Christian Smith, gebürtiger Schwede, aufgewachsen in Hessen, Student in den USA und jetzt wohnhaft auf Mallorca, ist kein Unbekannter in der elektronischen Musikszene. Im Gegenteil. Sein frühes Auftreten Anfang der Neunziger als DJ in legendären internationalen Clubs und später als Produzent für namhafte Labels, ließen ihn an die Spitze der Technoszene durchstarten. Mittlerweile hat der Vielreisende so gut wie alle Länder bespielt und kennt so gut wie jeden angesagten Club und die Festivals rund um den Globus. Sein eigenes Plattenlabel Tronic mischt seit Jahren erfolgreich ganz oben mit und sitzt belegt seit einiger Zeit Platz zwei der einflussreichsten und erfolgreichsten Technolabels der Welt – nicht zuletzt aufgrund Christians Gespür für Musik, die er als DJ, aber auch als Musikproduzent über die Jahre gesammelt hat.
Seine aktuelle Veröffentlichung ist die Remix EP „Inter Galaxy [Remixed]“ eines Songs seines letzten Albums, für die er das Mainzer Techno-Duo 2pole engagiert hat und mit denen er gerade für eine neue Produktion im Studio saß. Diesen Moment konnten wir uns nicht entgehen lassen und kündigten uns spontan für ein Interview mit Christian Smith im 2pole-Studio an.
Deine Karriere in der elektronischen Musikwelt begann in den frühen 90er Jahren. Wie schwierig war es, sich als DJ in der damaligen Szene zu etablieren?
Am Anfang war es mehr ein Hobby für mich. Ich war DJ, aber bekam Interesse Musik zu produzieren. Ich kaufte mir nach und nach ein wenig Equipment, das ziemlich schnell zu einer Menge an analogen Synths anwuchs. Die Synthesizer waren im Vergleich zu heute sehr viel günstiger auf dem Gebrauchtmarkt. Ich erinnere mich daran, einen Sequential Circuit Prophet-5 für 1200 US-Dollar oder eine Roland TR-909 für 600 US-Dollar gekauft zu haben. Dann geschah alles ziemlich schnell und ich etablierte mich in kürzester Zeit zu einem Musikproduzenten.
Innerhalb der nächsten sechs Monate produzierte ich drei bis vier Platten, die bei damals schon sehr bekannten DJs und Label-Inhabern, wie zum Beispiel Carl Cox und Dave Angel Gehör fanden. Sie wurden bei den Schallplattenfirmen Primate, Rotation und auf meinem eigenen Label Tronic veröffentlicht. Es folgten Booking-Anfragen aus der ganzen Welt. Innerhalb von nur sechs Monaten wurde ich vom Student zu einem Vollzeit reisenden DJ.
Wie hat sich aus deiner Sicht die Club- und Musikszene in den letzten Dekaden geändert?
Die Szene ist heute viel größer und mehr separiert. Damals vereinten die großen Events mehrere Genres unter einem Dach, sogar auf derselben Bühne. Jetzt gibt es eine Techno, House-, EDM- etc. Stage. Auch die Gagen waren viel niedriger und es war nicht so attraktiv, ein international angesehener DJ zu werden. Was ich an der Szene jetzt mag, ist die Qualität der Events, die sich grundlegend geändert hat. In den frühen 2000ern war es fast nicht möglich, auf einem guten Soundsystem zu spielen – nun ist es fast unmöglich, ein schlechtes gestellt zu bekommen. Danke hierfür!
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Du reist um den ganzen Globus und spielst große Gigs an der Seite international bekannter Kollegen. Gibt es von diesen Auftritten außergewöhnliche Momente, die dir noch in Erinnerung geblieben sind und auch welche, die du am liebsten nicht wahrgenommen hättest?
