PRAXIS
Eines vorweg: Plug & Play ist bei der Firebird X nicht angesagt. Zuerst müssen die Akkus aufgeladen werden, vorher geht nichts. Wenn ihr auch gleich die beiden Pedale und das G-Node Interface aus dem mitgelieferten Zubehörbestand mitbenutzen möchtet, solltet ihr etwas Zeit und Geduld mitbringen, denn auch die werden per Akku betrieben. Andererseits ist es aber sehr lobenswert, dass der Hersteller gleich acht Akkus und zwei Ladestationen beigepackt hat.
Somit ist man auch perfekt mit einer Runde Ersatzbatterien ausgestattet. Die sollten auch immer parat liegen, denn die Laufzeit der Akkus liegt laut Hersteller bei etwa zwei Stunden, und das ist nicht unbedingt viel. Jetzt, wo die Batterien aufgeladen sind, hören wir uns erst einmal die unterschiedlichen Presets aus den ersten vier Bänken an. Hier sind die puren Gitarrensounds zu hören, für die die Firebird X direkt am Amp angeschlossen wurde. Also alles noch im Old-School-Style, wir nutzen lediglich die unterschiedlichen Pickup-Sounds der Gitarre.
Pickup-Sounds
Die drei Mini-Humbucker können auf verschiedene Art und Weise geschaltet werden. Entweder normal als Humbucker, dann gesplittet im Single Coil Mode oder auch mit Out Of Phase-Sound. Auf Bank 2 gibt es verschiedene Kombinationen der Pickups im Single Coil Mode. Das Ganze ist schon so eingestellt, dass mit dem Knife Switch (Pickup-Wahlschalter) die üblichen Kombinationen einer Strat mit Fünffach-Schalter abgerufen werden können. Hier hört ihr alle fünf Positionen nacheinander, beginnend mit dem Hals-Pickup. Die Gitarre ist direkt an einen clean eingestellten Sovtek MIG-50 angeschlossen.
Bank 3 verfügt über fünf Humbucker-Einstellungen, nämlich zwei unterschiedliche Hals- und Steg-Sounds und einmal die Kombination beider Pickups. Und so klingt es über den unverzerrten MIG-50.
Im Vergleich zu einer Les Paul hat die Firebird X in diesem Betriebsmodus, bei dem keine Effekte eingeschaltet sind und „nur“ die Pickups benutzt werden, einen etwas geringeren Ausgangspegel. Den Klang würde ich mal ganz kritisch als weder Fisch noch Fleisch bezeichnen. Die Single Coil Sounds klingen nicht richtig perlig wie bei einer Strat und den Humbuckern fehlt es etwas an Power und Druck. Aber das ist eben normal für Gitarren, die ein breites Spektrum an Klängen abdecken, die Individualität und der Charakter bleiben dabei etwas auf der Strecke.
Weiter geht es mit den Sounds aus dem Piezo-Pickup, der dem Feuervogel einen Klang entlockt, der nach Akustik-Gitarre klingt. Man darf dabei aber nicht allzu puristisch an das Ganze herangehen und den Sound mit einer „richtigen“ Steelstring Akustik-Gitarre vergleichen. Dazwischen liegen Welten, aber für den Gitarristen, der eben mal schnell für einen Akustik-Part auf der Bühne umschalten und deshalb nicht noch eine Gitarre mitschleppen möchte, ist das ein willkommenes Feature. Diesmal ist die Gitarre direkt an das Audio-Interface angeschlossen und auch hier hört ihr die fünf verschiedenen Akustiksound-Variationen, die mit dem Knife Switch abgerufen werden können: J200, 12 String, Small Body, Resonator und J45.
Für dich ausgesucht
So weit, so gut. Die puren Gitarrensounds haben wir grob durch, jetzt kommen die Effekte. Der Hersteller spricht zwar von „Pure Analog Engine“, aber damit ist nicht die Effektsektion gemeint, denn die arbeitet mit einem DSP-Chip von Freescale, wie er auch im Pro Tools Recording System verwendet wird. Analog sind im Prinzip die Tonerzeugung und die Tunings. Die Pickups nehmen das Signal der Saiten auf und dann geht es auch direkt in den internen Preamp, wo die verschiedenen Klangveränderungen durch Pickup-Simulationen und Effekte stattfinden. An der Ausgangsbuchse wird nun wieder ein analog zurückgewandeltes Signal ausgespuckt. Was dieser eingebaute Multi-Effektprozessor so alles im Programm hat, werden wir nun erforschen.
