Praxis
Golden Age Premium GA-800G: Inaugenscheinnahme
Schält man das Golden Age Premium GA-800G aus seinem Transportkoffer, wird deutlich, wie nah am Orignal hier gearbeitet wurde. Erst im Direktvergleich kann deutlich werden, wie sich die leicht unterschiedlichen Materialien auswirken. Die Schraube, die das Kühlergebilde rückseitig fixiert, ist der auffallendste Unterschied, ebenso der frontseitige Schalter, mit dem die rückseitige Membran mit in den Signalpfad genommen wir, um aus den beiden Nieren eine Kugel zu formen. Bei der Betätigung dessen bilden sich kurz kleine Gewitterwolken vor meiner Stirn: Die taktile und optische Rückmeldung ist nicht perfekt, es scheint, als sei die Schaltereinheit im Testmikrofon nicht perfekt fixiert. Das Sony benutzt einen andersartigen Schalter, den man mit einem Hilfsmittel betätigen muss. Die weitere Herstellungsqualität des GAP GA-800G ist jedoch ohne Fehl und Tadel.
Klangliche Eigenschaften
Das Mikrofonsignal des GAP GA-800G ist von höchster Qualität, technisch wie charakterlich. Zunächst einmal technisch: Für ein Röhrenmikrofon ist es auffallend rauscharm bei gleichzeitig hoher Pegelfestigkeit. Wirklich hervorragend ist die peinlich genaue Detaildarstellung, die jeden nicht exakt gleich produzierten Konsonanten von Stimmen oder Attack von Instrumenten aufzeigt – und damit Kleinmembraneigenschaften besitzt. Die Tiefen sind groß, dabei aber nicht weich, und irgendwie schafft es das Mikrofon, gewichtige Bässe, feinluftige Höhen und kernige, griffige, geradezu greifbare Mitten mit einer gewissen Weichheit zu kombinieren. Eigentlich klingt das paradox. Zudem ist es so, dass das mit dem Golden Age Project aufgenommene Signal eine konstante Anreicherung erfährt und der Schärfebereich nicht nur pegelmäßig leicht reduziert wirkt, sondern auch etwas behäbiger wirkt. Das ist nicht negativ gemeint, denn sonst kalte und sehr analytisch dargestelltes Geschehen im Signal werden dadurch ein wenig verbreitert – bei der Stimme sind es besonders [s] und [t], aber auch andere Konsonanten. Was viele preiswertere Mikrofone über Pegelrücknahmen und grob gepinselte Harmonische zu erreichen versuchen: Hier klappt es mit dem „Mix-Ready“. Der tatsächliche Raum wird durch die in den Höhen recht eng werdende Niere etwas zurückgenommen, bleibt aber sehr detailliert. Das ist ganz so, wie man es bei zu trockener akustischer Aufnahmeumgebung oft im Mixdown von seinem Plug-in oder Effektprozessor wünscht. Damit nicht genug der Lobpreisung: Das GAP GA-800G behält seinen Charakter über das gesamte Pegelspektrum bei, fährt aber kurze Spitzen gezielt und schnell in die Sättigung.
Je näher man dem GAP kommt, desto stärker tritt nicht nur der Proximity-Effekt-induzierte Tiefbass in den Vordergrund, sondern auch eine drückende Präsenz, wie man sie vom – man möge mich für den Vergleich bitte nicht steinigen, zumindest nicht ohne ein faires Gerichtsverfahren! – Shure SM7B und SM58 kennt. Auch sehr nah neigt das GA-800G nicht zum Wummern und Dröhnen. Für sehr intime Stimmungen und sehr leise Vocals hat ein U 67 vielleicht ein wenig häufiger die besseren Karten. Die besten Erfahrungen mit dem GAP habe ich mit einem Besprechungsabstand von 15 bis 30 cm machen können. Bei diesen Entfernungen sind entweder ein Poppschutz, eine hohe Mikrofondisziplin oder nichtfrontale Mikrofonierung nötig.
Kurzum: Das GA-800G ist ein Mikrofon mit absolut edlen, hochwertigen Klangattributen, welches sich für eine Vielzahl Stimmen und Anwendungsfälle eignet. Aber eben nicht für alle: Das GAP als alleiniges Großmembranmikrofon für Allround-Aufgaben in einem Mietstudio mit seiner wechselnden Besetzung wäre eine sehr „schräge“ Lösung. Steht als Alternative beispielsweise ein U 87 bereit, wäre das zumindest sinnvoll. Und natürlich lässt sich das Golden Age Project GA-800G auch an Instrumentensignalen anwenden, ich hatte es an akustischen Saiteninstrumenten, Verstärkern und einem Holzblasinstrument verwendet und kann es mir für besondere Aufgaben dort sehr gut vorstellen, seine klanglicher Duktus machen jedoch klar, dass es besonders für die gesungene Stimme konzipiert wurde. Problem: Egal, wie viele Mikrofone man schon zur Verfügung hat, ein 800er will man haben, wenn man es gehört hat.