Ich erinnere mich an das Opening Set, das ich vor zirka 15 Jahren auf dem Festival I LOVE TECHNO in Belgien gespielt habe. Erst dachte ich, dass es bestimmt recht langweilig werden würde, da Opening Sets normalerweise eher nicht so spaßig sind. Aber als die Stage eröffnet wurde, stürmten die Besucher in die Arena. Das war absolut unglaublich – 7000 Menschen füllten die Location in nur fünf Minuten und alle wollten einfach nur rocken – also kein Opening Set Sound! 😉
Ein eher negativer Moment trug sich zu, als ich auf einem Festival in Venezuela auf Isla Margarita spielte. Die Party startete sehr gut. Nachdem ich die zweite Platte aufgelegt hatte, zeigte ein Polizist plötzlich mit seiner Shotgun auf mich, nur 20 Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. Er wollte, dass ich die Musik stoppe. Noch nie in meinem Leben fiel mir die Wahl leichter, sofort den Stop-Button an den Technics 1200 zu drücken.
Mit welchem Equipment spielst du am liebsten in Clubs und auf Festivals? Laptop, „oldschool“ oder mit CDJ und Mixer?
Damals spielte ich ausschließlich mit drei Plattenspielern und Vinyl. Als Battle-DJ setzte ich oft Tricks ein. Jetzt versuche ich denselben Vibe in meinen neuen Sets beizubehalten und nutze dabei vier Pioneer CDJ 2000 und USB-Sticks für die Musik. Ich spiele nicht mit einem Laptop, da solche DJs oft den Eindruck vermitteln, als würden sie E-Mails checken. Ich versuche natürlich auch die Crowd zu beobachten, um besser auf sie eingehen zu können. Aber es gibt heutzutage kein Richtig oder Falsch für eine Performance, ich will einfach so mehr ein Teil der Party sein.
Du arbeitest nicht nur alleine in deinem Studio an Tracks, sondern besuchst auch gerne Produktionsstätten von Kollegen für Kollaborationen. Erinnerst du dich an deinen ersten Synthesizer und Drumcomputer, mit dem du deine ersten Tracks produziert hast?
Der erste Synth, den ich besaß, war ein Roland D70 und ein AKAI S950 Sampler. Ich mochte die Beiden, aber nach einer kurzen Zeit realisierte ich, dass mir „Hands-On“ während der Produktionsphase mehr Spaß bereiten würde. Deswegen verkaufte ich meinen D70 und legte mir einen Roland SH-101, einen Juno-106, eine TR-909 und eine TB-303 zu. Danach erwarb ich nach und nach mehr Sequencing-Geräte, Computer und Hardware-Effekte (wie zum Beispiel das Boss SE70 und ein Lexicon LXP-15).
Welcher Synthesizer, Drumsynth oder Effekt erzeugt deinen typischen Christian Smith Sound?
Es ist eigentlich unmöglich, die Anzahl auf einen Synth oder Drumcomputer runter zu brechen. Aber ich nutze sehr gerne den Minimoog für Bässe. Panman von der Firma Soundtoys setze ich gerne für das Panning der Hihats ein. Hierfür nutze ich gerne die Sounds der TR-909 für meine Tracks, ich komme eben aus dem Oldschool-Zeitalter. Auf der anderen Seite mag ich neue Technologien, um den mehr modernen Sound zu produzieren.
Dein neuestes Projekt ist ein Christian Smith Album, das in Zusammenarbeit mit ausgewählten Tronic-Künstlern, unter anderem Victor Ruiz, Drunken Kong, Pig&Dan, Harry Romero und 2pole, auf der ganzen Welt entsteht. Bist du bei der Entstehung der Titel vor Ort in den Studios und wie können wir uns den Produktionsalltag vorstellen?