Effekte
Die Effekte können einerseits über die voreingestellten Presets angewählt oder mit den blauen und roten Toggle-Switches eingeschaltet werden. Ich entscheide mich für die zweite Variante, um gleich mal den Bedienkomfort am Instrument zu checken. Ist es tatsächlich so simpel wie einen Bodentreter zu aktivieren und schon zerrt es? Der rote Toggle-Switch ist für den Zerrsound zuständig, ist also mein Ansprechpartner. Und simpel ist es tatsächlich, denn hier kommt die nächste Besonderheit: Der Schalter funktioniert auch als Poti, er lässt sich nämlich zusätzlich drehen. Der Hersteller bezeichnet die Teile als „Tog-Pots“, ein kombinierter Schalter mit Poti – nicht schlecht! Um die Zerre zu aktivieren, muss ich einfach nur das Poti etwas aufdrehen, und schon rockt’s.
Jetzt ist die Gitarre wieder vor den clean eingestellten Sovtek geschaltet, und es geht um den Gitarrenton mit Verzerrerpedal. Das wäre eine Möglichkeit des Live-Setups, mit der Firebird spart man sich praktisch das Pedalboard oder den Multieffekt. Der Sound zerrt schon recht ordentlich, ist aber noch etwas dünn. Das liegt erst einmal daran, dass hier ein bereits voreingestellter Zerrsound zum Einsatz kommt. Prinzipiell ist das sehr gut, denn man hat wirklich schnell einen Zerrer mit nur einem Dreh am roten Poti parat. Wenn es feiner zugehen soll, muss die Firebird in den Edit-Mode gebracht werden. Das geschieht, indem das Tone-Poti zwei Mal (wie bei einem Doppelklick mit der Computermaus) gedrückt wird. Ihr merkt schon, hier haben alle Regler mehrfache Funktionen, ein Blick in das Handbuch ist also Pflicht. Ohne Wissen aus der Anleitung kommt man bei der Firebird X nicht vorwärts. Ich hab’s versucht, aber die Gitarre ist zu komplex, um sie ohne Anleitung perfekt zu bedienen. Ich kann euch aber beruhigen, die Anleitung umfasst nur 24 Seiten (leider zum Zeitpunkt des Tests nur in Englisch) und ist recht gut verständlich geschrieben und aufgebaut. Zurück zum Thema, ich wollte ja den Verzerrer neu einstellen … Im Edit-Mode kann unser „Verzerrer-Pedal“ nun mit drei Schiebereglern auf der Zarge geregelt werden. Mit dem ersten (Type) kann ich mir aus fünf Charakteristiken einen Distortionsound aussuchen. Je nach Position des Reglers wird der entsprechende aufgerufen. Folgende Kandidaten stehen zur Auswahl: 80’s High Gain, 60’s Drive, Royal OD, 70’s Drive und 90’s Metal. Mit den anderen beiden werden Verzerrungsgrad (Drive) und Klangfarbe (Bite) eingestellt. So klingen die fünf Verzerrertypen mit Verzerrungsgrad und Klangfarbe in Mittelstellung.
Ehrlich gesagt kommt die Distortion-Sektion der Firebird X nicht an die Qualität eines guten Overdrive oder Distortion heran. Das Ganze klingt mir zu platt in der dynamischen Ansprache, der Bassbereich ist recht dünn und beim 90’s Metal wird der Frequenzbereich von 3 bis 5 kHz zu stark geboostet. Der Drive-Regler hat auch eine etwas gewöhnungsbedürftige Kurve – bis zur Mitte steigen Verzerrung und Pegel gleichmäßig an, wenn dann weiter aufgedreht wird, gibt es zwar mehr Zerre, aber der Pegel geht zurück. Also vor dem clean eingestellten Amp haben mir die Distortionsounds nicht so gut gefallen. Am Verstärker kann’s nicht liegen, denn der war bisher bei allen Zerrpedaltests im Einsatz und hat sich mit diesen auch meistens gut vertragen.
