Gibson und alle Firmen, die solch schöne Gitarren, wie die SG 61 Reissue Worn Cherry herstellen, sind von folgender Problematik betroffen:
Dass der Vorrat an Hölzern vor allem aus den Tropen nicht unerschöpflich ist, gehört inzwischen zum Allgemeinwissen. In besonderem Maße trifft diese Knappheit die Hersteller von Saiteninstrumenten, weil seit Menschengedenken zum Beispiel Griffbretter aus diesen Materialien bestehen. Betroffen sind vor allem die großen Produzenten, bei denen entsprechende Mengen an Tonholz wie zum Beispiel Palisander oder Ebenholz verarbeitet werden. So heißt es für Gibson & Co. neue Wege zu finden, um damit die Umwelt zu schonen und auch die eigene Zukunft zu sichern.
Umdenken ist also angesagt und deshalb forcierte bei Gibson die eigene Entwicklungsabteilung die Forschung an Technologien, von denen man hofft, dass mit ihrer Hilfe bestimmte tropische Hölzer ersetzt werden können. Und das mit Erfolg. So ist unsere Testkandidatin, eine Gibson SG 61 Reissue Worn Cherry, eines der Instrumente, das zumindest teilweise von dieser Kehrtwende profitiert.
DETAILS
SG steht bekanntlich für Solid Guitar und damit für ein Instrument, das 1961 die Les Paul ersetzen sollte. Heute kaum vorstellbar, aber Gibson wollte neue Wege gehen und so auf die Fender Stratocaster reagieren, die im Gegensatz zur Les Paul ohne gewölbte Decke wesentlich schlichter gebaut war. Mit ihren beiden Cutaways sollte die Gitarre moderner aussehen und nicht an Jazzgitarren erinnern. Glücklicherweise werden seit 1968 beide gebaut, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Die SG besteht aus zwei Mahagoni-Teilen, verzichtet aber auf eine zusätzliche Decke. Auffälligstes Merkmal ist sicherlich die Korpusform mit ihren fast symmetrischen Hörnern. Unsere Testkandidatin ist mit einer Satin Worn Cherry Nitrolackierung versehen, und zwar so dünn, dass die Maserung des Holzes wunderbar durchscheint. Wahlweise gibt es sie auch in Worn Brown und in Satin Ebony.
Die Hardware, die auf dem Korpus beheimatet ist, besteht aus den beiden 57 Classic Humbuckern mit Alnico II Magneten, einer ABR-1 Tune-o-matic Brücke samt Stop Tailpiece, jeweils zwei Volumen- und Ton-Potis, der Eingangsbuchse für die Gitarre, einem schwarzen kleinen Schlagbrett sowie einem Dreiweg-Schalter, der nicht Les Paul typisch oberhalb der Pickups, sondern zwischen Pickguard und Potis seinen Platz gefunden hat. Wie bei fast allen Gitarren sitzt ein Gurtpin am unteren Korpusende, der zweite allerdings am Halsfuß. Gibson-üblich ist der Mahagoni-Hals mit dem Korpus verleimt und bietet nahezu freien Zugang selbst in die höchsten Lagen. Er besteht aus einem Stück, wobei an der Kopfplatte pro Seite jeweils ein etwa zwei Zentimeter breites Stück angeleimt wurde. Die Mensur von 628 mm und die Sattelbreite von 43 mm sind identisch mit den Maßen einer Les Paul. Soweit ist alles wie gehabt.
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Die Besonderheit zeigt sich bei unserer SG beim Griffbrett, denn hier kommt nicht wie sonst üblich Palisander oder Ebenholz zum Einsatz, sondern sogenanntes “Baked Maple“. Auch wenn Puristen Neuerungen dieser Art gerne für einen Frevel halten und nicht selten gleich den Untergang traditioneller Gitarrenbaukunst befürchten – wo wären wir ohne alle die Innovationen, die uns seit der Erfindung einer Les Paul oder einer Strat das Musikerleben erleichtert haben?
Aber was genau hat es sich mit diesem Baked Maple auf sich? Bei diesem bekannten Verfahren – auch Torrefizierung genannt – wird Holz unter Hitzeeinwirkung verdichtet und ihm wird Wasser entzogen. Dabei entsteht ein sehr witterungsbeständiger und widerstandsfähiger Werkstoff, der in ähnlicher Form nicht nur bei Gibson im Instrumentenbau verwendet wird. Ahorn, das diesem Verfahren unterzogen wird, nimmt eine dunklere Farbe an und wirkt danach optisch tatsächlich wie Palisander. Zurück zum SG-Hals: Die Form würde ich als sattes D bezeichnen, ohne dass man aber das Gefühl hat, einen durchgesägten Baseballschläger in der Hand zu halten. Gibson nennt das übrigens “slim tapered“.
Das Griffbrett beheimatet 22 makellos eingesetzte Medium-Bünde, während das cremeweiße Binding an der Oberkante zur Orientierung mit schwarzen Punkten besetzt ist. Dem gleichen Zweck dienen die neun trapezförmigen Einlagen aus Acryl, die das Griffbrett zieren. Wie der Korpus ist auch die Halsrückseite in Satin Worn Cherry lackiert, was ihr ein sehr natürliches Spielgefühl verleiht. Die Kopfplatte ist angewinkelt, matt-schwarz lackiert und mit dem obligatorischen Gibson-Schriftzug samt Logo aus Perlmutt versehen. Sechs “Tonepros tulip bottom“ Kluson Style Mechaniken sorgen für die exakte Stimmung, die tulpenförmigen Knöpfe sind cremeweiß. Den Zugang zum Halsstab verschließt eine glockenförmige schwarze Kunststoffabdeckung, die von zwei kleinen Schrauben gehalten wird. Die Verarbeitung des Instruments ist insgesamt tadellos.