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Gear-Chat: Max Cooper

Max Cooper zählt mit seinen kunstvollen Mikrobreaks und ausgefeilten Sounddesigns zu den detailverliebtesten Producern im Bereich der elektronischen Musik. Gleichzeitig breitet er in den übergeordneten harmonischen Strukturen seiner Stücke einen emotionalen Kontext aus, der seine Tracks unverkennbar macht. Das alles verpackt er in Mixe, die in ihrer Tightness und Plastizität wegweisend sind. Überhaupt arbeitet der Achtunddreißigjährige beständig daran, seine Musik immersiv zu präsentieren und spielt sein Livesets bevorzugt in Surround-Setups. Anlässlich seines neuen Albums “One Hundred Billion Sparks” trafen wir den nordirischen Musiker in seinem Dachstudio im Südosten Londons.

Hi Max, schön Dich hier in Deinem Studio zu treffen. Der Raum klingt sehr gut. Wie bist Du bei der Positionierung der Diffusoren und Absorber vorgegangen oder hat das ein Akustiker gemacht?
Ich habe mit einem simplen Sinuston die tiefen Frequenzen durchgesweept und bin dann in alle Ecken das Zimmers gegangen, um zu hören, wo es am lautesten ist. Da habe ich dann Absorber platziert. Dann noch ein paar Expedit-Regale mit unterschiedlichen Sachen drin, die Schräge dazu – das macht schon einiges.

Hast Du Dir deine Producer-Skills eigentlich selber beigebracht?
Ja, wie viele Home-Producer, lange bevor ich 2004/05 anfing, Sachen zu veröffentlichen, habe ich stundenlang im Studio gesessen und an meinen Sounds gefeilt. Mein guter Freund Gaz Williams hat mir ein paar fundamentale Sachen erklärt und mir viel in Ableton Live gezeigt und ab da war es einfach der Prozess der konstanten Selbstkritik: Unendlich viele Korrekturschleifen, in denen man sich eigene und fremde Sachen anhört und überprüft, wie man sie verbessern kann. Viele Müll-Mixe machen (lacht) und dabei immer die Liebe zu den eigenen ästhetischen Ansprüchen verfolgen. Ich liebe einfach Komplexität, Harmonien, Schichtungen – das Gefühl, dass die Musik dich umgibt, dass sie dich förmlich umarmt und dich für eine kurze Zeit ein Stück weit aus deiner realen Existenz entführt. Ich bin noch immer nicht da, aber ich arbeite daran und werde besser (lacht).

Die Basis um eine gute Mischung abzuliefern ist ja das Referencing – also das Abgleichen vom Ist- und Soll-Zustand. Vertraust Du da auf die Genelecs (8050 Monitore) oder kommen am Ende auch Kopfhörer ins Spiel?
Beides. Ich komme sehr gut mit den Genelecs klar. Meine Geheimwaffe ist aber das “Subpac” (ein mechanischer Subwoofer). Das mag ich so sehr, dass ich es hier fest an den Stuhl geschnallt habe. Und zwischendrin nehme ich immer wieder gerne meine Sennheiser HD 650.

Fotostrecke: 3 Bilder Die Dachschräge wirkt sich positiv auf die Akustik aus.

Womit wir beim Thema Binauralität wären, das bei Dir ja einen hohen Stellenwert hat.
Es gibt zwei Stellen, an denen meine Klänge binaural werden: Erstens, wenn ich sie aufnehme, zweitens beim Produzieren. Oft nehme ich Sound direkt mit meinen In-Ear-Mikrofonen (Sound Professionals SB-TFB2) oder dem Kunstkopf binaural auf. Manchmal setze ich mich mit den In-Ears sogar hier vor die Monitore und nehme eine Spur noch mal auf, um sie räumlich zu machen. Wenn ich beim Produzieren Sounds im Raum verteilen möchte, verwende ich dann häufig “Dust” von “Soundmorph”.

