Praxis
Bei einer Gold Top von Gibson USA, die im Handel für weniger als 800 Euro zu haben ist, sind naturgemäß ein paar Abstriche fällig. So wird die goldene Paula lediglich mit einem Gigbag ausgeliefert, der übliche Formkoffer gehört nicht dazu. Natürlich ziehen es einige von uns ohnehin vor, das Instrument über die Schulter hängen zu können. Für den ruppigeren Einsatz im Bandbus wäre der stabile Koffer natürlich die sicherere Variante.
Wichtig: In den Hörbeispielen werden die Tonabnehmer-Kombinationen mit Zahlen wie folgt angegeben.
1 Steg-Tonabnehmer
2 Beide Pickups
3 Hals-Tonabnehmer
Wie üblich werden wir uns zu Beginn des Praxisteils die unterschiedlichen Pickup-Kombinationen bei unverzerrtem Sound anhören. Die Mini-Humbucker haben ein etwas schwächeres Ausgangssignal als ein normaler Humbucker-Pickup, aber das ist kein Drama, denn mit etwas mehr Gain am Amp klappt es auch hier problemlos mit dem Verzerren. Aber dazu kommen wir später, hier erst einmal die drei Cleansounds.
Der Halstonabnehmer hat ein sehr starkes Bassfundament, während der Steg-Pickup genau das Gegenteil darstellt. Die mittlere Position mit beiden Tonabnehmern bringt für mein Empfinden tatsächlich die goldene Mitte, er ist zwar etwas schwächer im Bassbereich als der Hals-Pickup allein, liefert aber insgesamt ein sehr ausgewogenes Frequenzbild. Der warme Ton des Halspickups passt sehr gut zu Jazz- und Blues-Sounds, bei Akkorden erhält man einen fülligen Klang, der aber immer noch genügend Höhen bietet, um sich bei Solo-Sounds durchzusetzen. Außerdem ist die Klangübertragung sehr gut, Anschlagsvarianten und Dynamik werden optimal an den Verstärker weitergeleitet. So klingt es im Blues Duo.
Die mittlere Position mit beiden Pickups präsentiert sich mit einer entsprechenden Einstellung am Amp (die Bässe leicht zurückgenommen) sehr knackig und lädt zu groovigen Rhythmus-Passagen ein. Die 70s Tribute Gold Top ist zwar nicht zu vergleichen mit einer schlanken Tele mit spritzigem Attack – unser Testmodell ist in dieser Disziplin etwas träger und weniger perkussiv. Aber eigentlich klingt sie genau so, wie wir das von einer Les Paul erwarten, mit mehr Sustain und fettem Ton. Hier die Gitarre bei der Rhythmusarbeit über einen AC30.
Der Bridge-Pickup kommt bei Verzerrung so richtig in Fahrt. In dieser Disziplin zeigt sich der etwas schwache Bassbereich eigentlich sehr hilfreich, denn das Instrument kommt recht schlank und sehr durchsetzungsstark aus dem Lautsprecher. Im folgenden Beispiel hört ihr den Steg-Tonabnehmer mit einem leicht angezerrten AC30.
Auch bei Mid-Gain Sounds macht die Gitarre eine gute Figur, aber so ganz hundertprozentig können mich die Pickups bei dieser Variante nicht überzeugen. Im Vergleich zu diversen Les Pauls mit „großen“ Humbuckern fehlt mir bei der 70s Tribute etwas die Wärme in den unteren Mitten, ihr Klang wirkt ein wenig pappig.
Dieser Ton lässt sich durch das Drehen am Ton-Poti beeinflussen, bei komplett zugedrehtem Regler wird er leicht quakig und erinnert ein wenig an ein Wah-Pedal in fest eingestellter Position. Wer auf den weinerlichen Clapton-Woman-Tone steht, der wird hier weniger fündig, wer aber Santana als Vorbild hat, kommt seinem Klangideal etwas näher. Ihr hört im folgenden Beispiel den Steg-Pickup, zuerst mit voll aufgedrehtem, dann mit komplett zurückgenommenem Tone-Poti.
Wo wir gerade bei den Potis sind, wollen wir uns einmal dem Aktionsradius des Lautstärkereglers widmen. Während als Klangregler ein nicht-lineares Poti dient, bei dem die Höhenabsenkung ab 2 kHz am Anfang des Regelweges nicht so stark ist und erst ab der Mitte zunimmt, arbeitet der Lautstärkeregler linear. Hier geht es also gleichmäßig von laut nach still oder umgekehrt. Um zum Beispiel den Mid Gain Sound der vorangegangenen Beispiele (Marshall Plexi) zu zähmen, muss man den Volume-Regler relativ weit zurücknehmen. Bei einer Einstellung von 3 klingt es dann annähernd clean. Genau das gibt es im nächsten Beispiel zu hören, der Volume-Regler steht zuerst auf 3, dann geht es unter dem Motto Volldampf voraus bis auf 10.
Auch bei diesen Sounds gefällt mir die Übertragung der Tonabnehmer sehr gut, sie bieten eine transparente Wiedergabe, keine Aktion an den Saiten geht verloren, alles wird an den Amp übertragen. Auch im Zerrbereich machen die Pickups in der dynamischen Abstufung eine gute Figur. So lässt sich der Mid Gain Sound auch per Anschlag fast in den Cleanbereich fahren, wie beim nächsten Beispiel zu hören ist. Die drei Durchgänge des Riffs werden nacheinander zuerst leicht mit den Fingern, dann etwas härter und zum Schluss hart mit dem Pick gespielt. Die unterschiedlichen Facetten des erzeugten Gitarrentons werden optimal umgesetzt.
Zum Abschluss geht es noch einmal durch alle drei Pickup-Kombinationen, diesmal mit einem High-Gain Sound aus dem Highes & Kettner Duotone. Dabei fällt der stark ausgeprägte Bassbereich des Hals-Pickups nicht so dramatisch auf wie bei den Cleansounds. Die Gitarre liefert in dieser Disziplin einen körnigen Sound, andere Les Pauls sind da etwas wärmer. Aber es ist wie immer Geschmacksache, welche Klangcharakteristik man bevorzugt.