PRAXIS
Die Installation ist schnell abgefrühstückt: Aktivierungscode freirubbeln, CD einlegen und den Installer für Windows oder Mac aufspielen. Doch obacht! Ohne Controller startet das Programm nicht. Beim ersten Aufruf ist die Seriennummer einzugeben, danach kann der Anwender umgehend loslegen. Der Gemini wird automatisch erkannt und konfiguriert. Standardmäßig arbeitet die Software mit der Systemsoundkarte zusammen, in meinem Fall also der iMac-internen. Das mag für den Einstieg ausreichen, ich empfehle jedoch die Verwendung einer Vierkanal-Soundkarte zum adäquaten Vorhören eines Titels, was für die beiden Hauptkanäle über die Tasten A/B auf der Computer- oder Laptop-Tastatur geschehen kann. Im Test kommt eine Audio-2DJ zum Einsatz, die mit 74 Gramm ein wahres Fliegengewicht ist, und daher ganz gut zum Gemini-Controller passt.
Cross DJ LE
Mal abgesehen von der Farbgebung, Timecode-Unterstützung, Remote und MIDI-Learn ist der grundlegende Aufbau von CROSS-DJ nahezu identisch mit der Vollversion von Mixvibes Cross. Die französische Programmierertruppe orientiert sich am Industriestandard und teilt die Oberfläche in zwei Funktionale Hauptbereiche auf. Der obere beinhaltet zwei Decks mit automatischer BPM-Erkennung, Titel- und Tempoinformationen, Cue-Punkten und Loops sowie einer skalierbaren Wellenauschnittsbetrachtung und einer clicksensitiven Übersicht. Die Softwareplayer spielen AIFF, WAV, MP3, FLAC, M4A und OGG ab. Womit die gängigsten Formate vertreten wären. Sie zeigen eine starken Kontrast: rechts rot, links gelb. Die gleiche Farbkombination verwendet auch der Wavematcher, welcher die Peaks und Downbeats der Wellen visualisiert. Liegen die kleinen Quadrate übereinander, sind die Takte synchron. Das erleichtert Einsteigern den Zugang zum beatgenauen Mix enorm, denn das Gehör muss schließlich lange trainiert werden. Damit es im Praxiseinsatz rund läuft, empfiehlt es sich die komplette Musikbibliothek im Vorfeld einer Analyse zu unterziehen und eine Kaffeepause einzulegen. Danach stehen Peak-, BPM- und Wellenform-Daten zur Verfügung und können vom Autosync-Feature genutzt werden.
In der Mitte residiert ein Zweikanal-Mischpult mit Gain, Dreiband-EQ, Master- und Monitorreglern. Ferner ist die Software mit einem Session-Rekorder ausgestattet, sodass der geneigte Deejay seinen Mix aufzeichnen kann, um ihn auf Soundcloud oder Facebook zu posten, wie der Hersteller in seine Beschreibung kundtut. Dabei solltet ihr aus rechtlichen Gründen aber immer erst das Kleingedruckte des ausgewählten Portales lesen.
Unten ist die Musikbibliothek arrangiert, die mit Playlisten, Tag-Editor, File-Explorer und iTunes-Tab so ziemlich alles zu bieten hat, was zur professionellen Verwaltung einer MP3-Sammlung benötigt wird. Selbst ein Wertungssystem, Tonart, Zähler und Kommentarfelder samt inkrementeller Suchmaschine sind vorhanden. Besonders die iTunes-Integration sticht hervor, denn sie verwendet nicht nur die typische Apple-Coleur, sondern auch einen täuschend ähnlichen Aufbau. Ähnlich deshalb, weil Ordnerhierarchien nicht eingelesen werden. Statt dessen sind die Wiedergabelisten einzeln aufgeführt und potentielle Verzeichnisse als Liste, die sämtliche Titel ihres Ordner-Pendants in alphabetischer Reihenfolge aufzeigt. Möchte der DJ Änderungen an den iTunes-Tags vornehmen, muss er diese in ITunes selbst bearbeiten. Wurde der Track mindestens einmal abgespielt, landet er jedoch automatisch in der Crosss-Collection und kann dort editiert werden. Auf der rechten Seite ist zudem ein Vorhördeck implementiert, welches auch von der Hardware aus zugänglich ist und so ermöglicht, dass man trotz zweier Songs in-the-mix nach einem passenden Nachfolgetrack suchen kann. Prima. Cross LE hat also eine ganze Menge zu bieten, wobei einige Features, wie Kanalvorhöre, Loops und Locators leider mit Maus oder Tastatur-Shortcut zu steuern sind, weil an der Hardware die entsprechenden Bedienelemente fehlen.
