Die Geschichte des Klaviers ist eng verbunden mit der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, naturwissenschaftlichen und vor allem künstlerisch-musikalischen Entwicklung der menschlichen Zivilisation. Hauptsächlich ab dem 15. Jahrhundert fanden vielfältige und wegweisende Erfindungen für das Tasteninstrument, wie wir es heute kennen, statt.
Im Folgenden erfahren wir, warum wir überhaupt Klavier, Pianoforte oder Flügel sagen. Und, um zu verstehen, wie es zu diesem Instrument kam, statten wir einem Gelehrten der Antike, nämlich Pythagoras, einen Besuch ab. Danach schauen wir u. a. beim – dem Klavier zeitlebens skeptisch gegenüberstehenden – Johann Sebastian Bach vorbei, lernen einen ‘Sarg ohne Beine’ und schließlich einen Italiener namens Bartolomeo Cristofori kennen. Dieser Mann konstruierte vor über 300 Jahren eine sogenannte ‘Hammermechanik‘ und gilt damit als Vater des modernen Klaviers.
Was ist nun ein Klavier?
Fragen wir das Wörterbuch. Ein Klavier ist „ein Musikinstrument, dessen Saiten durch Hämmerchen angeschlagen werden“. Es ist also ein Saiteninstrument und ein Tasteninstrument – und ein Hammerinstrument obendrein! Die aufwendige Hammermechanik sorgt dafür, dass der Tastenanschlag des Spielers äußerst differenziert zur Saite übertragen wird und diese zum Klingen bringt. Sie gab in der Geschichte des Klaviers den entscheidenden Impuls bei der Entwicklung hin zum heutigen Instrument.
Geschichte des Klaviers: Woher stammt der Begriff Klavier?
Der Name Klavier kommt vom lateinischen Begriff ‘clavis‘; dem „Schlüssel“. (Der englische Begriff ‘keyboard‘ der generell jede Art von Tastatur bezeichnet, heißt ja übersetzt „Schlüsselbrett“). Dieser Schlüssel definiert – in Form des Notenschlüssels – in unserer heutigen Notenschrift die konkrete Lage der Töne eines Systems und damit die Tonhöhe. Und dasselbe passiert, wenn ich eine Taste (im englischen ‘key‘ genannt) am Klavier drücke und dadurch ein bestimmter Ton erklingt.
In der Geschichte des Klaviers gab es also sprachliche Veränderungen und Anpassungen. Früher nannte man alle Instrumente mit Tasten „Klavier“- also auch das Clavichord, das Cembalo, usw. Deshalb trägt übrigens J. S. Bachs berühmte Sammlung „Das wohltemperierte Klavier“ diesen Namen, obwohl sie fürs Cembalo geschrieben wurde.
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Heute unterscheidet man sprachlich zwischen dem „Klavier“ oder ‘Pianino’ (engl: ‘upright piano‘) mit aufrecht angeordneten Saiten und seinem großen Bruder; dem „Flügel“ (engl: ‘grand piano‘) mit horizontaler Saitenlage.
Woher stammt der Begriff Flügel?
Seinen Namen hat der Flügel aufgrund der Form seines Korpus, der an einen Tierflügel erinnert. Er ist größer und hat mehr Klangfülle. Somit kann er sich auch in größeren Räumen und Konzerthallen akustisch durchsetzen. Heutzutage sagt man jedoch oft einfach ‘Klavier’ und meint damit beide Instrumentenformen. Auch der Name ‘Piano’ oder ‘Pianoforte’ ist allgemein gebräuchlich (letzterer wird uns gleich in der Geschichte des Klaviers noch einmal begegnen).
Erwähnenswert ist ebenfalls die Bezeichnung ‚Hammerklavier‘. Sie verweist auf die integrierte Hammermechanik; wird aber heute nur noch für Instrumente aus der Zeit um 1800 und davor verwendet. Ironischerweise galt damals ausgerechnet Ludwig van Beethovens „Hammerklaviersonate“ auf den namensgebenden Instrumenten lange Zeit als unspielbar. Die Anforderungen an Technik, Dynamik und Tempo des Stückes waren hinsichtlich Konstruktion der Klaviere; aber auch des spielerischen Niveaus ihrer Zeit voraus. Erst Franz Liszt meisterte – und zwar erst Jahrzehnte nach Beethovens Tod – dieses Werk.
Welche Vorfahren hatte das Klavier in der Geschichte?
Den ersten bedeutsamen ‚Urahnen‘ in der Geschichte des Klaviers finden wir in der Antike: das Monochord (‘Einsaiter‘). Interessanterweise war es sowohl ein physikalisches Messinstrument als auch ein akustisches Musikinstrument. Es bestand aus einem länglichen Resonanzkörper, über den eine Saite (später konnten es auch mehrere gleich gestimmte Saiten sein) gespannt wurde. Durch bewegliche Stege konnte man diese an unterschiedlichen Punkten teilen; und durch Zupfen der verkürzten Saite ergaben sich dann verschiedene Töne.
