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Gear-Chat und Interview mit Devin Townsend

Mit dem am 29. März erscheinenden Album Empath lässt der Tausendsassa Devin Townsend das Devin Townsend Projekt vorerst ruhen und meldet sich erstmals seit 2007 mit einem Soloalbum zurück. Wer mit dem Schaffen des musikalischen Workaholics vertraut ist, weiß, dass auf einem Devin Townsend Album wirklich alles passieren kann. Diesen Umstand untermauert der Ausnahmekünstler in bemerkenswertem Ausmaß auch erneut auf Empath, weswegen es eigentlich keinen Sinn macht, das Werk in eine bestimmte Schublade zu stecken.

(Bild: © Tanya Gosh)
(Bild: © Tanya Gosh)


Natürlich lässt sich Devins Arbeit in erster Linie der härteren Progressive-Gangart zuordnen, genauso wird man beim Hören aber beispielsweise auch urplötzlich mit dem Eindruck konfrontiert, einer Bühnenmusik zu lauschen.
Wir hatten die Möglichkeit, in Devins neue Scheibe vorab reinzuhören und trafen den Künstler anschließend zu einem Interview in Berlin, bei dem wir mehr über den wirklich arbeitsreichen Entstehungsprozess der neuen Platte erfahren konnten.

Die erste Listening Session deines neuen Albums kam mir wirklich wie ein Trip vor. Bemerkenswert, mit wie viel Details man in den Songs konfrontiert wird.
Gleichzeitig dachte ich aber auch, dass das Mixing des Albums bestimmt eine große Herausforderung war. Du hast am Ende die Platte selber gemischt, richtig?

(lacht) Ja, ich bin zunächst nach England gereist, um die Aufnahmen mit jemand anderem zu mischen. Die Platte ist aber so kompliziert, dass das nicht funktionierte. Ich musste es am Ende einfach selber machen.
Also habe ich meine Weihnachtsferien damit verbracht, mehr als 700 Spuren über Kopfhörer abzuhören und zum Laufen zu bringen.

Was hast du beim Mischen daheim benutzt? Kam auch Outboard-Equipment zum Einsatz oder basiert der Mix nur auf Plugins?
Es sind wirklich nur Plugins. Aus den Erfahrungen, die ich bei den vielen Plattenproduktionen sammeln konnte, hat sich inzwischen ein Arbeitsprozess ergeben, der für mich gut funktioniert.
Es gibt aber ein paar Dinge, mit denen ich besonders intensiv bei dieser Produktion gearbeitet habe. Das Reference 4 von Sonarworks hat mir wirklich sehr geholfen, den Mix zusammenzubekommen. Ich arbeite aber auch sehr eng mit Waves zusammen. Daher stammte der Großteil der genutzten Plugins von Waves.
Außerdem habe ich die Sachen von Fabfilter sehr ausgiebig genutzt. Deren Interface mit dem EQ, dem Multibandkompressor usw. ist einfach großartig.
Ich glaube, der Punkt beim Mischen solcher Projekte ist, dass man es behutsam angehen muss. Multibandkompression spielt da eine wichtige Rolle, genauso aber auch, die sich überschneidenden Frequenzen zu finden, um die wichtigen Merkmale herausarbeiten zu können. In England sah ich mich mit dem Problem konfrontiert, dass moderne Mischungen dazu tendieren, mit einem Limiter dynamisch sehr stark beschnitten zu werden. Das hat für mich einfach nicht funktioniert. Ich habe am Ende sogar aufs Limiting komplett verzichtet. Auch das Mastering ist leiser ausgefallen als bei anderen aktuellen Produktionen.

Das ergibt für mein Empfinden absolut Sinn. Auch die eingesetzten Stereo-Panning-Effekte machten übrigens beim Abhören wirklich Spaß.
Oh, danke. Ja, ich glaube, es ist zu empfehlen, die Platte über Kopfhörer zu hören. Dennoch ist man als Musiker am Ende nie zu 100 Prozent zufrieden und muss die Sache irgendwann abschließen. Bei mir hat am Ende einfach die Deadline dafür gesorgt, den Prozess zu verlassen. (lacht)

Hast du im Mixing-Prozess jemanden, mit dem Du dich austauschst bzw. dem du deine Ergebnisse als erstes präsentierst?
Ich arbeite sehr eng mit meinem Mastering Engineer Troy zusammen. So kann ich sehen, wie meine Ergebnisse sich in seinem späteren Arbeitsprozess auswirken könnten. Das hilft mir, problematische Frequenzen zu isolieren, speziell im Low End. Ich mag ausgeprägten Midrange im Mix und stehe nicht auf diesen “scooped” Sound.
Bei der großen Anzahl an Tracks, die sich summieren, hatte das aber zu Folge, dass ich immer wieder an einen Punkt kam, wo ich das Gefühl hatte, jetzt hab ich’s. Dann war es doch wieder zu viel und ich musste Bereiche zurückfahren, nur, um mich dann wieder mit anderen Problemen konfrontiert zu sehen.

