PRAXIS
Im Sitzen lässt sich eine Flying V naturgemäß relativ unbequem spielen. Also Gurt ran, klassische Rockstarpose und… ah, so ist es richtig bequem und jetzt kann es wirklich losgehen! Die Gitarre pendelt sich automatisch in die richtige Position ein, wozu die leichten Steinberger-Mechaniken sicherlich einiges beitragen. Der Hals des Pfeils zeigt keine Deadspots und auch die höchsten Bünde sind mangels Korpus bestens zu erreichen. Trocken gespielt schwingt die Gitarre laut und mit einem ausgewogenen Mittenschub aus. Dabei besitzt sie, obwohl hier kein Ahorn verbaut wurde, ein angenehmes Höhenbild.
Die Gitarre kam gut eingestellt und mit einer guten Saitenlage bei mir an, sodass ich ohne Umwege ein paar Audiofiles aufnehmen konnte. Wie immer starte ich meinen Praxis-Check mit einem cleanen Fender Deluxe Amp. Ich spiele drei Mal dieselbe Phrase und schalte, beginnend mit dem Hals-Pickup, durch die Positionen.
Die EMGs haben ganz schön Dampf und so ist es nicht möglich, mit dem Amp wirklich cleane Sounds zu produzieren. Es sei denn, ich drehe das Volumen-Poti an der Gitarre herunter, was aber wiederum dazu führt, dass die Höhen reduziert werden. Der Hals-PU klingt ausgewogen, im Bassbereich recht prominent und lässt Anschlagsgeräusche zu. Die Mittelposition hat einen ähnlichen Sound, wobei sie in den tieferen Mitten etwas schlanker daherkommt. Dagegen wirkt der Steg-PU fast schon dünn, was aber verzerrten Sounds ganz bestimmt sehr gut zu Gesicht stehen wird. Dazu aber später mehr. Insgesamt vermisse ich ein wenig die Höhen, in dieser Hinsicht hält sich die Flying V vornehm zurück.
Als Nächstes habe ich eine kleine Oktav Funky-Line zum Besten gegeben, die ampseitig in der Regel gerne etwas “angeschmutzt“ gespielt wird. Dazu habe ich die Mittelposition, also beide Pickups im Synchron-Betrieb gewählt.
Na siehste, geht doch! Ich habe übrigens am Amp nichts an den Einstellungen verändert. Die Gitarre reagiert recht sensibel auf verschiedene Anschlagsstärken und tönt schön rund. Jetzt werde ich dem Hals-Pickup auf die Windungen fühlen.
Ich schnappe mir meinen Marshall JCM 800, stelle einen leichten Crunch ein und spiele eine Picking-Linie. Und so hört sich das Ganze an:
Auch hier vermisse ich leider die Höhen ein wenig – aber eine Vollmahagoni-Gitarre mit Palisander-Griffbrett klingt halt nun einmal so. Für das kleine Picking zwischendurch in einer ansonsten eher verzerrt spielenden Band geht das Ganze aber absolut in Ordnung.
Ich erhöhe jetzt den Zerrgrad am Marshall auf einen satten Crunch.
Für dich ausgesucht
Nun wendet sich das Blatt, die V fühlt sich offensichtlich richtig wohl. Die Mitten geben dem Sound genau den Growl, den er braucht. Natürlich macht die tiefe H-Saite eine ganze Menge Schub, bleibt aber zu jeder Zeit transparent und differenziert hörbar.
Auch beim nächsten Beispiel wird am Amp nichts geändert, aber ich spiele offener als vorher.
Auch bei diesem Riff zeigt die Gitarre ihr wahres Gesicht. Anschläge werden zwar herausgearbeitet, spielen sich aber nicht in den Vordergrund. Ich würde die V in einer Produktion mit einer tiefergelegten Tele oder Ähnlichem doppeln, ganz einfach, weil das Klangbild auf diese Weise „nach oben hin“ erweitert wird. Das ist im Übrigen völlig normal und wird seit Langem genauso gemacht.
Ein Mesa Boogie Rectifier wartet mit Gain-Regler bei 15 Uhr auf seinen Einsatz.
Die Kombination aus Flying V und Boogie würde ich als glückliche Ehe bezeichnen. Der Rectifier ist bekannt für seinen extrem sauberen Bass- und Tiefmitten-Bereich und erzeugt so einen satten, fetten, authentischen und richtig bösen Metal-Sound. Obwohl die V schlanker wird, erhöht sich der Druck. Dieses Phänomen ist der Ausdünnung der Tiefmitten geschuldet. Tiefe Frequenzen haben bekanntermaßen die meiste Energie, und wenn diese im Zaum gehalten werden, rücken die schwächeren, höheren Frequenzen in den Vordergrund, und so klingt es dann unterm Strich eben fetter.
Abschließend noch ein kleines Lick, um die Lead-Qualitäten der Gitarre zu checken. Dazu habe ich einfach die Einstellung vom Beispiel vorher beibehalten.
Bestanden! Die Flying V klingt ausgesprochen dick und setzt sich soundmäßig mit breiter Brust in Szene.