Praxis
Der Erstkontakt mit dem Controller und der LE-Version von Virtual DJ verläuft auf Anhieb erfolgreich. Alle Bedienelemente sind vorgemappt und machen ausnahmslos das, was ihre Beschriftung verspricht. Änderungen am Mapping sind in der LE-Variante leider nicht vorgesehen und bedürfen der Pro-Version. Auch das Angebot an Effekten ist mit sechs Vertretern (Flanger, Beat Grid, Flippin Double, Backspin, Brake und Echo) nicht unbedingt üppig, geht aber für Standard-Mixsessions absolut in Ordnung. Ein wahrer Quell unendlicher, kleiner Mikro-Breaks und Rolls ist dagegen der hervorragende Loop-Roll-Effekt, der über die Multifunktions-Pads aufgerufen wird. Er zaubert auf Tastendruck taktmetrische Audioschleifen, (1/8 – 16 Takte) während im Hintergrund das entsprechende Audiofile weiter läuft. Achtung, Suchtgefahr! Meine auf einer externen Festplatte abgelegte und mit iTunes verwaltete Musikbibliothek findet VDJ LE leider nicht. Befindet sich die Library dagegen auf der lokalen Festplatte, scheint diese anstandslos akzeptiert zu werden, wie sich im Test des G2V nachlesen lässt.
Der Griff zu den Jogwheels mit feuerbereiten Audiodateien bestätigt den guten haptischen Eindruck: Die Teile liefern eine erstaunlich präzise Kontrolle, eignen sich durchaus für das eine oder andere sicher ausgeführte Scratch-Manöver und für das „Anscrubben“ von Track-Anfängen und Hotcues sowieso. Dabei erschien mir unter Virtual DJ die Bewegungsumsetzung der Drehteller ein beträchtliches Stück weit präziser und direkter als unter Traktor. Auch die langen Pitchfader machen das Tempo-Finetuning zur leichten Übung und bewirken, dass (wieder) die Lust erwacht, dem Sync-Button eine Pause zu gönnen und sich mit manuellem Beatmatching zu vergnügen. Was letztlich auch, das scheint mir in jüngerer Zeit oft vergessen zu werden, sehr viel Spaß macht, wenn die Kontrollmöglichkeiten stimmen. Während beim Pitchfader die so gut wie nicht spürbare Null-Rasterung völlig in Ordnung geht, hätte ich mir bei den EQ- und Filter-Potis in der 12-Uhr-Stellung ein bisschen mehr taktiles Feedback gewünscht. Gerade beim Filter passiert es doch sehr leicht, dass man über den Nullpunkt hinweg dreht.
Wer meine Tests kennt, der dürfte wissen, dass ich unter einer zwar nur leichten, aber dennoch nicht therapierbaren Form der Funktionalitis leide. Dinge, die ohne Sinn leuchten oder blinken, Schnörkel oder Kurven, da wo es auch eine Gerade tut oder effekthascherische Lack-Spielerein bewirken bei mir Unwohlsein. Der G4V wirkt sich daher aufgrund seiner unaufgeregt nüchternen Optik sehr wohltuend auf mich aus: die in aktivem Zustand grün vor sich hin glimmenden Funktionstasten ebenso wie die blauen Multifunktions-Pads. Allerdings ist die Ablesbarkeit des Geräts nicht an allen Stellen optimal. So hätte beispielsweise die Typo gerne einen Punkt größer sein dürfen. Da sämtliche Taster nur im aktiven Zustand Licht emittieren, sind sie, wenn man mit dem Gerät noch nicht vertraut ist, in dunklen Lichtverhältnissen zudem manchmal schwierig zu lokalisieren. Das gilt besonders für Taster, die direkt auf dem Kopf beschriftet sind (Cue, Cup, Play, Sync, Pad-Modus-Taster). Grundsätzlich sollte die Grundbeleuchtung jedoch eine Sache sein, die sich durch ein Firmware-Update noch nachreichen ließe.
