Mit dem G9 startet das deutsche Unternehmen Gewa einen umfassenden Vorstoß in die Welt der elektronischen Schlagzeuge. Das Entwicklerteam geht dabei mit großen Visionen ans Werk und hat kein geringeres Ziel, als von Anfang an in der absoluten E-Drum-Oberklasse mitzuspielen. Und weil dieses Gebiet von einigen wenigen Herstellern dominiert wird, die zum Teil über jahrzehntelange Erfahrung mit elektronischen Drums verfügen, ist das ausgesprochen spannend. Fest steht jedenfalls, dass frischer Wind und Innovation in diesem Sektor sehr zu begrüßen sind.
Bereits auf der Musikmesse 2018 wurde das Gewa G9 vorgestellt. Mit seinem komplexen Soundmodul, das einen Touchscreen, 128 GB internen Speicher und eine aufwendige Multichip-Architektur bietet, und auch mit der hochwertigen Hardware, die in Zusammenarbeit mit dem Hersteller DW entwickelt wurde, konnte ein früher Prototyp staunende Blicke auf sich ziehen. Der Release-Termin wurde danach mehrmals verschoben, was die Spannung durchaus steigerte. Anfang August 2020 wurde uns nun die Pro-L6-Konfiguration des G9 zum Test überlassen. Es handelt sich dabei um ein vollausgestattetes 6-Piece-Kit mit Echtholzkesseln für Kick, Snare und vier Toms sowie Kunststoffpads für Hi-Hats, Ride und zwei Crashbecken. Im Review sehen wir, was das mutmaßliche E-Drum-Wunderkind zu bieten hat.
Details
Edle Optik und hervorragende Verarbeitung
Verglichen mit den meisten E-Drumsets, die häufig auf einen eher nüchternen Look setzen, ist das Gewa G9 eine wahre Augenweide. Dies gilt vor allem für die hier getestete L-Serie, die im Gegensatz zur C-Serie nicht mit folierten, sondern mit lackierten Echtholzkesseln im edlen Walnut-Finish kommt. Die Maße liegen bei 18“x14“ für die auf einem Riser sitzende Bassdrum, bei 14“x5“ für die Snare und bei 10“, zweimal 12“ und 14“ für die vier Toms. Alle Trommeln sind mit doppellagigen True-Rebound-Mesh-Heads befellt, die von Remo entwickelt wurden, um ein möglichst authentisches Spielgefühl zu ermöglichen. Die Spannreifen sind zudem mit Auflagen aus Gummi zum Auslösen der Rim-Zonen bestückt, die sich abnehmen und je nach Bedarf positionieren lassen.
Um das Verhalten der Beckenpads auszutarieren, hat man sich an Vorbildern aus der 2002er-Serie von Paiste orientiert. Sowohl beim 18“ Ride als auch bei den beiden 14“ Crashes handelt es sich um 3-Zonen-Pads mit Bow, Edge und Bell sowie einer Choke-Funktion zum Abstoppen des Klangs. Trotzdem kommen die Pads mit einem einzelnen Klinkenkabel (TRRS) aus. Um die Kompatibilität zu Modulen anderer Hersteller zu gewährleisten, gibt es aber jeweils eine zweite Klinkenbuchse an jedem Beckenpad. Die 14“ Hi-Hats werden wie üblich über separate Kabel für das Pad und den Sensor für den Öffnungsgrad mit dem Modul verbunden.
Im Hinblick auf die Verarbeitung sind Kessel und Beckenpads genauso wie das in Kooperation mit DW entwickelte Double-Wing-Rack mit zusätzlichem Hi-Hat-Ständer fraglos über jeden Zweifel erhaben. Die Aufhängungen für Becken und Toms lassen sich komfortabel und weitgehend frei positionieren, und nur besonders groß gewachsene Drummer, die einen ungewöhnlich hohen Setaufbau bevorzugen, könnten bei den Möglichkeiten des Racks an eine Grenze stoßen. Hier ist im Zweifelsfall Ausprobieren im Fachgeschäft angesagt. Fußmaschine und Snarestativ sind übrigens nicht im Lieferumfang enthalten. Gerade bei der Fußmaschine, deren Wahl bekanntlich eine höchst persönliche Sache ist, lässt sich das aber kaum als Kritikpunkt werten.
Der Aufbau des G9 verläuft dank der beiliegenden Anleitung weitgehend problemlos, nimmt aber durchaus seine Zeit in Anspruch. Vor allem die Verkabelung der Pads mit dem Modul ist naturgemäß aufwändig, wobei hier allgemein von einer steilen Lernkurve auszugehen ist. Die Pads werden über einzelne TRRS-Klinkenkabel mit dem Modul verbunden, und damit das G9 bei genauerem Hinsehen trotzdem nicht nach Kabelsalat aussieht, wurde ein Mantel für den Kabelstrang beigelegt, der sich über Klettverschlüsse am Rack befestigen lässt.
