Das Abhören über Kopfhörer ist prinzipiell eine unnatürliche Situation. Linker und rechter Kanal werden nahezu isoliert wahrgenommen, und die Lautsprecher sitzen direkt auf den „Löffeln“. Das strengt an, erschwert das räumliche Hören und verleitet zu Fehlern im Mix. Das CanOpener-Plug-in von Goodhertz verspricht Abhilfe.
Es gibt verschiedene Ansätze, diesem Problem entgegenzuwirken. Einige Hersteller versuchen es beispielsweise durch spezielle Anordnung der Schallwandler im Kopfhörer, andere erzeugen künstliches Übersprechen von linkem und rechtem Kanal (sogenanntes Crossfeed) im Kopfhörerverstärker oder, wie in unserem Fall, innerhalb eines Plug-ins. Wir wollen wissen, wie gut der CanOpener arbeitet.
Details + Praxis
Alle Plug-ins der Herstellers lassen sich nach Erstellen eines Accounts herunterladen und dann für eine 15-tägige Testphase aktivieren – und bei Bedarf für den Dauerbetrieb freischalten. Wie alle Plug-ins von Goodhertz gefällt auch CanOpener durch seine minimalistische Benutzeroberfläche, die ohne grafischen Firlefanz flottes und effektives Arbeiten unterstützt.
Zunächst zur Namensklärung: Kopfhörer werden im anglophonen Sprachraum auch salopp Can genannt, zu deutsch: Büchse. Der Büchsenöffner, mit dem wir es hier zu tun haben, soll also das Klangerleben mit dem Kopfhörer öffnen, es transparenter und räumlicher gestalten. Dazu erzeugt das Plug-in die gerade erwähnten Crossfeed-Signale.
Doch wozu eigentlich ein eigenes Plug-in für ein bisschen Übersprechen? Zum Verständnis helfen folgende Überlegungen: Wenn man sich in einer idealen Abhörposition im Stereodreieck zweier Lautsprecher befindet – dem sogenannten Hot Spot –, erreichen die Signale beider Lautsprecher beide Ohren. Allerdings kommt das Signal der linken Box am rechten Ohr etwas später an als am linken Lauscher — und umgekehrt. Ebenso sind, unter anderem laufzeitbedingt, spektrale Abweichungen an beiden Ohren festzustellen.
Genau diese Phänomene setzt das Plug-in mit seinen Algorithmen um. Zur Feinabstimmung bietet der CanOpener daher einige Parameter. Amount regelt die Intensität des Crossfeed-Effekts und Angle den Aufstellwinkel des virtuellen Lautsprecherpaars. Auch einen Parameter für den Realismus gibt es, er arbeitet in den Modi Standard, More Realistic und Most Realistic. Mit dem doppelten Shelving-EQ (20 -1000 Hz / 1000 – 20000 Hz), +/- 9 dB) lässt sich schließlich Tuning-Maßnahmen begegnen, mit denen manche Hersteller ihren Kopförern zu mehr Bass oder Höhen verhelfen wollen.
Für dich ausgesucht
Die Parameter Mono, Flip L/R, Polarity, Dim, Balance und Output kennen wir aus der Monitoring-Sektion jedes gut sortierten Studios. Einige tontechnische Anwendungen lassen sich anhand der Monitoring Presets der folgenden Abbildung erahnen.
Klang
Der CanOpener verrichtet seinen Job tadellos. Das Plug-in produziert zwar keinen „Mördersound“, dafür ist der Mix-Engineer zuständig. Auch werden keine zusätzlichen Räume emuliert. Vielmehr gewinnt der Sound bei der Wiedergabe mit dem Kopfhörer an Natürlichkeit. Ich habe für diesen Test diverse Kopfhörer meiner Sammlung von 150 bis 1500,- Euro verwendet. Mit Ausnahme des AKG K812, bei dem die Natürlichkeit schon eingebaut ist, profitieren alle Modelle vom Goodhertz CanOpener. Um optimale Ergebnisse zu erzielen ist jedoch eine Feinabstimmung für jedes Modell ratsam. Eine Klangfärbung durch den Einsatz der Crossfeed-Funktion ist für mich nicht wahrnehmbar, dennoch bevorzuge ich den eher dezenten Einsatz.
Einbindung
In der Regel wird man den CanOpener als letztes Glied in der Stereosumme einsetzen. Der einfachste Weg hierzu ist, ihn als letzten Insert auf dem Main-Out zu platzieren Das hat jedoch verschiedene Nachteile, zum Ausspielen der Summe müsste man das Plug-in beispielsweise zunächst deaktivieren.
Eleganter ist es, sich einen separaten Abhörbus einzurichten, das genaue Vorgehen ist von der DAW abhängig. Exemplarisch habe ich in der folgenden Abbildung ein mögliches Routing zwischen Apple Logic Pro X und meinem Apogee Duet2 erstellt, in welchem der CanOpener lediglich auf den Kopfhörerausgang Einfluss nimmt.
iOS-Variante
Den CanOpener gibt es auch für iOS-Devices, er kostet dann nur wenige Euros. Die CanOpener-App greift auf die geräteinterne Musikbibliothek zurück und ersetzt den üblichen Musik-Player. Eine IAA- bzw. Audiobus-Version, mit der eine Integration in andere Apps möglich wäre, ist nicht geplant.
Was gefällt?
Der CanOpener / Studio (so heißt die Plug-in-Version mit vollem Namen) hält, was er verspricht. Die Natürlichkeit der Kopfhörerwiedergabe nimmt deutlich zu, und das mit jedem Kopfhörermodell. Qualitätsunterschiede zur Crossfeed-Funktion mir vertrauter Hardware etwa von SPL kann ich nicht feststellen. Weiterhin ermöglicht der Equalizer eine einfache Entzerrung der Wiedergabeeigenschaften.
Was gefällt nicht?
Bislang gibt es den CanOpener lediglich als 64-bittiges AU- und AAX-Modul. Die VST-Version ist laut Hersteller aber bereits in Arbeit.
Fazit
Der CanOpener / Studio von Goodhertz ist kein Gimmick, sondern ein großer Zugewinn für alle, de häufig mit Kopfhörern arbeiten und keine Crossfeed-Hardware einsetzen möchten. Der Verkaufspreis von ca. 50 Euro geht vollkommen in Ordnung, schließlich hilft das Plug-in effektiv, Fehler bei der Mischung zu vermeiden und Ermüdungserscheinungen vorzubeugen. Checkt einfach die Demo-Version, befreit eure Ohren – und urteilt selbst!
PRO:- Natürlicher(er) Stereosound über Kopfhörer
- Neutraler Klang
- Softwareseitig meines Wissens kaum Alternativen
- Professionelle Monitoring-Funktionen
- Bisher nur als AU bzw. AAX (jeweils 64 Bit) für OSX verfügbar
- Crossfeed Plug-in für OSX (ab 10.7) / AU, AAX 64 Bit
- Crossfeed (Amount, Angle, diverse Algorithmen)
- Monitoring-Funktionen (Mono, Flip L/R, Polarity, Dim, Balance, Output)
- Zweifacher Shelving-EQ
- Soft-Start
- 65,- USD
- Natürlicher(er) Stereosound über Kopfhörer
- Neutraler Klang
- Softwareseitig meines Wissens kaum Alternativen
- Professionelle Monitoring-Funktionen
- Bisher nur als AU bzw. AAX (jeweils 64 Bit) für OSX verfügbar