Jeroen Verheij ist einer der feinsten Exporte elektronischer Musik aus den Niederlanden. Seit den frühen Neunziger Jahren hat der in der Nähe von Rotterdam aufgewachsene Künstler die Szene geprägt, ob als Point Blank oder als Secret Cinema. Der sympathische Holländer steht für hochwertigen Sound und kann auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Wie sich sein Studio-Setup in den letzten Jahrzehnten verändert hat, ob darunter auch Fehlkäufe waren, dies und weitere Einsichten bekommt ihr hier im Gear-Chat.
Über 25 Jahre in der Szene der elektronischen Musik erfolgreich mitzumischen fordert einiges ab. Was war und ist dein Antrieb und deine Inspiration für deine Karriere?
Ich werde von vielen Dingen um mich herum inspiriert, von Filmen, Spielen, Kunst oder Natur zum Beispiel. Aber in den letzten 25 Jahren wurden meine kreativsten Momente immer von einem guten Instrument und der Erkundung seiner Möglichkeiten ausgelöst.
1994 zum Bespiel, als ich den Kurzweil K2000 entdeckt habe, habe ich innerhalb eines Jahres meine besten Tracks der 90er produziert, unter anderem „Meng’s Theme“, „Timeless Altitude“ , oder „Watch Me Now“. Mehrere Klassiker in sehr kurzer Zeit also.
Beim Checken deines Tour-Kalenders für die nächsten Monate fiel mir auf, dass du sehr viele verschiedene Länder bereist, um den ganzen Globus verteilt. Wirst du jemals des Reisens überdrüssig? Und wie gehst du mit den Anstrengungen des Tourens um?
Ich bezeichne mich als sehr glücklich durch meine Musik um die Welt zu reisen! Das macht Fliegen natürlich nicht unbedingt angenehmer und komfortabler (lacht). Schlussendlich geben mir aber die Aufregung und die Vorfreude auf die Bühne gehen zu können, die nötige Energie, die es zum Touren braucht. Unter der Woche kann ich dann ein wenig Schlaf nachholen.
Was war in den frühen 90er Jahren dein erstes Setup zum Produzieren? Ich hatte einen Amiga 500 mit vielen Computerspielen. Auf einer Tauschbörse für Games, wo Leute ihre Floppy Disks mitbrachten, sah ich einen Typ, der mit dem Amiga Musik machte. Ich dachte mir, dass ich das unbedingt brauche! Die Software hieß Oktalyzer, eine sehr einfache Tracker-Software. Man schrieb einen Code, der der Maschine sagt, wann sie welche Noten oder welches Sample bei welcher Lautstärke abspielen sollte. Zusätzlich zum Amiga hatte ich nur einen selbstgelöteten Sampler.
Welches Equipment nutzt du heutzutage?
DAW: Bitwig 2
Mixing-Konsole und Monitore: Allen & Heath ZED R16 und Adam Audio S3H
Synthesizer und Sequencer: Native Instruments Maschine Studio und Maschine Jam, Elektron Analog Rytm, Yamaha DX200, Yamaha SU700 mit einer SCSI2SD-Karte und einen Beatstep Pro für Live- und Studioarbeiten.
Weiter noch: Roland SH-101 mit Tubutec MOD, Kurzweil K2500r, Arturia Microbrute, Roland JV1080, Waldorf Blofeld, Roland TR-606, Aira TR-8 und MX-1 für Live-Auftritte.
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Wie unterscheidet sich dein Workflow von heute zu deinem damaligen?
Als ich 1991 mit dem Amiga angefangen habe, hat alles ewig gedauert, die Ladezeiten beispielsweise. Stundenlanges Arrangieren mit Tracker-Software und nur 512 kB RAM. Heutzutage kann ich einfach meine Synths anmachen und anfangen aufzunehmen. Von der Idee zum fertigen Sound ist der Weg viel kürzer geworden, was den kreativen Prozess wirklich verbessert hat.
Hast du eine Geheimwaffe?
Ganz klar das Modular-System! Ich habe auch letztens meine alte Yamaha SU700 Groovebox aufgefrischt. Alter, die Kiste bringt es echt. Damit ein paar Sachen aus dem System sampeln und los geht’s!
Hattest du auch Fehlkäufe?