Das ist in der Tat ein sehr anspruchsvolles Projekt. Das Album wird aus Kollaborationen der oben genannten Künstler bestehen, die ich während meiner Tour aufgesucht habe. Meine letzten drei Solo-Alben wurden alle hauptsächlich von mir produziert, deswegen ist das Projekt definitiv eine willkommene Abwechslung. Ich bin sehr glücklich darüber und kann sagen, dass es mittlerweile so gut wie im Kasten ist. Es war eine sehr inspirierende Zeit, mit so vielen und unterschiedlichen Künstlern in so kurzer Zeit zusammenzuarbeiten. Ich habe sehr viel aus dieser Zeit mitgenommen und gelernt.
Jeder arbeitet grundlegend anders. Einige Producer wie Harry Romero nutzen eher wenige Plug-ins (zirka fünf bis sieben). Auf der anderen Seite hatten wir im Studio von 2pole den Luxus, tonnenweise analoges Outboard einzusetzen und somit waren Plug-ins gar nicht nötig. Das ist wirklich wichtig, wenn man sehr schnell gute Sounds kreieren will. Keine Frage, man bekommt auch gute Sounds „in-the-box“, aber es dauert natürlich viel länger.
Sehr ungewöhnlich war die Arbeit mit meinen Freunden Pig&Dan, denn die Beiden mixen alle ihre Tracks auf Kopfhörern. Das erklärt, warum es kein Richtig und kein Falsch in den verschiedenen Produktionsweisen gibt, denn ihre Mixdowns sind absolut großartig. Mir hat es im positiven Sinne die Augen geöffnet, zu sehen, wie unterschiedlich Produzenten an ein Projekt gehen und ich werde auf jeden Fall ein paar gelernte Techniken für meine kommenden Tracks übernehmen.
Im Moment produzierst du mit dem aufstrebenden deutschen Techno Act 2pole in ihrem Studio bei Mainz. Die beiden Jungs remixten einen Titel deines letzten Albums „Input-Output“, das jetzt in zwei Versionen auf der neuen EP „Inter Galaxy (Remixed)“ auf Beatport erschienen ist. Wie bist du auf das Duo aufmerksam geworden und was reizt dich an der Kollaboration mit 2pole?
Ich kannte einen der Beiden von dem Duo 2pole schon vorher und als er mir die ersten Demos unter dem neuen Projektnamen zukommen ließ, wurde ich sehr neugierig. Um ehrlich zu sein, die Tracks hauten mich um. Sie waren absolut originell und sehr musikalisch. Heutzutage kopieren die meisten Produzenten andere und folgen nur den aktuellen Trends.
2pole haben dagegen einen sehr eigenständigen und unverkennbaren Sound. Dazu kommt, dass ich diesen warmen und musikalischen Klang liebe. Bis jetzt haben sie einige Singles und Remixes auf meinem Label Tronic veröffentlicht und ich bin sehr happy, dass sie diesen Remix für einen Song meines Albums und für mich abgeliefert haben: originell, musikalisch und vor allem sehr kraftvoll! Überzeugt euch hier.
Das gut bestückte Studio von 2pole wirkt auf deinen Instagram und Facebook Videos sehr interessant und vor allem vielseitig. Ist diese große Auswahl an analogen Synth und digitalen Plug-ins vorteilhaft oder eher störend im kreativen Prozess?
Als ich mit dem Musikmachen angefangen habe, hatte ich nur zwei bis drei Synthesizer. Der Workflow war natürlich sehr gut und gewissermaßen auch einfach, durch die Restriktionen, die ich hatte. Das half mir auch, meinen Sound zu formen. Heutzutage, mit Tausenden Plug-ins und dem Luxus, mit großartiger Hardware zu arbeiten, sind die Optionen unendlich groß. Ich habe es genossen, zusammen mit 2pole im Studio zu arbeiten, da wir sehr vertraut und wie auf einer Wellenlänge unsere Ideen erarbeiten können. Dazu kommt, dass wir auf diese Menge an großartigen Hardware-Synths, Drumcomputern und Effekten zugreifen konnten. Das fühlt sich an, als besäße man etliche Luxuskarossen, mit denen man herumfahren kann.