Ja, da ist echt ganz schön was los.
Absolut, in der abschließenden Phase hat es mir geholfen, die Songs ganz leise über Kopfhörer abzuhören. Auch habe ich es als sehr befreiend empfunden, zu realisieren, dass es eigentlich keinen falschen Ansatz gibt, wenn es um deine eigene Musik geht. Man muss einfach nur so lange daran schrauben, bis es für einen persönlich funktioniert.

Ich finde, am Ende klingt’s jetzt typisch modern und tight, aber dennoch organisch.
Danke, das war auch mein Ziel. Der erste Mix, den wir in England gemacht haben, war einfach schon zu modern, einfach zu laut. Das kann zwar auch cool sein, aber in meinem Fall gingen dabei zu viele Details verloren. Die Farben, Zahlen, Klänge und Gerüche, die ich durch meine Synästhesie wahrnehme und irgendwie auch verbinde, wurden durch diese starke dynamische Einschränkung, die moderne Produktionen oft mit sich bringen, irgendwann einfach nur noch zu einer Farbe. Irgendwie war alles nur noch Pink. Letztlich haben aber am Ende verschiedene Farben nebeneinander zu existieren, mit anderen Worten: Es war stellenweise echt ganz schön nervig. (lacht)

Das glaube ich sofort!
… speziell über Weihnachten, wo die Familie eigentlich über der Arbeit stehen sollte. Es war schon ein sehr feiner Grat zwischen den Momenten, in den es funktioniert oder auch nicht funktioniert hat.

Ich würde gern mehr übers Songwriting dieser ja wirklich stellenweise sehr langen Songs erfahren. Startest du beispielsweise ganz klassisch an der Gitarre oder am Klavier oder beginnst du direkt in deiner DAW aufzunehmen?
Es kommen eigentlich drei verschiedene Ansätze vor. Entweder starte ich mit einem Template direkt in der DAW oder beginne zunächst auf der Gitarre und fange an, die Idee später genauer auszuarbeiten. Der dritte Weg ist direkt in Interaktion mit anderen Leuten zu treten und zu improvisieren.
Die Hauptsache beim Empath-Projekt war, keine Grenzen zu haben. Wenn also ein Song sehr lang wurde, war das völlig ok für mich. Beim Vorgänger mit der Band war ich an einem Punkt angelangt, an dem ich auch darüber nachgedacht habe, was erfolgreich sein würde. Im Sinne von: Was würde dem Publikum besonders gefallen oder auch gut im Radio laufen?
Nach Fertigstellung der Aufnahmen habe ich diese Denkweise nicht mehr als inspirierend empfunden, auch wenn ich trotzdem finde, dass Transcendence eine sehr gute Platte geworden ist. Bei der neuen Platte sollte es also in Bezug auf das Songwriting einfach keine Regeln geben. Die meiste Zeit meiner Karriere wurde mir gesagt, Platten müssten einen Stil verfolgen, damit dich Leute beispielsweise als Heavy-Metal-Musiker oder was auch immer einordnen können. Dieses Mal dachte ich aber, an dieser Stelle wird Theatermusik vorkommen, hier gibt es Death Metal, dort Prog, hier Pop und hier auch Free Jazz zu hören.

Also alles kann passieren.
Ja, genau. Das war aber natürlich für mich auch eine emotionale Herausforderung, gleichzeitig aber auch wieder befreiend. Wie beim Mixing, wo ich mich auch von dem Gedanken befreien konnte, dass es nur einen Weg gibt, um ans Ziel zu gelangen, war es auch beim Songwriting so, dass ich gemerkt habe, ich kann tun und lassen, was ich will. Das war großartig.

Devin nach unserem Gespräch in Berlin (Bild: Michael Behm)
Devin nach unserem Gespräch in Berlin (Bild: Michael Behm)

Wie detailverliebt gehst du beim Erstellen der Demos vor? Also beispielsweise in Bezug auf das Programmieren der Drum-Tracks usw.?
Die finalen Versionen der Songs unterscheiden sich vielleicht nur noch um 20 Prozent, weil die Aufnahmen auf demselben Template basieren. Der Unterschied besteht im Zeitfenster, das ich mir nehme, um die Songs zu verfeinern. Die letzten fünf Alben haben Bonus-Discs, auf denen auch die Demos sind. Diese ähneln eigentlich in qualitativer Hinsicht ziemlich den finalen Plattenaufnahmen. Gut, sie unterscheiden sich natürlich in der Qualität des Mixes.