Und spielte man nun eine identisch gestimmte, aber ungeteilte Saite dazu, erklangen konsonante und dissonante Intervalle. Der Universalgelehrte Pythagoras (ca. 570 – 510 v. Chr.) erforschte mit dieser Methode intensiv die mathematische Beziehung zwischen Längenverhältnissen und Tonhöhen, um sie wissenschaftlich fundiert erklären zu können. Er machte sich dabei ebenfalls die Erkenntnis zunutze, dass der Mensch mit dem Ohr Abstände in Form von Tonhöhen besser differenzieren kann; als er mithilfe des Auges Abstände erkennt.
Die Dulcimer als Vorläufer des Klaviers
Ein ebenfalls bedeutender Vorfahre: die Dulcimer (dt: Hackbrett). Seit der Antike bekannt, war sie vor allem im Mittelalter weit verbreitet. Die auf einen Klangkasten gespannten Saiten wurden dabei mit zwei hölzernen Schlegeln oder Klöppeln angeschlagen. Die Dulcimer entwickelte sich aus dem Psalterium, einem Vorfahren der Zither. Diese Instrumente trifft man auch heute noch in der Volksmusik einiger Länder und Kulturen an. Ihnen allen fehlt jedoch noch ein wichtiges Merkmal, welches die Geschichte des Klaviers wesentlich voranbringen sollte: der Anschlag von Tasten als Spielhilfe. Dies finden wir ungefähr ab dem 15. Jahrhundert; und die wichtigsten Vertreter dieses Prinzips gibt es jetzt.
Das Clavichord in der Geschichte des Klaviers
Der Erfinder des Clavichords ist unbekannt, trotzdem avancierte es bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zum beliebten und weit verbreiteten Übungsinstrument. Leicht, kompakt und anfangs mit zweieinhalb bis drei Oktaven ausgestattet, wurden die Saiten mit kleinen Metallplättchen angeschlagen und dadurch zum Schwingen gebracht. Dies geschah mithilfe einer Tastatur. Und das Tolle war: für jeden Ton stand – im Gegensatz z. B. zu Geige und Gitarre – eine eigene Saite parat. Luxus pur!
Für die Entwicklung ‘vielsaitiger’ und abwechslungsreicher Musik – und damit auch der Geschichte des Klaviers – war natürlich von Vorteil, dass man beim Clavichord die Lautstärke einzelner Töne schon durch die Anschlagstärke steuern konnte. Besonders interessant: selbst NACH dem Drücken der Taste konnte noch eine Art Vibrato erzeugt werden. Dass dies einen besonders kontrollierten und differenzierten Anschlag erforderte, kann man sich denken! Einen gravierenden Nachteil gab es trotzdem: Das Clavichord war nicht besonders laut. Bühne frei also für das Cembalo!
Geschichte des Klaviers: Das Cembalo
Das Cembalo (US-amerik.: Harpsichord/ franz.: Clavecin) war – neben der Orgel – das wichtigste Tasteninstrument der Barockzeit (ca. Beginn des 17. bis Mitte des 18. Jahrhunderts). Man kann es als ‘Zupfinstrument mit Klaviatur’ bezeichnen: durch Tastendruck wurde mittels einer Mechanik die Saite angezupft. Der ‘Zupfer’ war anfangs ein Federkiel von Vögeln; später ein dornförmiges Plektrum. Oft wurden mehrere Register verbaut, um – ähnlich der Orgel – verschiedene Klangfarben, Lautstärken und Tonumfangserweiterungen nutzen zu können.
Obwohl verschiedene Anschlagsstärken nicht mehr möglich waren – quasi ein Rückschritt zum Clavichord -, erfreute es sich großer Beliebtheit. Sein Klang war durch das Anzupfen der Saiten hell, spitz und obertonreich (we feel you; Mister Beecham …). Größer und dadurch lauter als zum Beispiel das Spinett und das Virginal; war es im Gegensatz zu diesen besser als Konzertinstrument geeignet. Die Geschichte des Klaviers wäre jedoch ohne diese Varianten des Cembalos undenkbar; deshalb lernen wir nun die Top3 der ‘Cembalo-Sippe’ kennen.