Ich liebe den Sound des Oberheim SEM Pro, aber auch den der Elektron Kisten Analog Heat, Analog Four und Analog Rytm und den der Waldorf Synthesizer in 2poles Studio. Das half uns, einzigartige Sounds zu schrauben, die nicht an eine Kopie erinnern. Wir nutzten kaum Plug-ins neben den Standard-Effekten wie EQ, Kompression, Filter und Reverbs/Delays. Für die Sounds wurde ausschließlich Outboard-Gear eingesetzt.
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Mehr Informationen… und Drunken Kong (Tokio), die auf seiner “Collaboration Tour” entstanden sind.
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Mehr InformationenAnaloge Synthesizer sind wieder in Mode gekommen und werden mittlerweile zu „Schleuderpreisen“ im Handel verkauft (siehe Roland Boutique oder Behringer Synthesizer). Jetzt kann jeder die mächtigen Sounds im Heimstudio einsetzen. Sind diese Synthesizer interessant für dich oder stehst du eher auf einzigartigere Klangerzeuger?
Ich denke, dass es super ist, dass Firmen diese günstigeren Synths produzieren und anbieten, da auch Producer, die noch nicht so lange im Geschäft sind, so in den Genuss kommen, fette Sounds einzusetzen. Klar ist es immer besser, einen noch teureren analogen und polyphonen Synth zu besitzen, als einen monophonen Behringer Synthesizer, aber zusammengefasst kann man wirklich viel mit den günstigeren Synths erstellen.
Am Ende des Tages ist es sowieso egal, wie viel Geld in das Studio investiert wurde, es kommt mehr auf die Kreativität und das Ergebnis an. Ich habe einige meiner größten Hits in schrecklich klingenden Räumen oder sogar nur im Rechner produziert. Das zeigt doch, dass man auch ohne High-End-Gear sehr erfolgreich werden kann. Das Wichtigste ist, dass du ein gutes Gehör und Gespür für eine gute Hook und eine Melodie hast.
Deine Top 5 auf die du im Studio nicht verzichten möchtest:
- Apple Macbook Pro – ok, das hört sich langweilig an, aber man kann mit dem Laptop eigentlich alles „in-the-box“ machen.
- Soundtoys Plug-ins – ich liebe diese Firma und alle ihre Produkte. Sehr kreativ und vor allem top Sound.
- Fabfilter Pro-Q2 – Der Alleskönner-Equalizer. Für einfache Aufgaben, aber auch für chirurgische Eingriffe in schwierige Sounds.
- Roland SE02 – leider besitze ich ihn noch nicht, aber ich denke, er wird ziemlich fett werden. Alleine nur der Gedanke, dass du einen Synthesizer besitzen kannst, der von Studio Electronics, die für ihre Moog Repliken bekannt sind, in Zusammenarbeit mit Roland entwickelt wurde, ist schon sehr interessant. Und dann noch dieser Preis
- Oberheim SEM Pro – was für eine Schönheit! Über-fette warme analoge Sounds!
Vielleicht hast du zum Abschluss noch einen Ratschlag als Tronic Label-Chief an unsere Nachwuchs-Producer, wie ihre Song-Demos bei großen und bekannten Labels ankommen und auch gehört werden?
Ein sehr einfacher Tipp, den ich allen neuen und aufstrebenden Künstlern gebe, ist, dass sie bitte IMMER fertige Tracks als Demo versenden sollen. Denn ein fertiger Song ist besser als 50 angefangene. Außerdem verbessert sich jeder Producer mit jedem vollendeten Track. Ein weiterer Punkt ist, dass ihr Musik produziert, die euch begeistert und mit der ihr euch identifizieren könnt. Und zu guter Letzt: Es gibt keine Abkürzung zum großen Erfolg im Musik-Business, außer ihr reißt euch den Arsch dafür auf!
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