Wir sprachen mit Amon Amarth Gitarrist Johan Söderberg über das Equipment der Band und das Recording ihres neuen Albums „Jomsviking“. In der Regel stellt man sich einen Live-Gig der härteren Gangart ja so vor: Meterhohe Verstärkerwände hinter der Band, Riesenpedalboards zu den Füßen der Gitarristen – alles deutlich über Zimmerlautstärke serviert und gegebenenfalls ein kühles Blondes zur Abrundung des Hörerlebnisses.
Die letzteren beiden Erwartungen werden bei Amon Amarth sicher erfüllt. Sie sind eine der größten Death Metal Bands und rocken mit ihrem tighten Sound seit vielen Jahren Center Stages weltweit. Aber Verstärkerwände und Pedalboards? Fehlanzeige… da setzt man auf leichtes Gepäck und Kemper Profiling Amps. Und Wikingerschiffe auf der Bühne. Der Ton kommt eben doch aus den Fingern.
Was für Gitarrenequipment habt ihr bei der Aufnahme eures neuen Albums eingesetzt?
Als Instrumente kamen meine ESPs zum Einsatz: Eine ESP EX und meine Snakebite, das Modell, das James Hetfield designet hat. Meine EX habe ich modifiziert: Ich habe Halspickup und Tonecontrol entfernt und dafür eine Diamond Plate Pickguard mit Amon Amarth Logo eingebaut. Unter dem Logo sind eine rote LEDs, die über den Pickupswitch eingeschaltet werden. Als Amps haben wir die Kemper-Profiling-Amps eingesetzt. Für ein neues Album machen wir in der Regel auch immer neue Profiles: Für dieses Album von einem EVH 5150. Unser Produzent Andy Sneap hat ihn mit verschiedenen Mikrofonen und Aufstellungen abgemict, daraus ein Profile gebaut und dann haben wir das so ziemlich für alle Aufnahmen eingesetzt.
Und dein Gitarrenkollege Olavi?
Er hat genau die gleichen Profiles benutzt.
Habt ihr beim Zusammenspiel unterschiedliche Profiles benutzt?
Für die Aufnahmen haben wir in der Regel ein Profile für Rhythmus, eins für Leads und eins für Clean- oder Acoustic-Parts. Olavi und ich nutzen aber die gleichen Profiles.
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Habt ihr alle Profiles vom EVH 5150 gebaut?
Soweit ich mich erinnere, haben wir den 5150 sowohl für Rhythm- als auch Leadsounds eingesetzt. Die einzige Änderung bei den Leadparts ist, dass wir dort die Mitten ein bisschen aufreißen und ein paar Outboardeffekte wie Delay hinzufügen. Aber der Grundsound ist der gleiche.
Euer Aufnahmeprozess hat sich im Vergleich zu früher also ganz schön verändert: Anstatt für jeden Song an Amp-Einstellungen und Mikropositionen herumzufummeln, macht ihr das am Anfang und nehmt dann einfach auf?
Genau. Und das erlaubt es uns auch, genau den Sound mit auf die Bühne zu bringen – oder auch zuhause beim Schreiben von neuem Material schon mit genau diesem Sound arbeiten zu können.
Das erleichtert euer Tourgepäck sicher ungemein.
Ja, und es ist auch gut für uns, weil wir Platz für Stage-Props für das „theatrical feel on stage“ haben wollen. Wenn wir nicht so viele Lautsprecherboxen und Amps mit rumschleppen müssen, haben wir mehr Platz dafür.
Ihr habt live also gar keine Amps mehr auf der Bühne?
Nein. Nur die Kempers, die wir direkt in den Monitormixer laufen lassen und die ganze Band nutzt In-Ear Monitoring. Die einzigen Monitore, die wir haben, sind vorn und ganz hinten, für den Fall, dass irgendwas ausfällt. Wir setzen Shure PMC 900 fürs In-Ear Monitoring ein, für mich der beste In-Er Receiver, den ich bislang gehört habe. Auch Vocals und Gitarren laufen über Shure Wireless: Vocals über ein ULXD4D, bei den Gitarren fällt mir das Modell gerade nicht ein. Mir gefällt Wireless auf jeden Fall besser als Kabel, und ich höre da auch keinen relevanten Unterschied.
In einem YouTube Video habe ich gesehen, dass du das Maxxon OD808 als Verzerrer einsetzt – aber auch davon ein Profile gebaut hast. Also hast du sogar die Pedale in die Amprofiles integriert?
Ja genau. Auch bei den neuen Profiles haben wir einen OD808 vor die Amps gepackt, um den Sound etwas… „komprimierter“ zu machen, könnte man sagen.
Und keine anderen Pedale oder Effekte, außer Hall und Delay?
