In der Drummer-Szene dürfte der Name Achim Färber nicht allzu weit verbreitet sein, was wohl daran liegt, dass er seine Energie von Anfang an in erster Linie darauf konzentriert hat, sein Drumming und seinen Sound in den Dienst der Künstler zu stellen, mit denen er im Studio arbeitet und tourt. Dabei wandelt er scheinbar mühelos zwischen so unterschiedlichen Welten wie Rock, Orchesterarbeit, Elektronik und Hörspielmusik. Seinen Einsteig in das professionelle Schlagzeugspielen markierte 1993 sein Engagement bei Phillip Boa, es folgten unzählige Produktionen und Gigs mit Bands und Musikern wie Project Pitchfork, Eisbrecher, Katharina Franck, Tito & Tarantula, Wolfsheim und Heppner.
Das Interview begann am 10.11.2016 im Übersee Restaurant in Bremen beim gemütlichen Milchkaffee, zum Gear Chat wurde dann standesgemäß in mein nahe gelegenes Studio gewechselt. Aufgeschlossen und freundlich beantwortete Achim alle Fragen nicht nur zu seinen Bands und Projekten, sondern auch danach, welche Voraussetzungen er für seinen Job als besonders wichtig ansieht.
Erzähl doch mal, an welchen Projekten du gerade so beteiligt bist.
Mal überlegen, das sind eigentlich immer recht viele parallel. Letzte Woche war ich gerade für ein Orchesterprojekt mit Peter Heppner (Wolfsheim) erst zu Proben in Polen, um danach dann das Stück im Leipziger Gewandhaus aufzuführen. Das war eine spannende Erfahrung, weil es eher ein klassisches Arrangement mit aufgeteilten Schlagzeugstimmen war. Je nach Stück musste ich beispielsweise eine ausnotierte Snare-Figur übernehmen, in einem anderen dann eine Hi-Hat-Stimme. Bei solchen Ensembles ist es wichtig, sich zurückzunehmen, weil die Gefahr besteht, dass man gerade als Trommler was kaputtmacht, wenn man zu viel oder zu laut spielt. Das hat auch mit der Akustik in solch einem klassischen Kontext zu tun, die ganz anders ist als zum Beispiel bei Automat, wo es eher um einen „Wall of Sound“ geht.
Das stelle ich mir als großen Kontrast vor, was genau macht ihr bei Automat?
Automat ist quasi mein eigenes Elektro-Trio, das – neben mir selbst – aus dem Gitarristen Jochen Arbeit (Einstürzende Neubauten) und dem Bassisten Georg Zeitblom besteht. Wir drei liegen musikalisch und menschlich auf einer Wellenlänge, was man neulich wieder bei einem Radio-Interview gemerkt hat, bei dem wir jeweils unsere Lieblingsplatten vorstellen sollten und festgestellt haben, dass wir größtenteils dieselben mitgebracht hatten (lacht). Musikalisch werden wir oft im Krautrock eingeordnet, obwohl wir uns eigentlich eher dem Live-Elektro-Genre zugehörig fühlen. Wir alle mögen das Experimentelle, kurioserweise spielen wir aber kaum in Deutschland, stattdessen haben wir gerade eine Australien-Tour gemacht, und bald geht’s nach China. In Osteruropa waren wir auch schon.
Wie ist eure Vorgehensweise beim Schreiben der Stücke? Schließlich seid ihr ja von der Zusammensetzung her eine „normale“ Band mit Schlagzeug, Bass und Gitarre?