Workflow
Das Handling erweist sich als ziemlich unkompliziert. Der Browser-Encoder navigiert durch die aktuelle Playlist, die Collection oder iTunes. Load A und B befördern die Auswahl in das gewählte Deck. Möchte der DJ eine andere Liste durchsuchen, ist der Griff zur Maus nötig. Hier hätte man den Fokuswechsel über die Push-Funktion des Encoders realisieren sollen, statt den Button unbelegt zu lassen. Aber wer weiß, vielleicht erledigt sich dieser Kritikpunkt bereits mit dem nächsten Update. Bis auf die Load- und FX-Select-Buttons sind sämtliche Schaltflächen am Controller beleuchtet, was in dunklen Umgebungen von Vorteil ist. Allerdings sind sie etwas klein ausgefallen. Zudem sollte man sie gezielt und mittig treffen, damit sie auslösen. Versehentliches Triggern an der Seite kann, muss jedoch nicht unbedingt eine Auswirkung haben. Deck A: Feuer frei! Musik ertönt.
Mit den Jogwheels kann man gut arbeiten. Die Standardbetriebsart ist der Nudge-Modus. Er ist von der Drehgeschwindigkeit abhängig und bei normaler Handhabung mit 2 – 7 Prozent praxistauglich eingestellt. Mit einem heftigen Backspin kann man aber auch weit über 20 Prozent kommen. Im Pausenmodus navigiert der DJ auf Frame-Ebene. Wenn die Scratch-Funktion ausgeschaltet ist, erklingt dabei ein CDJ-typischer Stutter-Sound, sobald die Hand den Teller berührt. Dabei ist es egal, ob man das Rad an der Seite oder an der Spindel anfasst, die ausgelöste Funktion ist stets identisch. Wer ein Scratch-Manöver einleiten will, betätigt die entsprechende Taste und kann sich nach Herzenslust im Rahmen der eigenen technischen Fähigkeiten und der Möglichkeiten von Teller und Fader austoben. Man darf keine Wunder erwarten, aber ein paar Baby- oder Triolenscratches sind wohl drin. Zum Ausprobieren halt.
Für dich ausgesucht
Was mich an den Decksektionen stört: Einsteiger hin oder her, es ist leider kein Pitchfader zur manuellen Tempoangleichung verbaut. Wer zwei Songs in den Gleichschritt schubsen will, muss stattdessen den Sync-Button betätigen und hoffen, dass der Beatcounter ein richtiges Ergebnis kalkuliert hat, wie im nachfolgenden Audiofile.
Das ist aber leider nicht immer so. Auch ein Tap-Button zum Einklopfen des Tempos von der Konsole ist nicht vorhanden. Falls eine Abweichung von der tatsächlichen Geschwindigkeit berechnet wurde, dann gibt es keine Möglichkeit diese vom Controller aus zu ändern. Mensch, schade. Die manuelle Tempoangleichung und das geschulte Gehör beim Beatmatching gehören in einigen Genres doch wirklich zu den Kernkompetenzen eines Partyrockers. Da tönt der Kollege aus dem Off: „Ich hab auf der letzten Hochzeitsveranstaltung bei meinen CDJs kein einziges Mal den Tempofader benutzt.“ „Was hast du denn aufgelegt?“ frage ich. „Alles, von Rosenstolz und Michael Jackson über Bill Haley und Stones.“ lautet die Antwort. Tja, dann geht’s wohl auch ohne Pitch. Aber halt nicht für jeden.