Ich habe sehr oft den Eindruck, dass Du mit Hall genau entgegen der “natürlichen” Wahrnehmung arbeitest: Viele sehr trockene Sounds kommen weit von links und rechts, während der Hall fast mono in der Stereomitte zu liegen scheint. Ist da ein Konzept hinter?
Ja, absolut. Ich versuche ja mit maximalen Kontrasten zu arbeiten. Akustisch gewissermaßen künstliche Welten zu erschaffen, die dich an einen irrealen Ort bringen. Und wieder: Das ist nichts, was sich im Club transportiert. Aber zu Hause kann man damit sehr viel Spaß haben.

Du bist klanglich also immer ein Grenzgänger zwischen Club und anspruchsvollen Ohrkino …
Wenn ich meine Mixe mache, habe ich immer ein Ideal von einem Musikhörer im Hinterkopf – jemanden, der meine Musik auf einer hervorragenden Anlage oder mit tollem Kopfhörer hört. Das ist oft eine schwierige Balance, weil sich ein komplexer Mix auf einer Club-PA oft nicht gut transportiert. Da brauchst du dann eher sehr elementare Dinge, die einfach strukturiert sind: Kick, Bass, Hi-Hat. Das wiederum ist zu Hause eher langweilig zu hören. Ich adressiere also eher den Home-Listener und versuche hier die Grenzen durch binaurale Mischungen und Detailreichtum zu erweitern.

(Max Cooper – Molten Landscapes)

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Wie geht man denn ein Surround-Liveset in Ableton Live an?
Ich nutze dafür “YX Send Nodes Circlepan”. Ein einfaches Max-for-Live Plug-in, mit dem sich Audio- und MIDI-Tracks sehr einfach auf bis zu zwölf Aux-Sends und damit Lautsprecher verteilen lassen. Ich meine, das ist natürlich nicht mit einem Dolby-Atmos-System zu vergleichen, wo du vierzig oder mehr Lautsprecher hast und ein separater Rechner mit der Berechnung der Positionierung beschäftigt ist, der auch ein 3D-Modell des Raumes hat. Für ein Surround-Set im Club reicht das aber völlig aus. Ich meine, das ist sowieso die wichtigste Regel für Tracks oder Auftritte in Clubs: Klanglich klar, eindeutig und aufgeräumt sein.

Wenn man so komplexe Tracks wie Du macht, muss man ein gehöriges Maß an mentaler Strukturiertheit mitbringen, sonst verliert man den Faden oder wird nicht fertig, nehme ich an. Ich meine die technischen Möglichkeiten – Stichwort: Plug-ins, Max-Patches – sind heute größer denn je.
Ja, ich denke schon, dass ich ein hohes Maß an Selbstorganisation und Strukturierung habe. Das heißt nicht, dass ich mir nicht Experimente und Ausprobieren erlaube – sehr sogar, denn das ist ja ein essenzieller Teil meiner Musik. Ich gebe mir aber klar definierte Zeitfenster, in denen ich einzelne Plug-ins bis ins letzte Detail auslote – “ad nauseam” ist glaube ich der richtig Ausdruck (lacht). Da heißt es dann eine Woche lang nur rumexperimentieren. Und wenn ich etwas gefunden habe, von dem ich wirklich glaube, dass es meiner Musik nützt, dann wandert das auch ein meine Plug-in-Toolbox. Es geht ja auch darum, den musikalischen Fokus zu halten: Du kannst durch das Programmieren von Modularsynthesizern, Reaktor-Patches, Max-for-Live-Devices so tief abtauchen, dass dir das emotionale Moment, das, was du eigentlich mit deiner Musik mitteilen wolltest, ein Stück weit verloren geht.

Kaum zu glauben: Das sind drei aufgeklappte Drumspuren eines Arrangements von Max Cooper.
Kaum zu glauben: Das sind drei aufgeklappte Drumspuren eines Arrangements von Max Cooper.