Genau. Während der Aufnahmen waren das Outboard-FX aus Andy Sneaps Studio. Live setzen wir einfach die internen Effekte aus dem Kemper ein. Zum Switchen setzen wir einen Tech21 MIDI Moose ein, der über ein Midjet Pro Wireless MIDI Transmitter verbunden ist.
Bei „On A Sea of Blood“ gibt es diesen einen Part, wo eine Gitarre allein steht. Klingt ein wenig wie ein Gitarrensynth oder bilde ich mir das ein?
Ah – ich glaube das haben wir mit dem Harmonizer im Kemper gemacht, ist einfach eine Oktavierung. Der Sound ist wie ein Octavizer.
Eine weitere Frage zur Produktion: Mir ist aufgefallen, dass ihr die Rhythmusgitarren hart links-rechts, die Melodiegitarren so bei 10 und 2 Uhr und Drums, Bass, Solos und Vocals in die Mitte gepackt habt. Wie legt ihr die Rhytmusgitarren an – doppelt ihr die?
Meistens spiele ich den linken und Olavi den rechten Kanal. Es ist also eine Gitarre und ein Gitarrist pro Seite, wir spielen aber das gleiche. Bei diesem Album haben wir gar nichts gedoppelt, sondern lieber mehr Leadzeugs hinzugefügt. Und der Songschreiber spielt dann meistens auch die Leads im Song.
Wie macht ihr das live, wenn diese harmonisierten Leads mit reinkommen – lasst ihr dann die Rhythmusgitarren weg?
Ja, wenn wir live spielen konzentrieren wir uns auf die Elemente, die den Track ausmachen: Wenn es die Harmony-Leads sind, dann spielen beide Gitarren Lead. Drums und Bass müssen sich um den Rhythmuspart kümmern.
Bei den neuen Songs „The Way of Vikings“ oder „One Thousand Burning Arrows“ gibt es Synth-Horns und etwas Streicher. Eher ungewöhnlich für euch. Wie kam es dazu und wie bringt ihr die auf die Bühne? Habt ihr einen Keyboarder?
Da dieses Album ein Konzeptalbum ist, haben wir es wie Musik zu einem Film betrachtet: Ich habe diese Songs mit den Elementen schon geschrieben. Gespielt habe ich die Sounds auf meinem Nord Keyboard. In der Livesituation haben wir das als Backing-Track.
Um noch mal aufs Live-Equipment zurück zu kommen: Olavi und du habt also jeder nur eure Gitarren und einen Kemper. Wie ist das bei eurem Bassisten Ted? Setzt der auch einen Kemper ein?
Nein, er geht in ein Distortionpedal und ein DI-Pedal, dann ins Pult.
Ihr könnt ja echt schön „leicht“ reisen!
(grinst) Ja, das war auch unser Ziel: Weil es „Flying Shows“ und so was einfach viel einfacher macht. So kann man immer den gleichen Sound garantieren. Wo wir beim Sound sind: Mir gefällt wirklich gut, wie „tight“ und artikuliert alles klingt.
Hast du einen Recordingtipp für Leute die Heavygitarren aufnehmen wollen, ohne, dass es „matschig“ klingt?
Bei den vorigen Alben haben wir für die Rhythmusgitarren mehr Spuren aufgenommen. Dieses Mal haben wir uns auf eine Rhythmusspur pro Gitarrist beschränkt. Dadurch klingt es direkter, mehr „In Your Face“.
Wie kriegen Olavi und du diesen fetten „crunchy“ Sound eigentlich hin: Gibt es da unterschiedliche Tunings oder sind eure beiden Gitarren identisch gestimmt?
Nein, sie sind gleich gestimmt.
Habt ihr ein „Amon Amarth Lieblingtuning“?
Wir sind für die meisten Songs in B-Stimmung: also B bis b. Für einige Songs setzen wir Drop-A für die tiefe Seite ein. Aber beide Gitarren sind immer gleich gestimmt.
Ist das Song-Arrangement eigentlich komplett ausgearbeitet, bevor ihr ins Studio geht? Wie habt ihr das beim aktuellen Album gemacht? Wie habt ihr euch vorbereitet?
Wir versuchen eigentlich immer, alles so fertig wie möglich zu haben, bevor wir ins Studio gehen. Ich würde sagen 90% sind schon so weit, wie es am Ende werden soll, wenn wir die Aufnahmen beginnen. Gerade weil wir Tools wie den Kemper zuhause zur Verfügung haben ist es relativ leicht, gut klingende Demos anzufertigen bei denen der Sound schon steht.
Habt ihr die Basictracks als Band aufgenommen, oder zum Click nacheinander gespielt?
