Drum Cover: D’Angelo – Chicken Grease

“Chicken Grease” von D’Angelo ist ein Mysterium der Groove-Musik und einer der ganz großen Würfe, deshalb gehört er zum absoluten Pflichtprogramm in unserer Groove-Workshop Reihe. Als ich 2004 den Kontaktstudiengang für Popularmusik in Hamburg besucht habe, wollten alle acht anwesenden Drummer und alle acht teilnehmenden Bassisten wissen, wie man so geil grooven kann wie Questlove an den Drums mit Pino Palladino am Bass. Wir erläutern euch in diesem Workshop immerhin eine Hälfte der Magie anhand des Hits vom Soulsänger D’Angelo und zeigen, wie es gemacht wird.

D_Angelo_Chicken_Grease_Drum_Cover_Workshop
Inhalte
  1. Der Groove
  2. Sound und Equipment

Die andere Hälfte hat der Bassist der Session, Pino Palladino vielleicht schon ein wenig selber entzaubert, als er in einem Interview freiheraus zugab, dass Questlove ihn dazu gezwungen habe, so weit laid back zu spielen, dass er irgendwann kein Gefühl mehr für den Groove gehabt habe. Die Bassnoten waren im Timing also bereits sehr weit hinter den Drums, allerdings für Trommelgott Ahmir Questlove Thompson nicht weit genug: Am Rechner wurden der Bassspur nachträglich sogar noch ein paar Hundertstel Verspätung aufgebrummt. Zurück ins Jahr 2004. Die eigenartige Frage war damals beim Studiengang in Hamburg komischerweise nicht, wie Pino es geschafft hat, so ‘weit hinten’ zu spielen, sondern wie man an den Drums so weit hinten spielen kann. Dass dieser Eindruck entstand, liegt vermutlich an der wahnsinnigen Verzahnung von Bass und Drums. Die Antwort des Dozenten Anselm Kluge gehört zu den größten Schlüsselmomenten meiner Laufbahn: “Wenn alle vorne spielen, wer spielt dann hinten?”

Der Groove

Ja, wer spielt vorn? Der Drum-Groove sitzt im Timing prinzipiell da, wo er halt sitzt, also quasi in der Mitte. Böse gesagt sind Trommeln ein eleganter Metronom-Ersatz, und hat man jemals ein Metronom gesehen, das laid back tickt? Oder ganz weit vor dem Beat? Nein. Diejenigen, die für eine Verzerrung des Beats sorgen, sind die Menschen, die mit ihren Instrumenten entweder vor dem Groove hertreiben oder diejenigen, die ihre Töne im Timing ganz weit hinter den Beat stellen. Mit dieser Weisheit im Rücken lässt sich sagen, dass der Groove von Chicken Grease exakt im Raster liegt und keine Bassdrum oder Snare besonders lahmt oder treibt. Auch das ternäre Rhythmusgefüge wird fast haargenau und sachlich umgesetzt. Die besondere Qualität von Questlove zeigt sich dann in der absolut mustergültigen Gleichmäßigkeit des Spielflusses, dem besonderen Sound des Kits, der traumhaften Dynamik im Set und den doch eher gemütlich gespielten Snares und Bassdrums, die von der Hihat mit der Exaktheit einer Quarzuhr vorangetrieben werden, Eigentlich ist der Rhythmus sogar relativ banal und geläufig, handelt es sich doch in der Basis um einen der großen Hiphop-Grooves der 90ies – ja, genau den, mit den beiden Bassdrums auf der Drei und der Drei+, die von einem auftaktigen 16tel eingeleitet werden: Bumm Bap Babumbumbap. Das ist der erste Teil des Grooves bis zur vierten Zählzeit. Direkt nach der Snare tauchen auf dem letzten Viertel noch zwei 16tel-Bassdrums auf, die zwar progressiv wirken, aber nur eine ganz lockere Einleitung für die erste Bassdrum des nächsten Taktes darstellen. Das sind insgesamt immerhin sechs Bassdrumschläge, die Questlove geschmackvoll im Takt verteilt hat, ohne dass sie im Weg rumstehen und vom großartigen Song ablenken. So klingt der Groove:

Audio Samples
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Chicken Grease, Basic Groove

Notiert sieht der Beat relativ überschaubar aus: 

Dangelo_Chicken_Grease_Noten

Hat man einmal die passenden Sounds und das richtige Feeling gefunden, lohnt es sich, die Bassdrum-Figur zu variieren. Ich habe mal 45 Sekunden lang meiner Kreativität freien Lauf gelassen und herumprobiert. Tut es mir nach!

Audio Samples
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Chicken Grease, Groove-Variation

Sound und Equipment

Der bereits angesprochene passende Sound klingt auf meiner Aufnahme dem Original relativ ähnlich, was schlicht und ergreifend daran liegt, dass ich genau sagen kann, wie Questlove es gemacht hat. Zum einen wäre da das 18 Zoll große Crash, das er mit vier langen Gaffa-Klebestreifen so ‘totgedämpft’ hat, dass es wie eine ganz hochwertige und sehr spezielle Hihat klingt. Die Snare im Original als auch auf meiner Aufnahme ist eine Yamaha Signatur(e) Snare ‘David Garibaldi’ mit nur 3,5 Zoll Kesseltiefe. Auch diese ist derart hoch gestimmt und hart gedämpft, dass sie klingt wie ein besonders raffiniert aufgenommener Rimklick. Die Bassdrum kann nicht größer gewesen sein als 20 Zoll, vermutlich handelte es sich um eine Yamaha-Kick, da Questlove mit dem Material der Firma zu dem Zeitpunkt derart zufrieden war, dass er auf den Vintage-Hype pfiff, dem die meisten Drummer im Studio verfallen.

Als wichtigstes Mikrofonie-Utensil ist ein sogenanntes Subkick-Mikrofon Pflicht. Dabei handelt es sich klassisch um einen Yamaha NS10-Speaker, der einfach umgelötet wird und dann als Mikrofon funktioniert. Das klingt komisch, im Internet gibt es aber eine hübsche Anleitung dazu. Yamaha bietet das Mikrofon sogar als fertiges, in einen Kessel eingefasstes Element, in Holzoptik an. Dieses hat allerdings den Nachteil, dass der lediglich zur Zierde vorgesehene Kessel mitschwingt und dem Subbass eine häufig nicht erwünschte Klangfarbe verleiht. Übrigens arbeitet Questlove mittlerweile mit der Firma Ludwig zusammen, eine Kooperation, die mit dem Breakbeats Drumset schon erste Früchte trägt. So, jetzt wünsche ich viel Spaß beim Weitertrommeln.

Weitere interessante Inhalte:

Workshop Leadsheets für Drummer – Grooves raushören und notieren lernen im zweiteiligen Workshop
Drum Play-Alike Workshop – Wir verraten euch die Tricks der großen Drummer

Weitere Folgen dieser Serie:
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Drum Cover Songs für Schlagzeuger

Dieser Workshop richtet sich an Drummer, die legendäre oder aktuelle Grooves nachspielen wollen. Wir haben eine ganze Palette Beats für euch zum Nachtrommeln aufbereitet!

02.09.2022
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