Dass eine der meist gespielten Gitarren aller Zeiten einst seinen Namen tragen sollte, hätte sich Firmengründer Orville H. Gibson sicher nicht träumen lassen. Er selbst hat weder den Siegeszug der Gitarre überhaupt und damit auch nicht den der E-Gitarre, geschweige denn den einer Gibson Les Paul miterleben dürfen, da er bereits 1918 in Alter von 62 Jahren verstarb. Und erst 1935 stellte Gibson nach einigen internen Umbesetzungen und Finanzproblemen die erste elektrifizierte Gitarre vor.
„The Gibson Electric Hawaiian Guitar“ war zwar keine „richtige“ Gitarre, aber der eigentliche Vorreiter einer damals sehr futuristischen Entwicklung, an die zunächst niemand so recht glauben wollte. Mit dem Tonabnehmer der EH-150 wurde zwei Jahre später die Gitarre von Charlie Christian bestückt, dem Gitarristen des Benny Goodman Orchesters, der von da an endlich keine Mühe mehr hatte, sich gegen die Soundwand seiner Bläserkollegen durchzusetzen. 1941 experimentierte der amerikanische Gitarrist Les Paul – eigentlich Lester William Polsfuss – mit den Teilen einer auseinandergesägten Epiphone-Gitarre, deren Korpusflügel er seitlich an ein Ahornbrett ansetzte. Auf dem massiven Mittelstück befestigte er die Saitenhalterung, den Steg und die Tonabnehmer. Mit einem Gibsonhals komplettierte er seine Vision einer Solidbody-Gitarre, die er 1946 dem Gibson-Management vorstellte. Mangels Interesse an diesem ungewöhnlichen Gitarrenkonzept dauerte es bis zur ersten Les Paul, wie wir sie heute kennen, noch bis 1952.
Dass eine solche Konstruktion besonders dem seit den 60er Jahren beliebten verzerrten Gitarrensound zugutekommen würde, konnte Les Paul damals natürlich nicht wissen. Sein persönlicher Sound war ohnehin bis zu seinem Tod am 13. August 2009 ausschließlich clean. Wer die Musik von Les Paul übrigens noch nicht kennt, der hat wirklich etwas verpasst, denn der Mann war so etwas wie der Steve Vai der Fünfziger. Zwar mag das Gros seiner Titel für den heutigen Musikgeschmack etwas angestaubt klingen, aber seine Virtuosität ließ der damals angesagteste Gitarrist der USA immer wieder aufblitzen, wie beispielsweise im Gitarrensolo von „The World Is Waiting For The Sun“ aus dem Jahre 1951.
DETAILS
Die Konstruktion einer Les Paul – und damit auch die unserer Testkandidatin, einer Gibson Les Paul Custom Natural Maple VOS – beruht auf der Grundlage einer ganz normalen Archtop-Gitarre. Diese Bezeichnung gehört eigentlich zu Instrumenten, deren Boden und Decke gewölbt sind und deren Korpus vollresonant, also wie bei einer Akustikgitarre hohl ist. Da eine Les Paul in der Regel über einen massiven Korpus verfügt, gehört sie zwar nicht in diese Kategorie, verfügt aber über die typischen Form-Merkmale einer solchen Gitarre. Dazu kommt ein kleinerer Korpus und ein Cutaway, der das problemlose Spielen bis in die höchsten Lagen ermöglicht. Als die ersten Les Paul Modelle in Serie gefertigt werden sollten, wurden etliche Holz-Kombinationen getestet und man entschied sich letztlich für einen Mahagonikorpus mit aufgeleimter und gewölbter Ahorndecke. Ahorn hat einen direkten und obertonreichen Ton mit viel Sustain, während Mahagoni einen fetten und warmen Sound liefert. Bei einigen Les Paul Modellen wurden die Bodys auch komplett aus Mahagoni gefertigt, wie zum Beispiel beim Peter Frampton Black Beauty Signaturmodell. Die geläufigere Variante ist aber die bewährte Mahagoni/Ahorn-Kombination, die auch bei unserer Testgitarre zum Einsatz kommt. Nicht nur die Decke, auch Korpus und Hals bestehen bei unserer Testgitarre aus absolut erstklassigen Klanghölzern. Das Ganze hat leider auch sein Gewicht, das in diesem Fall mit 4,6 Kilo zu Buche schlägt – nicht die leichteste Les Paul, die ich im Laufe der Zeit gespielt habe.
