Mit der Gibson Les Paul Standard 50’s Faded präsentiert sich ein Klassiker aus der goldenen Zeit der amerikanischen Traditionsfirma. Die Fünfziger waren bekanntlich nicht nur das Jahrzehnt des Rock’n’Roll, sondern auch die Geburtsdekade der Les Paul. Sie war das Ergebnis der fruchtbaren Zusammenarbeit von Gibson mit Lester Polsfuss, genannt Les Paul. 1952 war ihr allererster Auftritt und seitdem vollzog sie einen regelrechten Siegeszug durch die Musikgeschichte.
Freunde von Vintage-Instrumenten werden bei dem mir vorliegenden Reissue auch optisch ganz auf ihre Kosten kommen, denn anstelle einer Hochglanzlackierung setzt Gibson beim Testkandidaten auf einen dezenten und dünnen “Faded” Satin-Nitrolack, der dem Instrument einen leicht ausgeblichenen Used-Look verleiht und den Eindruck vermittelt, als sei die Paula schon eine Weile in Betrieb. Wir wollen hier herausfinden, ob es Gibson gelungen ist, die traditionellen Vorzüge in die Moderne zu katapultieren.
Korpus
Die Gibson Les Paul Standard 50’s Faded präsentiert sich mit dem Paula-typischen Single-Cut-Mahagonikorpus mit AA-Riegelahorndecke und cremefarbenem Binding. Das matte Vintage Honey Burst, das nach außen hin gleichmäßig zu einem dunkleren Braunton verläuft, wirkt optisch sehr attraktiv und lässt die Holzmaserung dezent durchscheinen. Der “Faded”-Look dient in aller Regel verschiedenen Zwecken: Einerseits können Gitarren günstiger produziert werden, da aufwändige Klarlackschichten entfallen, andererseits wird die Vintage-Optik in der Regel als sehr ansprechend empfunden. Besonders ausschlaggebend ist für viele jedoch der vermutete klangliche Einfluss, der in einem transparenten und lebendigeren Schwingungsverhalten resultieren soll. Das Finish wurde der Testkandidatin tadellos aufgetragen und insgesamt wirken sowohl Optik als auch Haptik sehr ansprechend und wertig.
Neben der Elektrik, auf die ich später zu sprechen komme, finden sich auf dem Korpus noch die vernickelte ABR-1 Tune-o-matic Bridge zum Einstellen der Bundreinheit sowie das für diesen Gitarrentypus übliche Stop-Bar-Tailpiece.
Die Rückseite offenbart den geleimten Hals-Korpusübergang auf Höhe des 16. Bundstäbchens samt Halsfuß, an dem jedoch keine Verjüngung stattfindet. Rückseitig schützen zwei schwarze Plastikabdeckungen die Elektrik der Potis und des Dreiwegschalters. Die Gurtpins sind an den üblichen Stellen an den Zargen angebracht, um das Gewicht von 3,7 kg bequem balancieren zu können. An der unteren Zarge befindet sich auch die Klinken-Eingangsbuchse auf einer cremefarbenen Buchsenplatte.
Hals
Beim einteiligen Hals fiel die Wahl auf Mahagoni, dem ein ebenfalls einteiliges Palisandergriffbrett aufgeleimt wurde. Darauf finden sich neben den Trapezeinlagen in Perlmuttoptik 22 Medium-Jumbo-Bünde, die allesamt sehr gut abgerichtet, poliert und verrundet sind. Die Sattelbreite schlägt übrigens mit 43 mm zu Buche. Die Halskanten sind wie der Korpus mit einem cremefarbenen Binding garniert, das zwar sauber aufgetragen wurde, aber dennoch unerfreulicherweise eine leichte Kante zur Halsrückseite bildet.
Da in den 50er-Jahren das später etablierte “Slim Taper”-Profil noch nicht üblich war, schlägt der Hals trotz seines bequemen 12″ Radius, der 628 mm Mensur und dem sehr bequemen Profil mit etwas kräftigeren Maßen zu Buche. Manchen Usern mag das unter Umständen zu dick sein, andere wiederum stehen jedoch extrem auf diese alte, “fleischigere” Halsform der traditionellen Paulas.
Über einen weißen, tadellos eingearbeiteten Graph-Tech-Sattel werden die Saiten zur schwarzen Kopfplatte geführt, die mit dem Gibson-Logo versehen ist. Eine schwarze Plastikabdeckung mit „Standard”-Schriftzug führt zum Halsstab, der ab Werk perfekt eingestellt ist. Wer es hier etwas puristischer mag, findet im Zubehör in einer unbeschrifteten Abdeckplatte eine gute Alternative. Für die Stimmmechaniken kommen die hauseigenen Gibson Deluxe Vintage Tuner mit Keystone-Köpfen zum Einsatz, die in symmetrischer 3/3-Anordnung angebracht sind und sehr stabil arbeiten.
Elektrik
Die 50er Paula ist mit zwei Alnico II Burstbuckern ausgestattet, jenem Humbucker, der frühe PAFs imitiert und zu diesem Zwecke leicht asymmetrisch gewickelt wird, um die Fertigungsschwankungen früherer Tonabnehmer abbilden zu können. Die Burstbucker zeigen sich grundsätzlich etwas moderater als moderne Humbucker und teilen sich in Burstbucker 1-3 auf, wobei die 1er Version, wie bei unserer Kandidatin, als ausgangsschwächster Vertreter am Hals sitzt. Der etwas heißere Burstbucker 2 wurde hingegen in der Stegposition verdrahtet. Übrigens hat man beim Testmodell die Pickupkappen weggelassen und erhält so einen freien Blick auf die schwarzen Tonabnehmer mitsamt cremefarbenem Pickuprahmen. Auch die Verdrahtung ist traditionell gehalten und man bekommt mit dem Pickupwahlschalter, der mit einer cremefarbenen Rosette eingefasst ist, die bekannten drei Positionen: Steg, Steg und Hals parallel ungesplittet und Hals. Zu jedem Tonabnehmer gehören ein Volume- und ein Tone-Poti, wobei für die Potiknöpfe “Gold Top Hats” mit klassischen Markern aus Metall verwendet werden. Anstelle der etwas unschönen Steckplatinen vergangener Jahre setzt Gibson nun auch wieder auf eine handverdrahtete Elektrik mit Orange-Drop-Kondensatoren.
Zum Lieferumfang gehören ein brauner Koffer samt Schlüssel, Manual, Multitool, Ledergurt und Ersatzabdeckung für die Halsschraube sowie ein Mikrofasertuch zum Reinigen des Instruments.
Olaf sagt:
#1 - 12.12.2023 um 22:25 Uhr
Schöner Test! Wundere mich immer, dass ich auch nach tausenden (gelesenen) Gitarrentests sowas noch lesen kann, ohne gelangweilt zu sein. Hat sicher auch was mit den Verfassern zu tun. Ein Satz ist allerdings etwas missverständlich. Ihr schreibt "auch die Verdrahtung ist traditionell gehalten". Hat die Gitarre denn ein "50s Wiring"? Weil das wäre ja meines Wissens traditionell bzw. "period correct".
Christoph sagt:
#2 - 29.03.2024 um 09:57 Uhr
Super Test, da kann ich Olaf nur zustimmen. Aber genau die Info zum 50s Wiring oder Modern Wiring habe ich ebenfalls vermisst. Gibt es denn dazu schon eine Antwort?