Nein, wir versuchen es auf die Old School Art zu machen: Die ganze Band ist im Aufnahmeraum, wenn wir die Drums aufnehmen – die ganze Band spielt also von Anfang bis Ende mit. Wenn der Drummer einen macht, müssen wir also alle wieder mit einsteigen – bei jedem einzelnen Take. Wir haben also fast eine Woche nur die Drums aufgenommen und dabei die ganze Zeit mit der Band dazu gespielt. Danach gehen wir dann in den Controlroom und nehmen mit dem Produzenten die ganzen Gitarrentracks und anderen Elemente auf.
Ihr nehmt dann nur die Drums und nix anderes auf?
Ja, wir nehmen nur die Drums auf. Der Rest ist nur für den Drummer zum Hören, ob das Timing stimmt.
Das ist ja erfrischend „old schoolig“: Ihr müsst alle in der Lage sein, eure Instrumente wirklich zu spielen, damit das klappt…
Ich finde, dass es auch ein guter Weg ist zu üben. Gerade bei neuen Songs kann man so die Riffs wirklich rund bekommen, denn man hat sie zuhause ja nur Part-für-Part aufgenommen. Sobald man ein Riff fertig hat, schreibt man ja weiter. Wenn wir ins Studio gehen, sind wir also noch nicht richtig eingespielt. Die Zeit der Drumaufnahmen ist für uns also auch eine willkommene Gelegenheit, das neue Material zu verinnerlichen.
Kurzer Sprung zurück zum Anfertigen der Profiles für den Kemper: In der Vorbereitung zu neuen Aufnahmen trefft ihr euch also im Studio mit dem Originalequipment und entwickelt ein Profile – wie bestimmt ihr, welchen Sound ihr wollt?
Bei den letzten Alben haben wir das ziemlich dem Produzenten überlassen. In der Vergangenheit wollte natürlich jeder in der Band mit bestimmen, wie es klingen sollte. Wenn du aber zu viele Leute hast, die an den Knöpfen rumtweaken, endet das im Chaos. Deshalb haben wir das Andy Sneap überlassen, der einfach ein sehr guter Produzent ist, und weiß, wie die ganze Produktion klingen muss.
Hat er die Modelle also allein gemacht und euch präsentiert, oder wart ihr dabei?
Wir waren natürlich dabei, als er den Amp abgemict hat – aber wir schreiben ihm nicht vor, in welchem Winkel das Mikro zu stehen hat. Er sitzt da und arbeitet den Sound aus, während ich spiele. Und wenn der Punkt kommt, wo uns beiden der Klang gefällt, nehmen wir ihn.
Was hält Andy Sneap eigentlich von diesen Amps: Wie hat es seine Arbeitsweise verändert, solche Tools zur Verfügung zu haben?
Nun, es war tatsächlich Andy, der uns die Kempers im Rahmen der Arbeit zum letzten Album gezeigt hat. Er nutzte sie zu der Zeit schon – und für uns war das so „wow, was ist das für eine Space-Age-Technologie.“ Wir hatten zu dem Zeitpunkt noch nichts davon mit bekommen. Keine kaputten Röhren mehr.
Dein Leben ist jetzt ja total langweilig…
Ja, es ist fantastisch was heutzutage möglich ist.
Was war denn der entscheidende Faktor, dass ihr euer komplettes Gear abgeschafft habt – dem ihr schon so viele Jahre vertraut habt?
Ich habe immer gedacht, nichts könne eine Röhre ersetzen. Als wir aber im Studio A/B-Vergleiche gemacht haben, und ich keinen relevanten Unterschied hörte, wurde mir klar, dass der Zeitpunkt gekommen war, einen dieser digitalen Ampprofiler einsetzen zu können.
Fühlst du beim Spielen eigentlich irgendeinen Unterschied in Hinblick auf Dynamik oder Spielgefühl?
Ne, ich fühl da keinen großen Unterschied.
Letzte Frage: Beim Durchhören des Albums kam ich irgendwann bei „A Dream That Cannot Be“ an – und dann singt da plötzlich ‘ne Frau. Und ich denk so: „Äh – klingt das nach Doro?“ Und tatsächlich, sie ist es. – Wie kam es zu der Kollaboration?
Das liegt an der Story hinter dem Album: Es geht um diesen Typen, die Liebe seines Lebens wird ihm genommen – und im späteren Leben versucht er sie zurückzugewinnen. Und für diesen Song brauchten wir auch eine weibliche Stimme. Dann fragten wir uns, was für eine Stimme zu unserer Musik passen würde – und da waren wir ziemlich sofort bei Doro. Denn sie hat so eine charaktervolle Heavy Metal Stimme.
Zum Abschluss: Wann kommt das Album und wann geht es wieder auf Tour für euch?
Das Album kommt Ende März und wir gehen ziemlich sofort auf Tour. In Deutschland spielen wir ein paar Festivals wie With Full Force, Rock am Ring, Rock im Park.