Ich habe beim Hören Deiner Stücke oft das Gefühl, dass Du mit absoluter Sicherheit zwischen musikalischem Gehalt und – ich nenne es mal – ornamentaler, rhythmischer Ausschmückung wechseln kannst. Es klingt so, als ob es Parameter sind, die Du nach Belieben steuerst und die nicht einfach so “passieren” …
Auch hier ist es ein Wechselspiel – viel musikalische Komplexität bindet die Aufmerksamkeit und entfernt einen vom musikalischen Empfinden. Gleichzeitig ist es wundervoll, in komplexe klangliche Schichten abzutauchen und sich darin zu verlieren. Bei “Hope”, dem ersten Track des Albums, habe ich ganz bewusst versucht, den Harmonien und Klängen maximalen Raum zu geben. Während es bei “Volition” in genau die andere Richtung geht: Die Ausarbeitung der perkussiven Elemente, für die die Harmonie im Grunde genommen den Rahmen bildet, in dem sie sich entwickeln können.

Viele Deiner Tracks haben wunderbare offizielle Videos – wo kommt dieses Interesse am Visuellen her?
Ich liebe Musikvideos. So Sachen wie “Koyaanisqatsi” haben mich immer schon mächtig beeindruckt – wenn Musik und Bild zu etwas verschmelzen, was dich wirklich berührt. Deshalb ist jedes Album in meinem Kopf eigentlich der Soundtrack zu einem Film. Und genau deshalb arbeite ich dann gerne mit Visual-Artists zusammen, um diese Verschmelzung zu erreichen. Tatsächlich hat sich das in jüngerer Zeit, wo egal ob live oder im Internet, viel mehr Video zum Einsatz kommt, als ziemlich glücklicher Umstand herausgestellt. Dass ich das also nicht als lästiges Beiwerk zur Promo betrachte, sondern das visuelle ein gleichberechtigter Teil der Musik ist.

(Max Cooper – Hope)

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Oft höre ich bei Dir heftige Bearbeitungen der Sounds. Sind das Plug-ins oder externe Hardware?
Effekt-Pedale sind für mich extrem wichtig – sie sind immer ein Element, um den Klängen noch eine zusätzliche Ebene an Komplexität, Charakter und Verzerrung mit auf den Weg zu geben. In Kanada hatte ich mir vor einiger Zeit das “Shallow Water” (Modulation) und “Meet Maude” (Delay) geholt (beide von: Fairfield Circuitry) – wunderbare Teile um den Sound anzureichern. Dann das “RM-1N” und der “Echo Degrader” von “Industrialectric”, zwei echte Apokalypse-Geräte, wo du nie weißt, was sie genau machen. Immer wenn du auf dem Album einen Sound hörst, der sich so richtig in Verzerrung auflöst, dann sind es diese Teile. Nicht zu vergessen: der “Geiger Hunter” von WDM, den ich sehr gerne verwende, um stark verzerrte, bitgecrushte Noise-Sounds zu generieren. Tatsächlich verwende ich in meinen Stücken auf sehr vielen Spuren Verzerrungen, man merkt es aber nicht, weil ich sie sehr subtil dazumische – einfach um noch eine zusätzliche Textur-Ebene zu haben. Und natürlich die Klassiker von Moog: Moogerfooger, Ringmod und Delay, ebenso wie Memory Man und Roland RE-201. Ah, und natürlich das “Big Sky” (Reverb) von Strymon, das diesen Taster hat, mit dem man den Reverb unendlich “einfrieren” kann – ein großartiger Effekt.

Fotostrecke: 2 Bilder Immer in Griffweite: Stomp-Boxen zur Anreicherung und Verfremdung der Sounds.

