikrofone lässt einem schon das Wasser im Mund zusammen laufen:
Classic: Neumann M 49 und KM 184 (nah), DPA 4006 (mid), Neumann TLM 50 (Raum)
Contemporary: AKG C12 und D19 (nah), Schoeps MK 2H (Raum)
Player: Neumann KM 84 und KU 100 Dummy Head (Raum)
Wie die Bezeichnungen schon erahnen lassen, steht Classic dabei für eine übliche klassisch-runde Klavieraufnahme, Contemporary ist ein bisschen härter und direkter und Player ist die Perspektive der Spielers, der ja an einem anderen Ende sitzt als der Hörer. Jede dieser drei Aufnahmen besteht aus einem kompletten Sample-Set, woraus insgesamt über 50.000 Samples geworden sind.
Ebenso wichtig wie die Mikrofone ist natürlich deren Platzierung, und das Klavier ist ja berüchtigt dafür, es den Klangingenieuren nicht gerade leicht zu machen. Gute Tonmeister für Klavieraufnahmen sind gesucht und gehören zum Geheimwissen der Klassiklabels. Und die Tonmeister in den Abbey Road Studios haben gewusst, was sie taten: Die Samples klingen hervorragend.
Und um beim Studio und beim Aufnahmeraum zu bleiben: Die Abbey Road Studios sind zwar hauptsächlich der Beatles wegen berühmt, tatsächlich gibt es dort aber auch einen der größten Aufnahmeräume Europas, das Studio One. Dort passt ein großes Orchester samt Chor hinein, das sind dann gut 200 Leute. Seit 1931 werden hier Aufnahmen gemacht, und auch der CFX Concert Grand wurde in diesem Studio aufgenommen. Ein wunderbarer Raum mit einer sehr schönen Akustik für Klavieraufnahmen. Mikrofone, Mikrofonaufstellung, Raum – hier scheint bis jetzt alles zu stimmen.
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Player-Software
Der mitgelieferte Sample-Player basiert auf dem hauseigenen ARIA-Player und läuft als Standalone-Software oder als Plug-in in den Formaten AAX, RTAS, VST und AU. Die Oberfläche ist aufgeräumt und kommt in „Studio-Optik“: Es gibt Fader, Potis und beleuchtete „Plastikknöpfe“. Die fünf Schaltflächen oben stehen für die fünf Ansichten Main, Piano, Studio, Advanced und Info. Dabei ändert sich aber nur das Feld in der Mitte. Immer sichtbar bleiben oben das Dropdown-Menü für die Presets und die Auswahl für die fünf Fenster, rechts die Lautstärkeregler für den Mikrofonmix und die Hauptlautstärke komplett mit Mute-Buttons, Stereobreite und einem Limiter. Ein nettes gestalterisches Detail ist die Bezeichnung der Mikrofone, die wie in Studios üblich auf (hier virtuellem) Kreppband geschrieben und unter den Reglern auf die Konsole „geklebt“ wurde. Am unteren Bildschirmrand sehen wir den MIDI-Player und die Aufnahmemöglichkeit und darüber die Tastatur mit Pedalen, die Transpositionsmöglichkeiten und die Stimmung für den Kammerton a’. Schließlich gibt es hier mit dem Dropdown-Menü “Mic Perspective” die Möglichkeit, die drei verschiedenen Sample-Sets zu laden.
In der Main-Ansicht findet man eine Abbildung des gesampelten Yamaha-Flügels in den heiligen Hallen der Abbey Road Studios. Einstellen kann man hier – außer den eben erwähnten ständig sichtbaren Parametern – nichts. Dafür muss man auf eine der anderen Seiten wechseln, wo es detaillierte Einstellmöglichkeiten für verschiedenste Parameter gibt.
In der Piano-Ansicht kann man ein bisschen in den Innereien des Flügels herumwildern: Sympathetic Resonance, Sustain Resonance, Release Decay, Pedal Noise und andere Parameter können hier ähnlich wie in einem physikalischen Modell verstellt werden, wenn auch natürlich beileibe nicht so viel Auswahl vorhanden ist. Mit Sympathetic Resonance ist das Mitschwingen der Saiten gemeint, wenn eine andere Saite gespielt wird. Das bemerkt man besonders deutlich, wenn man ein paar Tasten stumm herunter drückt und eine Taste ein paar Töne tiefer als die heruntergedrückten spielt. Die stumm heruntergedrückten Tasten finden das nämlich so „sympathisch“, dass sie die Schwingung aufnehmen und dann selber anfangen zu klingen. Sustain Resonance bezeichnet hingegen das Mitschwingen aller Saiten bei getretenem Dämpferpedal.
Im Studio geht es sehr aufgeräumt zu: Es gibt einen Faltungshall und jeweils einen Dreiband-EQ für die nahe und räumliche Mikrofonierung. Dazu gibt es nicht viel zu sagen, außer dass der Convolution Reverb tatsächlich sehr gut ist, wie die Aufnahmen zeigen.
Im Fenster Advanced gibt es Möglichkeiten zur Feineinstellung, zum Beispiel für die Velocity-Kurve, die auch von Hand eingestellt und gespeichert werden kann. Weiter gibt es Einstellungen zur maximalen Polyphonie, den MIDI-Kanälen sowie die Möglichkeit, verschiedene Stimmungen wie Kirnberger, Pythagorean und ähnliche in Form von Skalen-Files zu laden.
Alle für den Klang relevanten Einstellungen, also Mikrofon-Set, Flügeleinstellungen, Studioeinstellungen und Stimmung, lassen sich selbstverständlich in Presets ablegen.
Schließlich gibt es dann auch Einstellmöglichkeiten für den Computer, also z.B. wie viel RAM vom Programm benutzt werden soll. Die Puffergröße stellt man in den Preferences ein, wobei ich bei einer Polyphonie von 128 Tönen und einem Buffer von 128 keine Probleme gehabt habe. Die Prozessorbelastung ist übrigens erfreulich gering, bei meinem Mid-2013 13” MacBook Pro waren es weit unter 10%. Latenzen und hochdrehende Lüfter sollten damit kein Thema sein.
Sehr gut gemacht ist übrigens die Hilfe, die sich in einem Browser-Fenster öffnet und in der man mit der Maus auf die einzelnen Elemente eines Fensters klicken kann und dann eine kurze Erklärung bekommt. Wer möchte kann weiter klicken und bekommt dann eine ausführliche Beschreibung. Sehr schön finde ich die Beispiele, die in einem extra Rahmen unter “Try it” stehen. Eine Erklärung zum Hören ist bei einem Instrument natürlich am besten. Pädagogisch wertvoll, allerdings nur für Englischsprachige.
Sebastian Berweck sagt:
#1 - 29.07.2015 um 12:14 Uhr
Hi Nikos, entschuldige die späte Antwort, ich hab's selber erstmal rausbekommen müssen: das ist aus der Französischen Suite Nr. 2 BWV 813 der 4. Satz.