Praxis
Das erste Mal ist das schwierigste Mal, heißt es landläufig, doch die grafische Benutzeroberfläche erschließt sich sofort. Dementsprechend steht einem Schnelltest also nichts im Wege. Den Kopfhörer aufgesetzt, links und rechts mit der Maus per Drag and Drop jeweils einen House-Track in den Player gezogen und los geht es. Groove berechnet das Tempo on-the-fly und analysiert auch die Wellenform innerhalb von fünf Sekunden. Das ist doch ziemlich zügig. Gut, dann schnell den Startknopf an Deck-Eins gedrückt und hoch mit dem linken Kanalfader. Den rechten Regler in Südstellung wird das zweite Deck gestartet und mittels Tastendruck auf M zum Ersten im Tempo synchronisiert. Nachreguliert wird mit wenigen Klicks auf die Pitch-Bend Buttons, dann ziehe ich den rechten Linefader hoch und die Tracks marschieren bei gelegentlichem Nachschubsen nahezu im Gleichschritt. „Mix for Dummies“-Test knapp bestanden. Widmen wir uns nun den Loops und Effekten.
Lass krachen Kumpel!
Groove hat vier Standard-Effekte im Gepäck. Flanger, Phaser, Delay und Reverb sollen dem DJ kreativen Spielraum bieten und lassen sich gezielt in den Punkten Rate und Mischungsverhältnis über zwei Drehregler in Ein-Prozent-Schritten dirigieren. Die aktuellen Werte können dabei jederzeit im Track-Display abgelesen werden. Im Zusammenspiel mit einer externen Steuereinheit könnte die unkomplizierte Effeksteuerung gerade Einsteiger und Hobby-DJs begeistern. Deck- und FX-Profis werden mit einem Parameter wahrscheinlich nicht zufrieden sein. Sie gehören aber vielleicht auch nicht zum primär anvisierten Käuferkreis. Persönlich vermisse ich ein Filter, etwa ein bipolareres Kanalfilter. Beatslicer oder Ringmodulator hätten der Software ebenfalls gut zu Gesicht gestanden, aber da gehen die Geschmäcker sicherlich auseinander. Im direkten Vergleich zu Konkurrenzprodukten gleicher Preisklasse liegt Geminis Effektabteilung quantitativ und qualitativ im sicheren Mittelfeld.
Und täglich grüßt das Murmeltier
Die Loopsektion ist etwas umfangreicher ausgefallen und bietet neben manuellen Loops, die klassisch über die obligatorischen In-/Out Buttons gesetzt werden, ebenfalls einen automatischen Schleifen-Baukasten. Sämtliche Loops sind nahtlos, das Intervall reicht von ¼ Beat bis 16 Beats. Reloop springt von jeder Songposition in die zuletzt aktivierte Schleife zurück. Unmissverständlich gekennzeichnete Knöpfe machen die Handhabung auch für den Anfänger einfach. Die Geschwindigkeit eines 4/4-Taktes zu ermitteln, stellt für das Gros der DJ-Mix-Applikationen kein nennenswertes Problem dar. Auch Groove kann eine recht zuverlässige Trefferquote vorweisen. Wie bei Konkurrenzprodukten schwankt die interne Tempoanalyse jedoch zum Teil mit zunehmender Komplexität der Rhythmen. Stimmt die Berechnung, gibt’s im digitalen Paartanz oder beim Arbeiten mit Loops kaum Probleme, liegt sie daneben gibt’s schon mal Galopp.
Musical Instrument Digital Interface
Geminis Software hat Tastatursteuerung an Bord, und unterstützt die Controller e-mix MP1200, Behringer BCD3000, Hercules DJ Console MK2 und RMX, Vestax VCM-100 and Vestax VCI-100 nativ. Remapping kommt aufgrund fehlender Keyboard- oder MIDI-LEARN Funktion jedoch nicht in die Tüte. Das ist vor allem dann unvorteilhaft, wenn man sich über die Jahre an bestimmte Shortcuts gewöhnt hat, oder externe Konsolen dem persönlichen Workflow unterwerfen will. In diesem Punkt haben es „groovige“ Einsteiger wahrscheinlich leichter, denn sie lernen einfach die Belegungen auswendig – so sie sich damit zufriedengeben wollen. Gemini ist hier aber kein Ausnahmefall, auch Serato Itch verweigert dem Nutzer bis heute (Stand 30.10.2009) eine persönliche Anpassung von Tastatur oder Steuereinheiten und somit eine individuelle Arbeitsumgebung. Immerhin besitzt Groove einen MIDI-Device-Konfigurator, der auf den ersten Blick etwas gewöhnungsbedürftig ist und noch dazu keine MIDI-Signale empfängt. Stattdessen sind die Werte manuell anzugeben. Die interne Hilfe beschränkt sich auf ein Produktinfo Pop-Up, was den Arbeitsablauf nicht gerade leichter macht. Nix für Anfänger, es sei denn, sie lieben es, sich durch MIDI-Charts zu kämpfen. Hercules Steel-Control wird ebenfalls von Haus aus unterstützt, wie schön, dass gerade ein Exemplar zum Hardwaretest vor Ort ist.
Leider konnte das Mapping für den stählernen Hercules nicht voll überzeugen. Der Mixer mit Fadern, Klangregelung und Killswitches, die Transportsteuerung und die mauslose Navigation funktionierten einwandfrei, Hotcues indes suchte ich vergebens. Viel ärgerlicher empfand ich allerdings das Fehlen hardwareseitiger Effekt-Steuerung trotz vorhandener Encoder und besonders die Möglichkeit eines ordentlichen PFL-Mixings.
Der Kutscher kennt den Weg
DJ-Copilot ist ein genügsamer Zeitgenosse. Er tritt auf Wunsch in Erscheinung, wenn sein Chef nicht hinter dem Laptop steht, und mixt stattdessen die Musikstücke computergesteuert zusammen. Groove biete zahlreiche Optionen um den Automix genau zu definieren. So können unterschiedliche Zeiten für Fade-In und -Outs der einzelnen Decks (von null bis 9,9 Sekunden) nebst Schwellwert und Verzögerung angegeben werden. Das kommt dem Mix-Navi auf Veranstaltungen, wie zum Beispiel bei Warm-ups für Konzerte oder auf einer Hochzeit bestimmt zu Gute. Besonders dann, wenn der DJ mal zum Örtchen muss, oder der Durst ihn an die Theke ruft. Zur Hintergrundbeschallung in der Bar, oder um die Leute auf der Inhouse-Party schon mal etwas aufzulockern, reicht er allemal. Tempo- oder beatsynchron sind die Überblendungen aber grundsätzlich nicht.
Wer zwischendurch die Hände vom Laptop nehmen muss, aktiviert den Autopiloten und lehnt sich entspannt zurück. Die Software steuert die Anwesenden dann durch den Tanzverkehr und der DJ genehmigt sich ein Bier ohne den Party Führerschein zu verlieren – wenn er Glück hat 🙂