Es gibt natürlich noch die Variante, die Gitarre ohne Amp direkt an das Audio-Interface anzuschließen. Und witzigerweise klingt sie dort tatsächlich besser. Hier hört ihr den 90’s Metal-Zerrer mit der gleichen Einstellung wie beim vorigen Beispiel und der klingt wesentlich ausgeglichener im Frequenzbild. Mit dem Tone-Poti kann man dabei noch einige gute Variationen einstellen, denn es senkt nicht nur einen Frequenzbereich über den kompletten Regelbereich ab. Hier sind verschiedene Absenkungen in den Zwischeneinstellungen möglich, dadurch lässt sich besser und flexibler ins Klanggeschehen eingreifen.
Wie bereits erwähnt, klappt das mit der Stimmgenauigkeit nicht so ganz. Man hört das am vorangegangenen Beispiel mit einem Drop D Tuning, das ich mehrmals automatisch nachgestimmt habe. Die tiefe E-Saite ist nicht in Tune mit den anderen Saiten. Also hier muss man zwangsläufig nochmal Hand anlegen. Das System – zumindest bei meiner Testgitarre – funktioniert leider nicht so zuverlässig wie bei der Robot Les Paul. Weiter geht es mit einer Reihe anderer Effekte, die mit dem blauen Tog-Pot bedient werden. Ich dachte zuerst, dass nur immer einer der Effekte angewählt werden kann (Bedienungsanleitung noch nicht gelesen!!), stimmt aber nicht, die Effekte sind hintereinandergeschaltet. Das bedeutet, dass man sechs Effekte gleichzeitig nutzen kann, wenn man die Gitarre allein benutzt. So sieht die Effektkette aus:
Gitarre (Pickups) – Compressor – Distortion – EQ – Modulation (Chorus, Flanger, etc.) – Delay – Reverb
Das Ganze kann tatsächlich mit den beiden Tog-Pots und den zwei Sektionen von Schiebereglern an der Gitarre eingestellt werden. Eine wirklich extrem gutes und platzsparendes Bedienkonzept. Hier ein paar Sounds mit Effekten aus den vorgefertigten Presets.
Die Modulationseffekte sind in ihrer Klangqualität eher mittelmäßig, hier ist man von Multieffekten und auch Plug Ins eine bessere Soundqualität gewohnt. Vor allem, wenn man mehrere Effekte hintereinanderschaltet, wird es sehr schwammig und die Durchsetzungsfähigkeit innerhalb der Band ist nicht unbedingt gewährleistet. Auch die Ansprache ist nicht besonders gut, man hat das Gefühl, dass man noch fester reinhauen muss, damit endlich ein kraftvoller Ton aus dem Instrument kommt.
PEDALE
Hier hat Gibson ganz klar den Vogel abgeschossen. Zur Firebird gibt es zwei Pedale, ein Expression-Pedal mit drei Schaltern (Pedalboard) und eines mit neun Schaltern (Switchboard). Der Hammer an der ganzen Sache ist, dass keinerlei Kabel benötigt werden, denn die Informationen werden per Bluetooth übertragen. Man könnte also mit dem Equipment komplett kabellos spielen, wenn man auf der Bühne einen Sender für die Firebird X benutzen würde.