How big is the „GAP-Gap“? – Sony C-800G vs. GAP GA-800G im Riverside
Nach den ersten Tests ging es mit dem Golden Age Premium GA-800G in den großen Aufnahmeraum der Riverside Studios Cologne. Der in der Nähe des Kölner Rheinauhafens und des Schokoladenmuseums gelegene Tonstudiokomplex von Ralf Kemper ist neben seinen hochkarätigen Engineers/Producern, seiner Akustik und seinem “Gear” auch für die exquisite Mikrofonsammlung bekannt, in der sich unter anderem mehrere Sanken und ein Sony C-37A befinden. Im Riverside wurden GAP und Sony nebeneinander an zwei Starbird-Stative von Triad-Orbit gehängt. Vor den Mikrofonen stand Chul-Min Yoo, den man hier auf bondeo bei einer Vielzahl Mikrofontests singen hört. Die Audiofiles wurden mit einem Stagetec Truematch RMC vorverstärkt und gewandelt (in einem Schritt, da der RMC mit hoher Auflösung digital konvertiert und nicht erst noch analog hochverstärkt).
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Eine der wichtigsten Aussagen hat sicher die erste Vorgehensweise, bei der die beiden Mikrofone Seite an Seite standen und mit exakt gleichem Abstand und aus gleichem Winkel (fast axial) besungen wurden (Das sind die axialen Audiofiles mit Nierenpattern und axialer Besprechung mit einem Abstand von 30 cm oder mehr.). Das Ergebnis ist erstaunlich. Wer mag, kann in diesem ersten File einmal versuchen zu erkennen, wann zwischen Sony und GAP umgeschaltet wird. Schwierigkeitsgrad zwei wäre dann das Auseinanderhalten von Clone und Original. Die Auflösung gibt es unten auf der Seite unter dem Sternchen.
Die Tatsache, dass schon Teil eins der „Aufgabe“, nämlich das Erkennen des Schaltzeitpunktes, nicht gerade einfach ist, spricht wohl eine klare Sprache: Der C-800G-Clone von Golden Age Premier ist charakterlich sehr nah am Original – so nah, dass alle in der Regie die Augen zusammengekniffen und angestrengt gehört haben, um Unterschiede auszumachen.
Bei häufigem Hören fällt auf, dass das Golden Age GA-800G minimal (und zwar wirklich minimal) schlanker, aber auch straffer und etwas konkreter im Bass agiert. Dies kann Netzteil und Spinne zugewiesen werden, die im Testbetrieb aber nicht getauscht wurden – und diese Unterschiede liegen in einem Bereich, der innerhalb der typischen Serienstreuung liegt. Das bedeutet im Klartext: Selbst Einzelmikrofone eines hochwertigen, gematchten Stereopärchens unterscheiden sich eigentlich immer so stark wie hier Original und Clone bei axialer Besprechung in den gewählten Einstellungen. Meine beiden gematchten DPA 4009 und Coles 4038 beispielsweise besitzen ebenfalls derartige kleine Unterschiede. Auch im Hochmittenbereich lassen sich kleinere Abweichungen von Clone zu Original feststellen. Dass das Sony minimal offener wirkt und „kaum nachweisbar“ mehr „Sparkle“ liefert, ist aber tatsächlich zu vernachlässigen: Diese Unterschiede sind um ganze Größenordnungen geringer als die Charakterunterschiede zu jedem anderen Mikrofontypus.
Die bisherigen Audiobeispiele besitzen einen geringen Anteil nicht axial eintreffenden Schalls. Erweiterte Aussagen über das Mikrofon liefern die Audiofiles, bei denen der Raum eine größere Rolle spielt (also die Kugelstellung und weitere Abstände zwischen Schallquelle und Mikrofon) sowie bei seitlicher Besprechung. Interessant ist, dass das Sony bei aus 45 Grad eintreffendem Schall deutlich stärkere Färbung aufweist als das GAP. Die Besprechung aus genau diesem Winkel verdeutlicht dies gut. Bei aus 90 Grad eintreffendem Schall fällt auf, dass beide Mikrofone über einen recht starken „Beam“ verfügen, also eine durchaus starken Höhenabfall des Patterns mit steigendem Schalleinfallswinkel. Dadurch ist die Kugel schon sehr früh achtförmig, merklich ist das schon ab dem Präsenzbereich. Im Direktvergleich von Sonys Original und dem GAP GA-800G wird deutlich, dass der Clone bei nicht genau frontalem Schalleintritt ab den Hochmitten mit ein wenig geringerem Pegel überträgt.
(*Auflösung des “Switch”-Rätsels zwischen Sony und GAP: Es wird ständig hin und hergeschaltet, teilweise zischen den Silben. Das erste Mikrofon ist das Original, der erste Wechsel findet nach dem Wort “sorry” statt.)