Sehr angenehm ist dagegen der Abstand der Bedienelemente zueinander ausgefallen. Aufgrund der großen Stellfläche ist zwischen ihnen so viel „Luft“, dass ein versehentliches „Mitbedienen“ (besonders im Fall der Potis) nahezu ausgeschlossen ist. Sehr gut. Apropos Potis: Ein Blick unter die Kappe zeigt, dass die Drehregler nicht einfach direkt von der Platine bis zur Frontseite herausragen, sondern über eine Unterlegscheibe samt Überwurfmutter zugentlastet werden, was in dieser Preisklasse keine Selbstverständlichkeit ist. Daumen hoch dafür.
Was die Klangqualität der Wandler angeht, die ihren Dienst mit zeitgemäßen 24-Bit und einer Samplingrate von bis zu 192 kHz verrichten (kleinere Bit- und Sampling-Raten wie beispielsweise 16/44.1 sind ebenfalls möglich), kann ich nur Gutes berichten. Auffällig ist zu beobachten, dass unter Traktor insgesamt sechzehn Ausgänge auswählbar sind (obwohl der G4V ja nur drei physikalische Stereoausgänge besitzt). Ohne den Controller aufgeschraubt zu haben, könnte ich mir vorstellen, dass hier ein Wandler-Chip seinen Dienst verrichtet, der auch im Studiobereich zum Einsatz kommt. Aber das ist eine reine Mutmaßung. Leider fängt Virtual DJ mit der vom G4V bereitgestellten Klangqualität herzlich wenig an. Das duale Kanalfilter klingt unausgewogen und die EQs wirken im Gain und Cut sehr digital und artifiziell.
Eine abschließende Betrachtung noch zum Thema „Metallgehäuse“: Grundsätzlich ist das ja gut und schön, aber ich stelle jetzt mal die (etwas) ketzerische Frage: Wozu eigentlich? Und das frage ich als jemand, der grundsätzlich ein absoluter Fan von stählernen Gerätschaften ist. Der Umstand, dass sich Metall meistens besser anfühlt, robuster ist und wertiger aussieht als Plastik, wäre somit wohlgemerkt im Studio oder im Fall der Festinstallation auf der Habenseite zu verbuchen. Der eigentlichen Funktionalität dagegen (also dem, was der Controller an Funktionen zu leisten imstande ist) fügt die Metallbauweise keinen Funken Mehrwert hinzu. Zudem dürfte der Lebensweg eines typischen DJ-Controllers wohl in den meisten Fällen durch rastloses Herumreisen gekennzeichnet sein und genau hierbei macht sich ein hohes Gewicht eher unangenehm bemerkbar. Das beginnt beim schlichten Umstand, dass der Transport beschwerlicher wird und endet darin, dass das Schadensrisiko bei unsanften Begegnungen mit der Schwerkraft durch jedes Gramm mehr Masse zunimmt. Einen Punktabzug werde ich dafür nicht vergeben, denn ich kann mir gut vorstellen, dass mancher DJ das hohe Gewicht gerne in Kauf nimmt, wenn er dafür dann beim Auflegen das gute haptische Gefühl von Metall unter seinen Fingern genießen kann (wenngleich eigentlich alle beweglichen Teile aus Plastik sind). Eine ernsthafte Abwägung, ob man nun gewillt ist, diesen 5-Kilo-Boliden immer aufs Neue zum nächsten Set zu bewegen, sollte vor dem Kauf aber in jedem Fall erfolgen.
Meine Bewertung fällt am Ende dann auch einen halben Stern besser aus, als die Expertise meines Bonedo-Kollegen zum Gemini G2V und das hat einen guten Grund. Während sich der G2V nämlich in Konkurrenz zu der großen Masse an Dual-Channel-Controllern behaupten muss, ist das Marktsegment des Vierkanal-Controllers G4V weitaus überschaubarer. Wenn ich nun das Umfeld aus annähernd vergleichbaren Geräten wie beispielsweise Numark Mixtrack Quad (ca. 250 Euro) und N4 (ca. 400 Euro), American Audio VMS4.1 (ca. 350 Euro), Reloop Terminal Mix 4 (ca. 450 Euro) und Native Instruments Traktor Kontrol S4 MKII (ca. 780 Euro) näher betrachte, dann komme ich nicht umhin, den Gemini G4V als sehr attraktives Gerät mit hoher Funktionsdichte und einem absolut angemessenen Preis zu bezeichnen.