Das Spinett
Als kleinen Bruder des Cembalos kann man das Spinett bezeichnen. Seit Anfang des 16. Jahrhunderts bekannt; gehört es ebenfalls zu den Zupfinstrumenten. Auch hier reißt ein spitzer Dorn (lateinisch: ‘Spina‘) die Saite an. Deutlich kleiner als ein Cembalo besaß es im Vergleich zu diesem meist nur ein Manual und weniger Register. Dadurch waren die Klangmöglichkeiten zwar eingeschränkter. Andererseits konnte man es leichter stimmen – ein nicht unwichtiges Argument! Durch die platzsparende Bauweise und das unkomplizierte Handling war es vor allem als Haus- und Übungsinstrument beliebt.
Das Virginal in der Geschichte des Klaviers
Das Virginal ist ein handliches Tasteninstrument des 15. – 18. Jahrhunderts und wurde oft in Box-Form (also ohne montierte Beine) gebaut. Deshalb bezeichnete man es auch salopp als ‘Sarg ohne Beine’. Die Saiten lagen bei ihm quer vor der Tastatur: beim Cembalo verlaufen sie längst weg von ihr. Es hatte aufgrund der dadurch kompakteren Ausmaße einen leiseren Klang; war jedoch deshalb weiter verbreitet.
Als Haus- und Saloninstrument genutzt, stand es aufgrund seiner Bauweise für gewöhnlich an der Wand. Der Spieler saß also mit dem Rücken zum Publikum. Das machte es besonders für Kammermusik geeignet. In England war das Virginal Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts im Übrigen so beliebt, dass sich ihm eine ganze Komponistengeneration (genannt die ‘Virginalisten‘) widmete. Auch dies eine interessante Etappe in der Geschichte des Klaviers.
Das Clavecin brisé
Und noch eine bemerkenswerte Spezies gibt es in unserer Geschichte des Klaviers: Anfang des 18. Jahrhunderts machte jemand unserem Cembalo Beine- bzw. gerade nicht: Jean Marius erfand in Paris das Clavecin brisé; das Reisecembalo. Es bestand aus drei Teilen, die man zu einem transportablen Kasten zusammenklappen konnte. Zum Spielen wurde es dann auf einem Gestell oder Tisch platziert.
Die fehlende oder nur rudimentäre Modulationsmöglichkeit aller Tasteninstrumente der Barockzeit machte die Notwendigkeit einer neuen Art der Konstruktion deutlich. Und diese ließ auch nicht lange auch sich warten: die Hammermechanik!
Das Klavier ist da!
Als ‚offizielles‘ Geburtsjahr des Klaviers, wie wir es heute kennen, gilt das Jahr 1709. Bartolomeo Cristofori – italienischer Instrumentenbauer am Hof der Médici in Florenz – stellte dort nach mehreren Jahren Entwicklung und dem Bau einiger Prototypen ein sogenanntes ‘Gravicembalo col piano e forte‘ vor. Ein ‘Cembalo, welches leise und laut spielen kann’. Dieses Instrument enthielt die von Cristofori konstruierte Hammermechanik, die grundsätzlich so bis heute verwendet wird. Und damit nahm die Geschichte des Klaviers dann richtig Fahrt auf.
Cristoforis Instrument enthielt bereits Doppelsaiten (zwei Saiten pro Ton) für ein größeres Klangvolumen sowie ab 1722 den ‘una corda‘- Modus. Die Mechanik wird dabei leicht seitlich verschoben – dadurch wird nur noch eine der zwei Saiten angeschlagen und der Ton ist entsprechend leiser. Der Tasten- und damit Tonumfang betrug anfangs vier Oktaven. Heutigen Pianos stehen 7 1/3 Oktaven, also 88 Tasten zur Verfügung.
Wie geht es weiter in der Geschichte des Klaviers?
Trotz ihres Erfolges und exzellenter Qualität waren Cristoforis ‚Ur-Klaviere‘ aufwändig in der Herstellung und anfangs auch relativ schwach im Ton. Deshalb entwickelten andere diese weiter. Beispielsweise Gottfried Silbermann – bekannt vor allem als Orgelbauer. Der baute 1725 die ersten deutschen Hammerklaviere sowie seine Schüler, die mit ihrem Wissen den englischen Klavierbau entscheidend voranbrachten.
Die Entfaltung der Klavierbaukunst
Verschiedene Erfindungen bescherten der Geschichte des Klaviers im weiteren Verlauf entscheidende Impulse:
- Ab 1740 erste Versuche, einen aufrechten Flügel zu konstruieren. Vom modernen aufrechten Piano sind diese mannshohen Konstrukte jedoch noch weit entfernt.
- Ab 1774 wird für das ‘una corda‘- Spiel ein Fusspedal benutzt; vorher waren es Kniehebel.
- 1783 führt die Firma Broadwood das Haltepedal (‘Sustainpedal‘) ein.
- 1811 baut in London Robert Wornum das erste aufrechte & vertikal besaitete Klavier; genannt Pianino.