Die Form einer Les Paul Form bedarf eigentlich keiner besonderen Erklärung, immerhin handelt es sich bei ihr um einen absoluten Evergreen. Fast jeder Gitarrist hat schon einmal eine Les Paul oder wenigstens eine ihrer unzähligen Kopien in Händen gehalten. Unser solider Mahagonibody besitzt eine zweiteilige Ahorndecke, deren Maserung sich dank der farblosen Lackierung sehr attraktiv präsentiert. Nicht nur klanglich möchte diese Les Paul also Akzente setzen, auch optisch unterscheidet sie sich mit ihrem angenehm hellen Holzlook vom Gros ihrer Geschwister, die relativ selten mit einer transparenten Lackierung angeboten werden. Die Gitarre besitzt die typische stark gewölbte Decke, mit der man sich Anfang der 50er Jahre von der Konkurrenz abheben wollte. Ihre Form besitzt zwar keine Klang formenden Eigenschaften, aber Gibson verfügte damals als einziger Hersteller über eine Oberfräse, die diese spezielle Deckenbearbeitung ermöglichte. Dazu verleiht das mehrschichtige Binding dem Instrument einen zusätzlichen edlen Touch.
Der Hals ist mit 22 perfekt abgerichteten und polierten Medium-Bünden bestückt und nach dem Auspacken mussten weder Saitenlage noch Bundreinheit eingestellt werden – die Gitarre war sofort spielbereit. Natürlich ist es sinnvoll, beide Faktoren immer mal wieder zu überprüfen – und ganz besonders bei einem neuen Instrument – aber hier konnte ich nach kurzem Durchstimmen loslegen. Ebenso wie bei Fender gibt es auch bei Gibson unterschiedliche Halsprofile, also die Form und die Dicke des Halses, die bei unserer Kandidatin eine sehr angenehme Customshop-Variante aufweist. Ich persönlich mag kein D-Profil, andererseits aber auch keine zu flachen Hälse. Deshalb kommt mir diese spezielle Les Paul Custom Form sehr entgegen, die weder zu massig noch zu schlank ist. Aber diese Vorlieben sind individuell verschieden und jeder Spieler muss seine Lieblingsform selbst finden. Dass ich mich auf unserer Testgitarre sofort wohlgefühlt habe, liegt wohl auch daran, dass mir das Halsprofil von meiner eigenen Customshop Les Paul her bekannt vorkam. Klar, die Gitarre liegt etwas anders in der Hand und ist rund 600 Gramm schwerer als mein Schätzchen, aber im Grunde genommen tun sich die beiden nicht viel und sind sehr angenehm zu bespielen. Im Gegensatz zu den meisten Les Pauls ist der Hals bei dieser Gitarre mit einem Ahorngriffbrett ausgestattet. Normalerweise verwendet Gibson bei der klassischen Les Paul Halskonstruktion eine Kombination aus Mahagoni und Ebenholz, was sich natürlich auch auf den Klang auswirkt. Das Ahorngriffbrett bringt einen zusätzlichen Schub in Richtung Obertonverhalten und Direktheit, was sich vor allem bei der Durchsetzungsfähigkeit im Bandgefüge bemerkbar macht. Die abgewinkelte Kopfplatte beherbergt sechs Grover-Mechaniken, die funktional und optisch bestens zum Instrument passen.
Die komplette Hardware inklusive Tonabnehmerkappen ist vergoldet. In puncto Saitenführung verlässt man sich auf Altbewährtes. Die Tune-O-Matic Bridge ist mit zwei Rändelschrauben in der Höhe verstellbar und beheimatet sechs Böckchen, die mit einem Schraubendreher zur Justierung der Bundreinheit verstellt werden können. Dahinter befindet sich der Saitenhalter, der ebenfalls höhenverstellbar ist, um je nach Geschmack einen mehr oder weniger starken Druck auf den Steg auszuüben. Die beiden Pickups sind mit ihren Kunststoffrähmchen direkt auf der Decke befestigt und werden mit dem Dreiwege-Schalter angewählt, der in bewährter Position oberhalb des Griffbrettansatzes zu finden ist. Die beiden Alnico Tonabnehmer heißen 490R und 498T und entsprechen den alten 57er Modellen mit einem etwas stärker ausgeprägten oberen Mittenbereich. Die passive Regeleinheit sitzt traditionell unterhalb des Saitenhalters und stellt wie gewohnt jedem Pickup je einen Lautstärke- und einen Tonregler zur Seite. Die Schaltung ist nach Entfernen einer Kunststoffabdeckung vom Boden her erreichbar.
Fepo sagt:
#1 - 13.04.2012 um 13:16 Uhr
Alleine der Anblick dieser Gitarre treibt mir
die Schweißperlen auf die Stirn.Aber 3000 euro ist schon sehr viel Geld für
Otto Normalverdiener.Wer Berufsmusiker ist, sollte schon so ein Instrument besitzen um die Zuhörer zu verwöhnen ;)
Hubert sagt:
#2 - 16.04.2012 um 01:06 Uhr
Sorry, aber in den Soundbeispielen habe ich nichts gehört was 3000,-€ rechtfertigen würde.
Nicht mal annähernd. Da gibt es unzähliges besseres für deutlich weniger Geld.
Aber der Verstärker hat mir sehr gefallen.
Rainer sagt:
#3 - 16.04.2012 um 18:09 Uhr
Die ist ja mal richtig hässlich! brrrrr
Hanno sagt:
#4 - 17.04.2012 um 17:28 Uhr
Geile Gitarre, leider hab ich gerade nicht das nötige Kleingeld.