Normalerweise weiß ich, was ich möchte und für mich funktioniert. Einige Module meines Systems wurden jedoch noch nie berührt, der Intellijel Quantize zum Beispiel. Auch mit dem Elektron Octatrack bin ich nicht richtig warm geworden, um ehrlich zu sein. Ich liebe meinen Rytm, aber der Octatrack, puh… Zu viele Untermenüs.
Wie startest du einen neuen Track und wie sieht der folgende kreative Prozess aus?
Ich starte beim Modular-System und synthetisiere einige Sounds damit. Mit komischen LFOs und Sequenzen, um den Prozess ins Rollen zu bringen. Dazu kreiere ich zufälliges Chaos mit Bitwig, welches ich dann später mit meiner Maschine Jam bändige. In letzter Zeit kam wie gesagt da noch der SU700 dazu, quasi als zweite Stufe der Kreativität. Einfach sampeln und schon kommen tolle Grooves heraus, richtig gut!
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Weitere InformationenViele junge Produzenten haben Schwierigkeiten, ihre Tracks abzuschließen und darum tonnenweise unfertige Projekte auf der Festplatte. Wie schließt du ein Projekt ab und was ist dein Rat, um diese Fähigkeit auszubauen?
Kauf dir Hardware und fang an, all diese entstehenden Loops in deiner DAW aufzunehmen. Auch deine Tracks zu bouncen und die VST-Spuren schnell in Audio-Spuren umzuwandeln kann hilfreich sein, da du dann nicht mehr so viel ändern kannst und abschließen musst. Zu viele Möglichkeiten töten deine Kreativität. Wenn du nur noch die Stems zum Arbeiten hast, fang an diese zu schneiden, das wird den ganzen Prozess auffrischen!
Wie viel Zeit verbringst du im Studio? Eher 9 to 5 oder spontan und unregelmäßig?
Ich bin jedes Wochenende auf Tour, 9 to 5 ist also nicht mein Stil. Vor etwa einem Jahr bin ich nach Amsterdam gezogen und musste mein Studio von Grund auf im Keller neu aufbauen. Damit meine ich Wände einreißen, den Raum akustisch ausrichten, Boden verlegen – alles von Grund auf. Dieser Prozess ging gerade erst zu Ende, ich liebe mein neues Studio. Im Sweet-Spot zu sitzen, fühlt sich an wie der Kapitän eines Raumschiffes zu sein, es klingt wunderbar, besonders auch die Adam Monitore. Nach einem Jahr ohne richtiges Studio bin ich also richtig glücklich, wieder regelmäßig jammen zu können.
Erzähl uns von deiner Arbeit als Label-Chef von „Gem Records“. Unterstützt du da lieber gestandene Künstler oder bist du auf der Suche nach neuen, rohen Diamanten für die Szene?
2008 habe ich mich – nach 15 Jahren nur Live-Sets spielen – dazu entschieden, wieder als DJ aufzutreten. Ich habe nach Musik gesucht, die niemand hat, dabei habe ich Egbert auf Myspace gefunden. Er hatte zu dem Zeitpunkt nur eine einzige EP released, schlug aber in meinem Studio mit hunderten guten Tracks auf, die nur noch fertiggemacht werden mussten. Da entschieden wir, das Label zu starten. Also ja, ich versuche immer neue Musik zu finden und dem Hype nicht zu folgen. Manchmal releasen wir diese neuen Sachen dann auf Gem oder fügen unserer Booking Agency einen neuen Künstler hinzu. In den letzten zwei Jahren habe ich Enrico Sangiuliano und Reinier Zonneveld entdeckt, die sich beide innerhalb kürzester Zeit sehr etabliert haben.
Was sind deine Pläne für die Zukunft? Im August kam deine letzte EP „Séance“ noch heraus?
Ja genau, Séance ist die erste EP, die aus meinem neuen Studio kommt. Sie steigt immer noch in den Vinyl- und Digital-Charts. Danach werden wir eine EP von einem Neuling namens Eitan Reiter releasen, der richtig gute Sachen macht. 2017 kommt außerdem noch eine Kollaboration mit Egbert heraus, all das auf meinem Label Gem Records. Jetzt wo mein Studio fertig ist, bahnt sich auch einiges für 2018 an, also dranbleiben!
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