Aber du verbringst schon eine Menge Zeit mit dem Anfertigen der Demos?
Ja, auf jeden Fall. Was mich dabei auch glücklich macht, ist der Fakt, dass die fertiggestellten Demos auch wirklich fertige Songs sind. Anschließend versuche ich das Ganze auf 110 Prozent zu bringen. Auch wenn die Leute das am Ende vielleicht nicht hören, ist mir dieser Schritt persönlich sehr wichtig.

Nimmst Du im Studio mit anderen Musikern dann live auf oder arbeitet ihr beispielsweise mit Backing-Tracks aus den Demos?
Backing Tracks, ja. In diesem Falle haben wir im Monnow Valley in Wales aufgenommen. Zuvor war Mike Keneally bei mir in Vancouver. Ich hatte also die Möglichkeit, ihm die Parts der Songs zu erklären, da ich nur über ein sehr rudimentäres musiktheoretisches Wissen verfüge. Im Studio konnten wir dann mit drei Schlagzeugern arbeiten, die für verschiedene musikalische Stile zuständig waren. Außerdem waren zwei Bassisten, ein Frauenchor und ein Orchester vor Ort. Da meine Demos schon so umfassend waren, habe ich bei den Studioaufnahmen aber viel rumgesessen, “Rick and Morty” und andere Fernsehshows geschaut, während der Rest der Band die finalen Parts eingespielt hat. (lacht)

Mike Keneally spielte generell eine wichtige Rolle beim neuen Album, oder?
Ja. (denkt nach)

Ist er so eine Art Co-Producer?
In diesem Sinne, ja. Er ist brillant und war mit im Raum, wenn du weißt, was ich meine. Ich möchte nicht, dass mir vorgeschrieben wird, was ich tun habe. Ich möchte auch nicht durch den Prozess geführt werden. Ich möchte keine Leute hinter mir haben, die mir Ratschläge geben. Ich funktioniere so einfach nicht. Ich möchte jemanden, der einfach nur mit mir im Raum ist und der mir bei meiner Arbeit auch ohne Worte ein Gefühl übermittelt, egal, ob es gerade um etwas Spannendes geht oder nicht. Ich habe für dieses Projekt Leute ausgewählt, von denen ich glaube, dass sie brillant sind. Nicht nur als Musiker, sondern auch als Menschen. Morgan Ågren beispielsweise, unser Drummer, der neben Mike auch bei Zappa war.

Welche Parts hat er auf dem Album übernommen?
Morgan Spiel basiert sehr auf Improvisation. Alles, was auf dem Album irgendwie nach Free Jazz klingt, wird von ihm bedient. Auch alles, was sich klar von anderen Schlagzeugern unterscheidet. Es ist schwer zu beschreiben. Man erkennt seinen Sound aber immer sofort auf der Platte.
Anup Sastry wiederum hatte beispielsweise ein spezifisches Schlagzeug-Setup und war sehr akribisch in Sachen Tuning und Bearbeitung der Drums. So konnte ich ihm sehr genaue Angaben machen, welche Sounds ich an welcher Stelle benötige, was er dann auch perfekt umsetzen konnte. Außerdem wollte ich jemanden, der absolut präzise diese Death-Metal-Drums bedienen kann. Da kam dann Samus Paulicelli ins Spiel.
Morgan wiederum habe ich ganz andere Angaben gemacht. Beispielsweise, hier möchte ich den Klang eines Kätzchens oder hier soll es nach Strand klingen.
Und er sagte immer nur “ok” und konnte damit was anfangen. Ich hab ihm also gar keine direkten Vorgaben gemacht. Sogar bezogen auf den Empathie-Gedanken des Projekts und die vielen verschiedenen emotionalen Komponenten, die ich mit der Platte verbinde, fand ich es großartig, mit so unterschiedlichen Musikern arbeiten zu können.
Chad Kroeger von Nickelback ist übrigens auch auf der Platte vertreten.

Ah ok, auf welchem Song?
Hear Me. Die wirklich harte Nummer. Er hat da die Harmony Vocals übernommen. Wir sind inzwischen gute Freunde. Er ist faszinierend, mir war das gar nicht bewusst. Ein richtiger Wissenschaftler! Er hat mir auch wirklich sehr bei der Platte geholfen, indem er mir den Tipp gab, keine Popmusik zu machen. (lacht)
Es waren auf jeden Fall sehr interessante Musiker und gleichzeitig große Persönlichkeiten involviert. Zusammengefasst: Ich hatte eine Menge Spaß!