Dazu muss ich ein bisschen weiter ausholen. Irgendwann haben Georg und Jochen zusammen an einem Hörspielprojekt gearbeitet, und dann kam den beiden der Gedanke, ein eigenes Trio auf die Beine zu stellen, mit dem man mal wieder eigene musikalische und vor allem rhythmische Ideen auf die Bühne bringen könnte. Auf Jochens Empfehlung kam ich dann dazu. Blixa Bargeld war übrigens auch mal ein Gastmusiker bei Automat, denn wir kennen uns von der gemeinsamen Arbeit in den Studios in Wedding. Jedenfalls sind die Basis des Automat-Sounds Georgs Loops, die er vorbereitet und die ich wiederum im Live-Einsatz per Multipad starte und stoppe. Allerdings sind das immer nur kurze Fragmente, denn wir wollen nicht über ganze Song-Längen an einen Sequencer gebunden sein, sondern dynamisch miteinander interagieren, eben wie ein richtiges Trio. Ach ja, gerade kam übrigens unser neues Album raus, es heißt „OSTWEST“.
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Du spielst dann also nicht mit Click?
Nein, unsere Stücke funktionieren für mich ohne Click, weil ich da irgendwie so drin bin, dass ich auch während einer Performance einen Loop starten könnte, der dann vom Tempo her passt. Außerdem wollen wir dieses Korsett auch nicht, eben weil es das Organische zerstören würde, was Automat als Trio ausmacht.
Das würde aber bei Eisbrecher nicht funktionieren, oder?
Nein, das ist viel stärker festgelegt und lebt eben auch von dieser Statik. Eisbrecher machen ja eigentlich klassische Rocksongs mit klarem Intro, Strophen, Refrains und Ende. Dazu kommt, dass die Fans auch erwarten, dass die Stücke so gespielt werden, wie sie es gewohnt sind. Die Licht-Show ist übrigens ebenfalls eingebunden, braucht also den festen Tempobezug.
Hast du bei so unterschiedlichen Bands und Projekten eigentlich so etwas wie deinen „Signature“- Sound, der sich durch deine Arbeit zieht, oder startest du bei jedem Projekt von Grund auf und passt Spielweise und Instrumentarium komplett neu an?
Insgesamt versuche ich immer, so zu spielen, dass es der Musik dient. Das fängt bei der Auswahl der Sticks an. Wenn ich zum Beispiel den Songwriter Danny Dziuk begleite, benutze ich oft gar keine Sticks, sondern nur Besen oder Rods. Da geht es darum, im Hintergrund zu agieren und ein Fundament zu legen, was eben nicht im Vordergrund steht. Trotzdem kann ich da auch sehr gut gestalten, es passiert eben subtil. Das geht bei Eisbrecher so nicht, da ist man als Drummer zwar präsenter im Sound, aber es ist deutlich festgelegter, was gespielt wird. Becken und Snares sind natürlich auch ein wichtiges Thema, ich habe da ein paar zur Auswahl, die ich passend zum Stück oder zum Gig auswähle.
Würdest du sagen, dass deine Idee von Sound und dem, was du spielst, bei neuen Projekten immer auf Anhieb passt?
Nein, nicht immer. Bei manchen Projekten habe ich zum Beispiel alle Freiheiten bei der Gestaltung meines Sounds und meiner Parts, in anderen wiederum merke ich, dass Künstler oder Produzenten klare Vorgaben umgesetzt haben möchten, und innerhalb derer kann ich mich dann nur minimal bewegen. Damit habe ich aber dann auch kein Problem, denn wenn zum Beispiel ein vorprogrammierter Drumpart Teil der Performance sein soll, dann übernehme ich den auch so. Wichtig ist mir, dass das, was ich tue, der Musik dient. Ich mag es gar nicht, Dinge nur zu spielen, weil das dem Ego in dem Moment gut tut.
Du bist sicherlich kein Drummer’s Drummer, also jemand, der durch krasse technische Fähigkeiten seine Kollegen beeindruckt. Bei Leuten wie dir hat man oft eher das Gefühl, dass die Spieltechnik gar nicht so sehr im Mittelpunkt steht. Was ist es stattdessen, was dir die Jobs bringt? Welche Fähigkeiten sind wichtig?