Was ist das Ausgangsmaterial Deiner Frickelsounds?
Eine typische Arbeitsweise ist es, mit dem Prophet-6 unzählige Chaos-Spuren zu erzeugen, wobei ich häufig auch die “Randomize-Funktion” benutze. Ich nehme dann zig Takes auf und gehe die danach Takt für Takt durch und such nach Stellen, die musikalisch Sinn ergeben. Du hörst in meinen Tracks auch kein Mikrobreak oder Glitch zweimal: Jeder Takt ist einzeln editiert – von Anfang bis Ende. Es ist Drama und Segen zugleich: Ich bin ja kein “richtiger” Musiker, der ein komplexes, reichhaltiges Stück einfach so spielen kann. Ich arbeite stattdessen diese “Happy Mistakes”, die aus dem Experimentieren mit dem Synthesizer entstehen, als virtuoses Stilmittel heraus.

Wie bekommst Du es danach hin, dass diese ganzen “Frickelsounds” bei Dir immer wie aus einem Guss klingen?
Also zunächst einmal laufen alle Chaos-Schnipsel-Spuren dann noch in Subgruppen, wo sie zusätzlich noch mal in verschiedenste Transformations-Effekte laufen – häufig dann im Rechner, beispielsweise mit den Max-Devices von “Amazing Noises” oder dem “MFM2-Delay” von U-he. Aber auch die internen Sachen von Ableton: natürlich der “Granulator”, aber auch die Grain-Effekte, wenn du auf Clip-Ebene den Warp-Algorithmus aus “Tones” schaltest und mit der Grain-Size experimentierst. Tatsächlich werde ich ja oft gefragt, wie man am besten diesen “glitchigen” IDM-Sound hinbekommt. Ich denke aber, es ist einer der Grundpfeiler des ganzen Genres, dass es eben keinen Standard-Weg gibt, sondern jeder, der sich dafür wirklich interessiert, seine Effektketten und Strukturen findet, auch und gerade weil es Hunderte von Plug-ins und Patches gibt. Ich benutze beispielsweise auch die alten API-Tools für Max extrem gerne. Im Studio genauso wie live. Damit baue ich mir völlig unberechenbare Modulations-Verschaltungen, die ich gar nicht mehr verstehe oder beeinflussen kann – sie laufen einfach und machen verrücktes Chaos.

Aber Du bringst diese ganzen Chaos-Spuren doch auch mixtechnisch noch in Form?
Ja natürlich. Die digitalen Effekte haben ja keine “natürliche” Frequenzbegrenzung, sondern bewegen sich im gesamten möglichen Frequenzbereich. Da ist sehr viel Sidechaining, EQing und Multiband-Kompression erforderlich, um die ganzen kleinen Spitzen abzufangen. Das ist ein schwieriger Prozess – zu entscheiden, ob dieser kleine Peak da jetzt böse ist oder ob er genau der Akzent ist, den es an dieser Stelle braucht. Aber meine Waffe sind hier immer wieder Busse. Jeder meiner Tracks besteht am Ende aus maximal zehn Subgruppen, die alles noch mal zusammenfassen – musikalisch, wie auch klanglich. Zeitgleich erfolgt auch der binaurale “Upmix”, wo ich entscheide, welche Sounds wohin wandern: Was muss in die Mitte, was darf am Rand oder sogar neben dem Stereofeld platziert werden.

Wie lange brauchst Du im Schnitt für die ganzen Edits?
Ich bin ja ein chronischer Die-Nacht-Durchmacher – tatsächlich genieße ich diesen Teil des Produzierens sehr. Das sind oft hundert oder mehr Layer an Sounds, durch die ich mich dann schnipsel. Da kommen schnell 40 oder Stunden pro Track zusammen, in denen ich nur winzige Klangfitzel editiere. Aber ich mag das: Wenn ich nach einiger Zeit gar nicht mehr denke, sondern nur noch ein Sample-Schneideroboter bin. Kennst du so Leute, die sagen: “Ich wasche gerne ab oder putze, weil ich dann an nichts denke”? Einfache, sich wiederholende Schritte – fast schon eine Art Meditation, um vom Wahnsinn des Lebens abzuschalten. So ungefähr fühlt sich das an (grinst).

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von Numinos

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