Das abschließende Solo auf der Platte spielt unverkennbar Steve Vai.
Ja, und er hat mich sogar gefragt, ob er auf der Platte mitwirken dürfte. Wenn ich mir das als 15-jähriger Junge vorgestellt hätte, ich meine, klar, wir sind Freunde. Dennoch, der Fakt, dass er auf der Platte ist, war schon unglaublich schmeichelhaft. Und absolut, man hört sofort, dass er das ist. Überhaupt keine Frage!

Lass uns noch ein wenig über Equipment reden. Die Framus-Gitarre, die ich hier stehen sehe, ist dein momentanes Hauptinstrument, richtig?
Nein, ich denke sogar für immer! Ich habe für die E-Gitarrenaufnahmen diese Framus genutzt. Für die Akustikgitarren kamen Instrumente von Prestige Guitars zum Einsatz. Bei den Bässen habe ich Instrumente von Zon, Sadowsky und Sandberg verwendet. Ich versuche, mich da immer noch zu entscheiden. Aber auf den Aufnahmen habe ich alle drei benutzt.
Mein Signature-Modell habe ich über die letzten drei Jahre mit Framus entwickelt. Diese Gitarre ist wirklich perfekt für mich. Sie verhält sich klanglich im Grunde wie eine Les Paul Custom und hat auf der Platte wirklich wunderbar funktioniert. Auf dem neuen Album wollte ich endgültig den Gitarrensound finden, den ich mir vorstelle.
Ich habe also all diese Firmen gefragt, ob sie mir ihre Amps schicken könnten und hatte dann irgendwann jeden möglichen Verstärker, den man überhaupt nutzen kann, nur um am Ende ein AXE FX zu benutzen. (lacht)

Es ist natürlich auch sehr einfach zu nutzen und klingt sehr gut.
Ja, aber weißt du, vor der Platte habe ich ein AXE FX benutzt, weil es einfach ist, damit aufzunehmen. Jetzt nutze ich ein AXE FX, weil ich finde, dass es besser klingt. Durch diesen Erfahrungsprozess musste ich aber scheinbar einfach durch. Jetzt weiß ich auf jeden Fall, was ich will.

Fotostrecke: 2 Bilder Devins 7-saitiges Framus Signature Modell…

Ich finde den Gitarrensound im Intro-Song sehr ansprechend und auch schön, dass das Motiv im letzten Song in einer anderen Tonart und Umgebung wieder auftaucht.
Oh, danke fürs genaue Hinhören! Ich war im Urlaub mit meiner Familie in Jamaika. Da habe ich diese Melodie gehört, die ähnlich zu dem Motiv war. Die Idee war damit etwas anzufangen, das sich sozusagen mit Klängen aus dem Paradies beschäftigt. Das nächste Projekt soll ein Musical werden. Ich versuche dafür gerade zu lernen, wie man orchestriert. Auch die Erschaffung von Themen und Protagonisten spielt dabei natürlich eine Rolle. Diese Platte war sozusagen das Warm Up.

Wie möchtest du dieses gigantische Projekt auf die Bühne bringen? Dafür wird man eine Menge Musiker benötigen, oder?
Ich starte erstmal mit einer Akustik-Tour. Ich denke, es macht Sinn, bei Null anzufangen und dann Musiker hinzuzunehmen.

Funktionieren denn die Songs allein auf der Akustikgitarre?
Bis jetzt noch nicht. Aber bei meinen bisherigen Songs hat es auch funktioniert. Letztendlich ist das Ganze aber ohne Backing-Tracks und dafür mit einem Chor, Streichern, Bläsern, zwei Gitarren und zwei Keyboards geplant.

Was für ein herausforderndes Projekt.
Das ganze Leben ist eine Herausforderung! Ich bin bereit dafür. Wenn ich etwas von dem Empath-Projekt gelernt habe, dann, dass aus der Angst, die Aufgaben nicht bewältigen zu können, am Ende die Erkenntnis geworden ist, es doch geschafft zu haben. Also auf zur nächsten Herausforderung!
Das war übrigens auch etwas, das mich in der letzten Band irgendwann gestört hat. Da war einfach zu viel Routine.

Nimmst du dir auch Zeit abzuschalten?
Ja, absolut. Ich hätte dieses Projekt niemals bewältigt, wenn ich nicht angefangen hätte, mich aktiv damit zu beschäftigen, wie man sich entspannt. Meditation spielt dabei für mich eine sehr wichtige Rolle. Ansonsten wäre ich wahrscheinlich verrückt geworden. (lacht)

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(Bild: © Tanya Gosh)

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