Up- und Crossgrade
Wer irgendwann den Sprung auf einen Fullsize-Kontroletti, CD-Geräte oder Turntable wagt, kann seine Software im Übrigen jederzeit über die Mixvibes Website nachrüsten. Dort ist das Upgrade auf die Vollversion von Cross DJ für 29 Euro zuzüglich MwSt. zu erstehen, für Cross fallen 49 Euro netto an. Im ersten Fall lohnt sich die Investition allein schon wegen des MIDI-Learn Mappings für eine Channel-Cue-Taste, sei es anstelle von Reverse oder mit einem Modifier. Im zweiten Fall hat man dann das Top-Produkt der Cross-Reihe vorliegen, mit der die freie MIDI-Konfiguration Einzug hält, ein erweitertes Media Management, iPad-Remote-Control und Timecode-Unterstützung mit nahezu jedem Interface, das über Phono-Vorverstärkern/Line-Eingänge verfügt. Wenn das nicht ein Schnäppchen ist.
Geminis Firstmix arbeitet mit dem Standard-MIDI-Protokoll und kann daher natürlich auch mit jeder anderen gängigen DJ-Software eingesetzt werden. Etwa mit Traktor, VirtualDJ, Deckadance oder Algoriddim Djay3. Kosten: ab 50 Euro DJAY3 für Mac bis 249 Euro für VirtualDJ Pro. Leider unterstützt zum Testzeitpunkt jedoch keines der hier aufgezählten Programme unseren Kandidaten nativ. Eine Gegebenheit, die sich in manchen Fällen vielleicht innerhalb der nächsten Monate, oder besser gesagt Versionsupdates ändern könnte. Ich möchte an dieser Stelle aber auch noch einmal betonen, dass das vorliegende Bundle gut aufeinander abgestimmt ist und den Neuling nicht überfordert. Mit dem Gespann arbeitet man deutlich intuitiver als mit dem Mauspad und der Tastatur.
Wer mit seinem Firstmix tatsächlich vor Publikum auflegen will, sollte Folgendes bedenken: Der Controller besitzt keine integrierte Audiolösung und daher ist noch eine zusätzliche Investition von mindestens hundert Euro für ein USB-Interface nötig. Dann gelangt man schnell in die Preisklasse um 200 Euro, wo es auch schon komplett ausgestattete All-in-one-Geräte gibt. Der Gemini CTRL-Six kostet beispielsweise 289 Euro UVP. Wer also mehr als einen kleinen Ausflug ins Handwerk eines Plattendreschers plant oder nicht nur zum Zeitvertreib ein wenig rumdaddelt, sollte sich vorher eine Checkliste machen, welche Funktionen und welche Güteklasse er von seinem Controller erwartet – und gegebenenfalls gleich ein paar Taler drauflegen. Dennoch. Mit einem geeigneten Interface und einer kleinen Rekonfiguration kommen auch fortgeschrittene Einsteiger auf ihre Kosten. Und Musikliebhaber, die eigentlich gar keine Ambitionen zum DJ haben, aber ihren Freundeskreis schon immer mal mit einer gemixten CD beglücken wollten und ein kompaktes Gerät suchen, das man im Bedarfsfall aus der Schublade hervorkramt oder unter dem Mac hervorzieht, könnten einen näheren Blick riskieren. Wie man es auch dreht und wendet, der Einsteiger-Markt ist ein äußerst lukrativer und der Firstmix ein interessanter portabler Gefährte. Mal sitzt man vorm Computer und mixt ein bissel rum, ein anderes Mal vertreibt er einem die Bahnreise ein wenig, mal geht’s mit dem Mixbrett in der Tasche zum Kollegen.