Soundmodul der nächsten Generation
Das Soundmodul des Gewa G9, offiziell benannt als G9 Drum Workstation, ist im Grunde nichts anderes als ein kleiner Audiocomputer mit 10“-Touchscreen (1280 x 800 px TFT-Display) und vier zusätzlichen Encodern, der konkret auf die Bedürfnisse eines E-Drum-Systems abgestimmt ist und enorme Parametertiefe bei gleichzeitig übersichtlicher Bedienbarkeit sowie viele kreative Zusatzfunktionen bietet. Um eine möglichst ideale Performance zu erreichen, hat man dem Drum-Brain gleich drei Prozessoren verpasst, die auf die grafische Darstellung, die Trigger-Detection und die Klangerzeugung spezialisiert sind. Gerade deshalb ist es etwas verwunderlich, dass der Touchscreen eine Neigung hat, manchmal etwas träge zu reagieren. Dies hängt laut Hersteller damit zusammen, dass man sich um einen Spagat zwischen Empfindlichkeit und Bühnentauglichkeit bemüht hat. Das Display wird von einem drei Millimeter dicken Panzerglas geschützt und ist dazu ausgelegt, auch bei hoher Luftfeuchtigkeit bedient zu werden.
Der interne Speicher fällt mit 128 GB und einem zusätzlichen, schnellen Flash-Speicher von 4 GB großzügig aus und erlaubt unter anderem den Import von bis zu 100 Single-Layer-Samples oder Playbacks in nahezu allen gängigen Dateiformaten. Über internes WLAN kann man sich mit dem Internet verbinden, um Updates herunterzuladen oder im Sound-Store zu stöbern, der zum Testzeitpunkt allerdings noch in der Betaphase ist.
Das Modul wird auch separat (also ohne Pads und Hardware) angeboten und ist dementsprechend auch dazu ausgelegt, mit Pads von Fremdherstellern zu arbeiten. Im Gegensatz zum Pearl Mimic Pro, das grundsätzlich eine ähnliche Richtung wie das G9 einschlägt, empfinde ich aber gerade den Punkt, dass es zugehörige Pads gibt, als einen wesentlichen Vorteil, der viele Unsicherheiten beseitigt, die es beim Zusammenstellen eines Custom-Kits gibt. Insgesamt stehen 14 Triggerkanäle bereit, die sich aus zehn Standardkanälen für Kick, Snare, vier Toms, drei Becken und Hi-Hats sowie vier zusätzlichen Aux-Kanälen zusammensetzen. Diese Aux-Kanäle können frei zum Anschluss weiterer Pads genutzt werden, aber auch wenn man beispielsweise ein 3-Zonen-Ride mit zwei Klinkenkabeln verwenden will, kann ein solcher Aux für das zweite Kabel herhalten. Allgemein erlaubt das Modul grundsätzlich auch, beispielsweise ein Beckenpad an einem Tomkanal zu nutzen – und natürlich auch entsprechende Sounds zuzuweisen. Mehr Freiheiten kann man sich in dieser Hinsicht kaum wünschen.
Auch im Hinblick auf weitere Schnittstellen ist das Soundmodul umfangreich ausgestattet. Acht analoge Mono-Direktausgänge, ein Monitor-Out ein Master-Out und ein Kopfhörerausgang sowie ein digitaler S/PDIF-Ausgang (alle Stereo) bieten vielfältigste Möglichkeiten für komplexe Setups. Eingangsseitig gibt es einen Stereo-In für Monitorsignale oder Playbacks, und ein echter Pluspunkt ist, dass man sein Smartphone über Bluetooth mit dem Modul verbinden kann, um beispielsweise zu Tracks auf Spotify zu trommeln. Aber auch die Wiedergabe von Files von einem USB-Stick (inkl. Time-Stretching bei gleichbleibender Tonhöhe) ist möglich. Über den USB-Port wird das Modul zudem zu einem 8-in/2-out Audiointerface einschließlich MÌDI über USB, wobei natürlich auch traditionelle MIDI-Verbindungen über die klassischen DIN-Buchsen eine Option sind. Wer schnelle Aufnahmen machen möchte, kann das dank einer entsprechenden Quick-Record-Funktion auch direkt im Modul tun.
Der Tiefe des Soundmoduls auch nur annähernd gerecht zu werden, ist in einem Artikel wie diesem leider kaum möglich, weshalb ich nun ganz mundgerecht verkürzt noch einige wesentliche Informationshäppchen nennen möchte. Jeder Kanal bietet jeweils einen EQ und einen Kompressor und Zugriff auf insgesamt vier Send-Wege, von denen einer den Anteil der Room-Samples steuert. Bei den weiteren handelt es sich um zwei algorithmische Reverbs und einen Multieffekt. Die Steuerung der Velocitykurven ist extrem frei gestaltet, und es ist möglich, für jedes Instrument bzw. jede Zone eine eigene Kurve einzuzeichnen – einschließlich des Öffnungsgrades der Hi-Hats. Die unterschiedlichen Zonen eines Padkanals lassen sich frei mit unterschiedlichen Sounds belegen, und auch das Layern von Sounds ist möglich. Eine Setlistenfunktion (mit leider nur acht Slots pro Liste) erlaubt das Erstellen von Kit-Abfolgen für Gigs, und tatsächlich ist es möglich, PDF-Charts auf dem Modul anzeigen zu lassen. Zur Wiedergabe von Videostreams aus dem Netz (z.B. Netflix oder Livestreams von Bundesligaspielen) muss der Profimusiker während einer Show aber leider noch das persönliche Tablet nutzen. Einen weiteren Einblick gibt es über die folgenden Fotos.