Dazu möchte ich gern auch ein bisschen zurück gehen in meiner Geschichte. Ich bin im Emsland, ganz nah an der holländischen Grenze, geboren, und dort konnten wir Radio Hilversum empfangen. Da gab es so eine Sendung, „Super Clean Dream Machine“, moderiert von Ad Visser. Die habe ich ständig gehört und wollte irgendwann auch eine Band haben. Natürlich habe ich damals auch schon auf allen möglichen Sachen rumgetrommelt. Und eines Tages habe ich dann an der Bushaltestelle einen gleichaltrigen Typen getroffen, der Akustikgitarre gespielt hat. Da war ich so 13 oder 14 Jahre alt. Kurz darauf sind wir mit meinem Papa losgezogen und haben ein Schlagzeug gekauft. Fertig war die Band, mein erstes mal am Drumset war eine Bandprobe. Die haben wir direkt auf Kassette aufgenommen, die habe ich sogar noch.
Hey, genau so war‘s bei mir auch! Die Kassette habe ich auch neulich wieder gefunden.
Ich glaube, so etwas prägt. Direkt mit anderen Musik machen, nicht zu lange im eigenen Trommlersaft schmoren und sich keine Gedanken drüber machen, wer was noch besser, schneller oder unabhängiger kann. Es gibt natürlich immer jemanden, der noch etwas viel besser kann als man selbst, für mich ist das aber nicht relevant. Technik ist wichtig, sie erleichtert vieles enorm, und daher sollte man sie üben. Wir haben heute natürlich viel mehr Möglichkeiten, ein Instrument technisch zu erlernen. Die ersten Lehrvideos auf VHS-Kassette kosteten damals bis zu hundert Mark, die Inhalte darauf bekommt man heute bei YouTube tonnenweise for free. Was man dort aber nur sehr eingeschränkt lernt und was es aber unbedingt braucht, ist musikalisches Gespür und – ganz wichtig! – Geschmack.
Welche Drummer-Generation hat es besser, die ältere oder die jüngere?
Ich glaube, dass viele Erlebnisse heute nicht mehr so stattfinden wie damals. Zum Beispiel weite Fahrten mit dem Rad, um eine Platte zu kaufen, welche man unbedingt haben wollte. Mühseliges, aber auch sehr lehrreiches und spannendes Suchen von Mitmusikern. So etwas ist in einer Zeit der sofortigen digitalen Verfügbarkeit natürlich nicht mehr so angesagt. Aber das Drumset ist ein Kommunikationsinstrument, und so toll es natürlich ist, schnell zu fertigen Songs spielen zu können, so sehr geht doch eben dieser kommunikative Gedanke verloren. Andererseits sind die jungen, motivierten Drummer heute technisch natürlich viel besser als ich es damals in dem Alter war.
Gab es eigentlich einen klaren Zeitpunkt, an dem du beschlossen hast, Profi zu werden?
Nein, das war auch nicht unbedingt vorgezeichnet. Zunächst hatte ich in Bremen ein Studium der Musikgeschichte begonnen, was aber dann doch nichts für mich war. Parallel habe ich immer mit anderen zusammen gespielt, es ging aber finanziell nur sehr schleppend. Dann kam mein Zivildienst bei der Lebenshilfe, und auch als der vorbei war, taten sich noch keine richtigen Gelegenheiten auf, um wirklich vom Spielen leben zu können. Also blieb ich erst einmal bei der Lebenshilfe und habe dort gejobbt. Und dann kam irgendwann über Mitmusiker die Nachricht, dass Phillip Boa einen Drummer sucht. So kam es, dass ich für den dann einen Track auf seinem Album eingespielt habe, ein halbes Jahr später rief er mich dann an und fragte mich, ob ich die Tour spielen möchte. Und das war mein Einstieg in die professionelle Ebene. Ich habe von Phillip auch viele Dinge gelernt, die mir geholfen haben, das Business zu verstehen, die nichts mit dem Spielen selbst zu tun haben. Davon habe ich im Nachhinein sehr profitiert.