- 1816 patentiert Johann Mälzel sein Metronom; seitdem ist auch bei Klavierwerken die Tempoangabe in M.M. – Mälzels Metronom – üblich.
- 1821 wird die Repetitionsmechanik erfunden; sie bleibt jedoch den Flügeln vorbehalten.
- 1823 erreicht der Tonumfang des Klaviers 85 Töne.
- Ab 1825 wurden Eisenrahmen zum Halten der Saitenspannung verbaut; vorher musste während eines Klavierkonzerts meist mehrmals nachgestimmt werden.
- 1844 führt Broadwood generell die ‘Temperierte Stimmung‘ (eine Oktave wird in 12 gleiche Halbtonschritte geteilt) bei seinen Instrumenten ein.
Die Geschichte des Klaviers in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts
Auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird die Geschichte des Klaviers weitergeschrieben. Fortschritte gab es in folgenden Bereichen:
- 1866 führte der Hersteller Rönisch eine Vollpanzerplatte für den Flügel ein; dies ist bis heute Standard.
- Seit 1874 baut Steinway & Sons Flügel mit drei Pedalen. Das neue, mittlere Pedal fungiert dabei als Haltepedal bereits angeschlagener Tasten, lässt jedoch nachfolgende Töne unberührt. (Braucht man selten, aber wenn man es braucht, braucht man es.)
- 1891 fügte Steinway 3 weitere Tasten hinzu; damit betrug der Tonumfang nun endgültig 88 Tasten.
- 1898 baut die Firma Pleyel ca. 50 sogenannte Doppelflügel– zwei unabhängige Klaviere in einem gemeinsamen Korpus.
- 1939 einigt man sich auf einer Konferenz in London auf die seitdem maßgebliche Standardstimmung ausgehend vom Referenzton a’= 440Hz.
Wie geht es weiter im 20. Jahrhundert und später?
Immer wieder wird auch mit neuen Materialien und Formen experimentiert – die Geschichte des Klaviers kennt erfolgreiche und erfolglose Beispiele:
- 1960 Steinway ersetzt die Achslager durch Teflon-Buchsen – leider wirkungslos.
- 1975 nutzt KAWAI erstmals Kunststoffmechaniken – dies stellt sich vielversprechend dar.
- 1987 präsentiert David Klavins Klavins Klavier Model 370, einen 370 cm (!) hohen Vertikalflügel.
- 1995 Ein niederländischer Klavierbauer patentiert einen Resonanzboden aus Glas und verspricht damit Robustheit gegenüber Klimaschwankungen.
- 2008 Die Klaviermanufaktur Steingraeber verfolgt dasselbe Ziel mit ihrem Kohlefaser-Resonanzboden.
Geschichte des Klaviers: Das Klavier wird leise(r)
In der Geschichte des Klaviers gab es verständlicherweise immer den Wunsch, sein pianistisches Können den Mitmenschen oder am besten der ganzen Welt zu präsentieren. Genauso wichtig war folglich auch ein ungestörtes Spielen mit gedämpftem Instrument. Dies wurde lange Zeit mit einem Filzband erreicht, welches mittels eines Hebels zwischen Hämmer und Klaviersaiten geklemmt wurde. Die Entwicklung der Elektrotechnik ermöglichte es später, dass der Spieler trotz Dämpfung einen digital erzeugten Klang, beispielsweise über Kopfhörer hören konnte. Die bekannteste Methode entwickelte Yamaha ab 1992 mit dem ‘Silent Piano‘. Einen anderen originellen Weg geht zum Beispiel Casio mit ihrem Grand Hybrid Piano: Die Verbindung einer von der renommierten Firma Bechstein mitentwickelten Hammermechanik nebst Holztastatur kombiniert mit der Technik und den Vorzügen einer digitalen Klangerzeugung.
Zum Schluss
Aber auch Meldungen wie diese gehören zur Geschichte des Klaviers:
- Mai 1904: In New Jersey lassen Pianohändler 200 alte Upright Pianos verbrennen, um sich symbolisch deren Inzahlungnahme beim Instrumentenneukauf zu verweigern.
- 2. Weltkrieg: Viele Pianohersteller stellen die Produktion ein und müssen Kriegszubehör fertigen. In Deutschland fabriziert zum Beispiel Steinway Stockbetten und Gewehrschäfte aus hochwertiger Rotbuche. In Japan wird Kawai als Zulieferer für die Flugzeugindustrie verpflichtet.
- Dezember 2007: Ibach, die älteste Klavierfabrik der Welt in Familienbesitz, gibt auf.
- Dezember 2007: Yamaha kauft Bösendorfer, sichert jedoch Eigenständigkeit zu.
- 2009: Das Klavier feierte seinen 300. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch!