UMGANG
Rein äußerlich betrachtet macht der PocketPod einen guten Eindruck. Das Gehäuse wirkt stabil, die verbauten Potis und Schalter arbeiten leichtgängig und präzise und so traut man dem kleinen Roten -rein gefühlsmäßig- eine ausreichende Roadtauglichkeit zu.
Ein Metallclip auf der Gehäuse-Rückseite erlaubt den Transport am Mann. Der Kleine klammert sich tapfer an Gürteln, Gitarrengurten, Hosenbünden oder den Säumen von Hosentaschen fest. Die Spange sitzt dabei so stramm, dass man sich völlig ungezwungen seinem Bewegungsdrang hingeben kann, ohne dabei gleich Gefahr zu laufen, die mechanische Integrität des Pocket Pods eines unfreiwilligen Tests zu unterziehen. Da die Line6-Designer-Gang dem Gehäuse “Beine gemacht hat”, die den Metallclip überragen, lässt sich der Pocket Pod aber auch problemlos und wackelfrei neben dem Rechner auf dem Schreibtisch postieren. Allerdings kommen die Füße ohne Gummisocken aus, so dass der Pocket Pod auf glatten Flächen recht schnell ins Rutschen gerät – gerade wenn ein schweres Gitarrenkabel das Leichtgewicht aushebelt. Aber das ist nur ein kleiner Wermutstropfen.
BEDIENBARKEIT
Bei besonders kompakten Tools mit besonders vielen Features hat man oft mit Doppelbelegungen der Bedienelemente zu kämpfen. Die Folge daraus ist ein wenig intuitives Handling . Beim Pocket Pod haben die Line 6 Designer in dieser Hinsicht ihre Hausaufgaben gemacht, so dass das (ohnehin recht schmale) Manual getrost in der Schublade bleiben kann. Die Verwaltung der Sounds findet über “Verzeichnisbäume” statt, in denen sich mit einem 4-Funktionen-Menüschalter in bester Handy-Manier navigieren lässt.
Alle gespeicherten Sounds lassen sich intuitiv über die vier Potis des Pocket Pod verändern und so an persönliche Vorlieben, die musikalische Situation oder den Amp oder das Mischpult anpassen. Dabei bieten die Potis jeweils zwei Funktionsebenen. Ebene 1 erlaubt die Kontrolle des Drive-Levels, der Effektintensität, des Delayanteils und der Gesamtlautstärke des gewählten Preset-Sounds. Hält man den Save-Button gedrückt, arbeiten die ersten drei Potis wie die 3-Band-Klangregelung eines normalen Gitarrenamps, erlauben also eine direkte Einflussnahme auf den gerade aktiven Ampsound. Das vierte Poti kontrolliert den Hallanteil. Da die verwendeten Potiknöpfe an der Seite recht stark profiliert sind, ist eine Einhandbedienung problemlos möglich. Dabei hält der Daumen die Save-Taste gedrückt, den Rest erledigt der Zeigefinger. Geänderte Presets lassen sich im Userbereich speichern und separat benennen.
Ähnlich simpel ist auch die Anpassung gespeicherter Presets. Man hält den Save-Button gedrückt und navigiert mit der “Rechts-Links”-Funktion des 4-fach-Buttons durch das Effektangebot. Die “Oben/Unten”-Funktion ermöglicht eine Veränderung des gerade aktiven Amp-Models. Der im jeweiligen Preset verwendete Amp oder Effekt ist immer der erste in der im Display angezeigten Kette. So weiß man sofort aus welchen Basis-Effekten/Amps sich das gerade aktive Preset zusammensetzt. Schade ist, dass man nicht ersehen kann, wie die einzelnen Parameter eines Presets voreingestellt sind. Dies führt fast zwangsläufig zum altbekannten Parametersprung: Dreht man zum Beispiel das Drive-Poti, fährt das Gain automatisch auf den gerade mechanisch eingestellten Wert hoch (oder runter). Schöner wäre, wenn man bei der ersten Betätigung des Potis zunächst den im Preset eingestellten Wert im Display ablesen könnte. Technisch ist das eigentlich kein Problem, viele andere Hersteller machen das auch so. Ähnlich verhält es sich mit den Details der Effektkonfigurationen. Verwendet ein Preset tatsächlich kein Reverb, wäre es wünschenswert, bei der ersten Betätigung des Reverb-Potis ein “Off” im Display lesen zu können. Das würde gerade Einsteigern die Sache massiv erleichtern.
SOUNDS
Erster Eindruck beim Durchzappen: Die Presets des Pocket Pod sind kein Jahrmarkt der Eitelkeiten mit massivem Effekteinsatz ohne Rücksicht auf Verluste. Gut so! Alle angebotenen Sounds sind praxisorientiert geschneidert und lassen sich – ohne viel Justierungsarbeit – aus dem Stand verwenden. Im Cleanmodus ist vom chorusgeschwängerten Breitband-Chordsound bis zum dicken Jazz mit zartem Ambienceeffekt alles im Angebot. Die Ampsounds reagieren dynamisch auf alle Spieldetails und bleiben auch während des Ausklingens sauber und natürlich. Auch die Reaktionen auf das Anheben des Gain-Pegels sind “Amp-typisch”: Der verwendete Ampsound liefert mehr und mehr Kompression und Dichte und am Ende des Regelweges sind dann auch leicht angezerrte Sounds möglich. Die Intensität der Sättigung ist (wie bei den originalen Amps) von Modell zu Modell verschieden.
Ähnlich “naturgetreu” verhalten sich auch die Crunch-Sounds. Ob die angebotenen Models dabei exakt den Originalamps entsprechen, sei einmal dahingestellt. Echte Marshalls, Mesa Boogies oder Vox-Amps sind in puncto Tone und Performance absolute Schwergewichte und werden im Endeffekt von keiner heute verfügbaren Digitalsimulation exakt getroffen. Beim Test des Pocket Pods geht es uns eher um die Alltagstauglichkeit der angebotenen Sounds. Und die ist absolut in Ordnung. Genau wie die Cleansounds, überzeugen auch die Crunchs mit einer recht natürlichen Performance und einer sensiblen Wiedergabe der individuellen Stilelemente des Gitarristen und seines Instruments. Auch die Reaktionen auf Veränderungen des Driveanteils oder des Gitarrenvolumes sind so, wie man sie von einem Amp kennt. In Verbindung mit der effektiven 3-Band-Klangregelung stellen die im Crunchsegment geparkten Ampmodelle einen repräsentativen Querschnitt der Sounds dar, die man als Gitarrist braucht – egal ob man das obligatorische AC/DC-Brett oder den sahnigen Blues-Leadsound sucht.
Kommen wir zu den Heavy-Sounds. Im “HiGain” Mode, mit seinem massiven Dampf, haben viele Amp-Modeler ja bekanntlich so ihre Probleme mit der Natürlichkeit. Das gilt eingeschränkt auch für den Pocket Pod. Trotzdem sind die meisten der angebotenen Sounds absolut brauchbar. Mit dem Gain- und dem Bass-Pegel sollte man, gerade bei den ganz heißen Vertretern, wie z.B. dem Line 6 eigenen “Insane” oder dem an sich gut klingenden “Modern HiGain”, allerdings ein wenig sparsamer umgehen. Sonst matscht es schnell ganz gewaltig. Verantwortlich für diesen Effekt ist ein unterschwelliges Wummern im Tiefbassbereich, das besonders gerne im Direct-To-Desk-Betrieb auftritt. Über einen Standard-Kopfhörer ist es hingegen kaum zu hören. Mit ein wenig Fingerspitzengefühl lassen sich die Bässe aber so bearbeiten, dass sich auch mit den kritischeren Hi-Gain Maschinen, vernünftige Riff- und Leadsounds an die Luft setzen lassen.
Hier sind zwei Beispiele, an denen man das dynamische Verhalten der Amps erkennen kann:
Noch ein paar Worte zu den angebotenen Effekten: Die Auswahl und Qualität geht für einen Amp-Modeler dieser Größe total in Ordnung und unterstützt die Realisation aller heutzutage angesagten Sound-Vorstellungen. Die Möglichkeit den Effekttanteil der Modulationseffekte und des Reverbs stufenlos einstellen zu können und die Delaytime per Tap-Taster festzulegen reicht im Live-Einsatz aus, um das angestrebte Ergebnis zu erzielen. Und wie gesagt: falls es doch mehr sein soll, gibt es ja immer noch den Software-Editor.
Karl sagt:
#1 - 26.10.2011 um 11:36 Uhr
Da hat der Tester sich mal wirklich Mühe gegeben. Ich selbst bin nebenbei Redakteur einer Musikzeitschrift und Musiker seit 35 Jahren, besitze auch einen Pocketpod. Alles, was hier geschrieben steht, ist richtig.
Matze sagt:
#2 - 29.11.2011 um 20:30 Uhr
Hallo!Ich benutze den P-Pod nun seit gut einem Jahr zum Üben daheim und will die Gelegenheit nutzen diesen Testbericht mit meinen bisherigen Erfahrungen zu ergänzen.Erstmal muß ich dabei die Kritik an den High-Gain Sounds erweitern. Extrem negativ ist die Basslastigkeit sämtlicher Metal-Sounds (was selbst im Beispielsound hier deutlich zu hören ist - obwohl sich Tietgen sicher Mühe gegeben haben wird das Beste aus dem Preset zu machen).Weiter gehts mit dem sehr harsch und kantig wirkendem Gain bei sämtlichen Metal-Presets, was in meinen Ohren stets etwas kratzig und darum unnatürlich klingt.Ferner find ich es bemerkenswert, daß der P-Pod offenbar Probleme mit sehr tief gestimmten Gitarren hat. So kann er meine Bariton (B-Standart) in den tiefen Tönen nicht wieder geben...ja, sie sogar noch nichtmal stimmen.Am Negativsten finde ich allerdings die fehlende Dynamik bei den High-Gain Sounds. Palmmutes werden sehr unsensibel wiedergegeben und klingen dabei immer (nahezu) gleich, egal wie fest man anschlägt, oder wo man auf der Saite die Hand auflegt. Dieser Faktor ist so gravierend, daß ich es aufgegeben habe beim Üben diese Sounds zu benutzen - um die letzten Feinheiten zu Üben muß ich dann einen "richtigen" Verstärker benutzen.Im Gegensatz dazu finde ich die Clean- und Chrunchsounds alles in Allem wirklich gelungen!Als Nächstes komme ich dann zum Design. Sehr positiv muß ich erstmal die Druckknöpfe beurteilen: ich besitze das Gerät nun schon über ein Jahr und kaufte es gebraucht, so daß es davor wohl auch schon Monate oder sogar Jahre in Gebrauch war. Und doch funktionieren die Druckknöpfe noch tadellos und lassen sich ihr Alter nicht anmerken. Können wir überhaupt noch die Fernseh-Fernbedienungen oder Handys zählen, bei denen das nicht so ist?!Das einzeilige Display ist dagegen nicht nur häßlich, sondern auch nur mit gutem Willen übersichtlich genug für die vielen Funktionen. So intuitiv wie von Tietgen beschrieben, empfinde ICH die Bedienung übrigens nicht. Das mag sein, weil er durch seine doch etwas reichere Erfahrung schon öfter mit ähnlichen Geräten zu tun hatte...aber ICH brauche die Bedienungsanleitung auch nach einem Jahr immernoch, wenn ich mir vornehme mal einen ganz individuellen Sound zu basteln. Seltsam finde ich am Design, das die Grundregler eines Amps (Höhen, Mitten, Bass) nur durch Zusatztaste erreichbar sind, während auf Kosten des EQs Effekte und Delay direkt regelbar sind. Eigenartige Priorität.Seltsam ist meiner Meinung nach auch das Menü. Die gesamte (riesige) Bank der "Songpresets" empfinde ich in meinem Alltag als überflüssig. Diese Songpresets sind so dermaßen mit Effekten voll geknallt, daß man oft genug beim Durchschalten nicht erkennt, daß sich HIER eigentlich genau der Grundsound verbirgt, den man gerade sucht...und ihr zu Gunsten verzichtet Line6 darauf eine puristische Bank mit den 32 Grundsounds zu integrieren.Wenn Line6 irgendwann mal einen PockedPod II konstruieren sollte, würde ich mir noch ein integriertes Metronom wünschen.Fazit:Meiner Meinung nach ist der P-Pod ein Konzept mit vielen Stärken und einigen wenigen - aber sehr lästigen Schwächen. Zumindest die "bösen Jungs und Mädels" müssen sich überlegen, ob sie mit diesem Gerät trotzdem glücklich werden können...bei seinem geringen Preis - gerade auf dem Gebrauchtmarkt - ist er aber allemal einen Test wert.
Sascha sagt:
#3 - 03.07.2013 um 12:48 Uhr
Sind die Soundbeispiele Presets, oder wurden hier manuell Einstellungen am Pocketpod gewählt?
olly sagt:
#4 - 29.08.2024 um 07:16 Uhr
...eigentlich guter Test, allerdings ist das bemängeln eines "fehlenden Netzteils" im Lieferumfang für einen mobilen batteriebetriebenen "Gitarrenwalkman" (Hauptkaufargument) doch etwas over the top....