Das ist natürlich tatsächlich ein innovatives und revolutionäres Konzept, das Gibson hier auf den Markt bringt. Aber auch hier hakt es leider noch in der Praxis. Die voll aufgeladene Batterie im Pedal zeigt an, dass nach einer Stunde der Saft weg ist. Wer also einen 90 Minuten Gig spielen will, der sollte sich auf einen Boxenstopp gefasst machen. Oder das Ganze mit einem 9V-Netzteil betreiben, wobei die kabellose Performance ja eigentlich der Clou an der Sache ist. An der Verarbeitung gibt es bei beiden Pedalen nichts zu bemängeln, sie sind aus massivem Druckguss und auch die Schalter werden viele Tretkontakte überleben. Das Pedalboard dient hauptsächlich zur Steuerung der Effekte in Echtzeit. Das Pedal kann als Volume oder Wah benutzt werden oder es regelt die Geschwindigkeit des Rotary Effekts oder die Intensität des Octavers. Selbstverständlich kann nur ein Parameter geregelt werden. Welcher das ist, wird von den Schaltern über dem Pedal bestimmt. Auch hier sollte die Software nachgearbeitet werden, denn beim Aktivieren des Wah Effekts werden die Höhen allgemein radikal abgesenkt, was gerade bei verzerrten Sounds zu einem erheblichen Pegelverlust führt. Ihr hört im folgenden Beispiel den AB-Vergleich eines verzerrten Sounds, einmal ohne und dann mit Wah-Pedal.
Mit dem Switchboard können je nach Betriebsmodus die Bänke gewechselt, Patches umgeschaltet oder einzelne Effekte ein- und ausgeschaltet sowie der integrierte Echoplex Looper bedient werden. Im Display werden Tuning und Effektintensität angezeigt. Das ist der Wert, der mit dem roten oder blauen Tog-Switch geregelt wird. Beide Pedale werden mit einem Verbindungsstück zur Datenübertragung gekoppelt. Das Ding sieht aus wie ein schwarzer Metallknochen, der auch noch magnetisch ist und eine gute Verbindung und Stabilität garantiert. Auch hier ist Gibson mal wieder neue Wege gegangen.
ZUBEHÖR
Das war ja lange noch nicht alles! Ich hatte die Masse an Zubehör bereits erwähnt, bei der vor allem das leichte und stabile Softcase für die Gitarre positiv auffällt. Aber auch die Tasche mit den weiteren Zubehörteilen ist sehr gut verarbeitet. Wer mit seinem Notebook oder Computer Gitarrenspuren aufnehmen möchte, der wird bei der Firebird X sofort bedient, denn im All-inclusive-Paket ist gleich auch noch ein Audio-Interface dabei. Das wird per USB an den Computer angeschlossen und schon kann aufgenommen werden. Mit Ableton Live Lite Gibson Edition und der vollen Version von Guitar Rig 4 Pro steht auch die entsprechende Software zur Verfügung. Da gibt es nichts zu meckern, man ist auf jeden Fall sehr gut fürs Recording ausgestattet. Die Programme können nach der Registrierung auf der Website heruntergeladen werden, und wer ganz in die Tiefen des Gitarrenprogrammierens einsteigen möchte, der kann sich zusätzlich noch den Firebird X Editor downloaden. Mit ihm lassen sich Soundeinstellungen bequem am Bildschirm vornehmen. Dazu muss die Gitarre mit dem Stereo-Klinkenkabel an das Audio-Interface angeschlossen werden und dieses per USB an den Computer.
Und die diversen Aufbewahrungsmöglichkeiten…
Austin.Powers sagt:
#1 - 18.11.2011 um 02:26 Uhr
Ja vielleicht ist sie nicht bis aufs letzte Detail durchdacht. Das waren PC und Handy aber auch nicht dort gab es immer erst 1 Version dann kamm die nächste und irgendwann hat es gefunzt. Ich finde die Idee hinter der Firebird X serh gut und würde sie mir wenns Geld da wäre auch sofort zulegen. Allein schon der Umfang des Zubehörs ist schon der Wahnsinn wenn mann bedenkt was das alles einzeln von anderen herstellern kosten würde.Fazit ich finds toll was Gibson da gebaut hat und das obwohl ih nicht viele Gibsons gut finde
TobiTob sagt:
#2 - 21.11.2011 um 13:45 Uhr
Ich könnte mir, abgesehen von den schon im Test genannten Schwachpunkten vorstellen, dass das ganze System relativ Serviceunfreundlich ist. Ausserdem ist die Idee mit den in der Gitarre eingebauten Effekten nicht neu - so etwas gab es in den Siebzigern schon. Allerdings hat es sich damals schon nicht durchgesetzt, und meiner Meinung nach wird es das auch heute nicht, besonders angesichts den Preises und der gebotenen Qualität der Effekte.