Hast du persönliche Drummer-Heros?
Klar, Stewart Copeland, zum ersten mal gehört mit 14! Obwohl, mein erster echter Held war Mick Tucker von Sweet, ein super Trommler, leider ziemlich unterbewertet. Der hatte als Rockdrummer auch den Swing in sich, wurde aber irgendwie nicht so richtig ernst genommen, weil Sweet ja eher als Teenieband wahrgenommen wurde. Später fand ich dann Bill Bruford sehr beeindruckend, zum Beispiel auf der Discipline von King Crimson. Aber ich höre immer wieder auch unbekannte Drummer, die ganz toll und geschmackvoll spielen. Was mir nichts gibt, sind diese reinen „Schreibmaschinentrommler“, das hatten wir ja vorhin schon kurz angesprochen. Da höre ich mir lieber 30 Ambient-Platten hintereinander an, wo gar kein echtes Schlagzeug vorkommt. Aber da sind die Geschmäcker ja auch verschieden, und was der eine mag, gefällt dem anderen eben nicht so gut.
In einem Interview in einer Drummer-Zeitschrift 1992 erzählst du, dass du großer Fan kleiner Crash-Becken und alter Drums bist. Immer noch?
Was hab ich denn da erzählt? (lacht) Ne, das mit den Becken war schon kurze Zeit später ganz anders, da ging es nämlich mit Phillip Boa los. Was aber geblieben ist, ist meine Zuneigung für Vintage-Zeug, also gebrauchte Sachen. Natürlich klingen auch neue Sachen oft gut, aber irgendwie hat das alte Zeug einfach was. Ich hab zum Beispiel eine alte Slingerland Artist Snare, die ich sehr gern spiele. Oder meine alten Gretsch Drums, zum Beispiel eine 26er Broadcaster Bassdrum von 1937. Die setze ich fast bei allen Sachen ein, bei dem Orchester-Gig neulich hat die sich förmlich in die Musik reingelegt. Ich bin aber andererseits auch kein Esoteriker, wenn eine Trommel klingt, klingt sie. Es kommt aber auch durchaus vor, dass so eine alte Trommel nicht funktioniert. Außerdem nutze ich ja auch neues Equipment der Firmen, mit denen ich zusammenarbeite. Pommerenke Drums aus Berlin baut hervorragende Trommeln, die ich ständig live und im Studio benutze. Pommes, der Inhaber, toleriert aber auch meine Liebe zu den alten Sachen. James Beier von Beier Drums aus USA ist ein weiterer, großartiger Unterstützer meiner Arbeit, seine Stahlsnares kommen ebenfalls bei fast jeder Produktion zum Einsatz. Dann wär noch der tolle, zuverlässige Support von Musik Wein zu nennen, über Curt Doernberg habe ich vor einigen Jahren mein Istanbul Mehmet Endorsement bekommen. Und seit Kurzem benutze ich Heil Sound Mikrofone, die auch ein wichtiger Teil vieler Produktionen geworden sind. So, das war die Werbung! (lacht)
Ich weiß von dir, dass du keine Dinge wie Hochzeiten, Galas, Castingshow-Gigs und solche Sachen spielst. Aus Prinzip?
Ich habe das früher mal gemacht und fand die Erfahrung interessant, habe es dann aber auch dabei belassen. Ich kann solche Mucken bedienen, habe aber für mich damals entschieden, das nicht mehr zu machen. Ich habe schon eine klare Vorstellung davon, was ich machen kann und machen will, aber eben auch davon, was ich nicht machen kann und nicht machen werde. Auf der anderen Seite ist das aber auch etwas, was man für sich selber entscheiden muss, und für den einen passt das gut, für den anderen eben nicht.
Equipment Achim Färber
- Gretsch Drums
- Beier Steel Snaredrums
- Istanbul Mehmet Cymbals
- Aquarian Drumheads
- Los Cabos Drumsticks
- sE Electronics Microphones
- Vintage Drums, diverse