Jeder Anfänger, der sich mit dem deutschen Notensystem beschäftigt, die ersten Tonleitern lernt oder die richtigen Töne auf Griffbrett oder Tastatur finden möchte, kennt das Problem: Warum heißt der Ton zwischen dem A und dem C eigentlich H? Wäre es nicht viel einfacher, ihn B zu nennen, wie im Alphabet? Warum taucht der Ton H auf meinem Stimmgerät nicht auf? Und warum klingt es schief, wenn ich im Lead-Sheet aus dem Internet einen B-Akkord spiele?
Die Sache mit dem „H“
Tatsächlich bildet der Ton „H“ im deutschsprachigen sowie in Teilen des skandinavischen und slawischen Raumes eine Besonderheit, denn die Stammtöne unserer C-Dur-Tonleiter heißen
C D E F G A H
… während sie im englischsprachigen Raum mit
C D E F G A B
Für dich ausgesucht
… bezeichnet werden (streng nach Alphabet).
Auf der 7. Stufe der Tonleiter herrscht also Uneinigkeit über die Bezeichnung einer Note, die eigentlich denselben Ton meint.
Hieraus ergeben sich zwei grundlegende Probleme:
1. Der Ton zwischen A und C (auf der mittleren Linie unseres Notensystems im Violinschlüssel) hat zwei verschiedene Namen, je nachdem, in welchem Kulturkreis ich mich bewege.
2. Der Buchstabe B kann zwei verschiedene Töne bezeichnen, je nachdem in welchem Kulturkreis ich mich bewege. Denn während sich im englischsprachigen Raum für den Halbton unter der 7. Stufe die Bezeichnung „Bb“ (gesprochen „B-flat“) durchgesetzt hat, verwenden wir hier das „B“.
H oder B – Warum so kompliziert?
Historisch gesehen gibt es zwei Erklärungsansätze für das Phänomen mit dem „H“:
1. Der Hexachord
Frühmittelalterlichen Notensysteme bestanden nach heutigem Wissen aus nur 8 Stammtönen (nach Reihenfolge des Alphabets), aus denen man drei einfache Tonleitern mit jeweils 6 Tönen (Hexachord) bilden konnte:
C D E F G A (C-Dur)
F G A B C D (F-Dur)
G A H C D E (G-Dur)
Da man für die G-Tonleiter einen „neuen“ (höheren) Ton zwischen A und C brauchte (Vorzeichen kannte man noch nicht), wurde einfach der nächste verfügbare Buchstabe im Alphabet verwendet, das „H“.
2. Der Buchdruck
Ab dem 10. Jahrhundert gab es mit der Einführung des Notenliniensystems bereits zwei Varianten für unsere beiden Töne B (engl. „Bb“) und H (engl. „B“):
das B-rotundum (auch „weiches B“ oder „B molle“ genannt)
und das B-quadratum (auch „hartes B“ oder „B durum“ genannt)
Wie unschwer zu erkennen ist, sieht das quadratische b einem h zum Verwechseln ähnlich und man geht davon aus, dass der eine oder andere „Abschreibefehler“ in der handschriftlichen Notenüberlieferung den Weg für das „H“ geebnet haben könnte. Viel naheliegender ist allerdings der Gedanke, dass damalige Druckereien in Ermangelung einer Druckform für das B-quadratum auf das vergleichbare „H“ ausgewichen sind und sich dieser „Hilfsbuchstabe“ dann auch in den Sprachgebrauch eingeschlichen und festgesetzt hat. Warum der angelsächsische Kulturkreis es geschafft hat, dieser Versuchung zu widerstehen, während andere europäische Länder beim „H“ geblieben sind, bleibt jedoch ein Rätsel.
Was tun mit dem H?
Grundsätzlich hat es bisher noch jeder geschafft, mit den Unwägbarkeiten von „H“ und „B“ zurechtzukommen und man sollte als deutschsprachiger Musiker stets auf beide Varianten eingestellt sein. Auf internationalem Parkett ist eine Welt ohne H quasi der Normalzustand, wenn es um Musikalien im weitesten Sinne geht (Noten, Heim-Keyboards, Stimmgeräte etc.) und auch die Welt des Internets ist bei Tutorials, TABs oder Lead-Sheets größtenteils auf B und Bb eingestellt. Auch deutschsprachige Gitarrenschulen sprechen heute schon mal von der „b-Saite“ und der eine oder andere Visionär träumt bereits von einer Welt, in der wir uns in Deutschland auf die Bezeichnungen „B“ (für H) und „Bes“ (für B) geeinigt haben.
Amos omb sagt:
#1 - 08.09.2023 um 18:45 Uhr
Das passiert nur in good old Germany. Gitarrist zum Keyboarder: Gib mir mal ein B. Keyboarder: Welches? Aber hier zu Lande wird ja immer noch diskutiert das es ja musikalisch auch nicht stimmt das H B zu nennen. Ich dagegen bin mir sicher das ist den Ton so was von egal wie er heißt.
Wil Cremers sagt:
#1.1 - 09.09.2023 um 09:53 Uhr
Vielleicht ist es gar nicht so ganz umständlich gelaufen. In Niederländisch ist es ja auch B. Ich denke dass es wirklich ein Schreibfehler war. Das Auflöse Zeichen sieht auch mehr wie ein H aus, und in den b Tonarten , der Name sagt es schon, steht die meistens erste Auflösung vor B ,was auch das erste B chen ist, Wer hatte damals schon mit Musik zu tun? Der Schreiber hat es vielleicht als H angesehen und nicht gewusst das der Ton in dieser Tonart ein erniedrigt B " bes " war.
Antwort auf #1 von Amos omb
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenMaese sagt:
#2 - 22.09.2023 um 09:41 Uhr
Schon etwas crazy mit den verschiedenen Bezeichnungen. Englisch oder deutsch? Wir haben uns in der Band darauf geeinigt "H" und "B-flat" zu sagen. Dies sind für uns eindeutige Bezeichnungen der beiden Töne.
R. de Bell sagt:
#3 - 09.10.2023 um 13:09 Uhr
Simple - ich nutze nur noch die internationale Variante - alles andere ist wieder typisch Deutsch. Man will unbedingt bei der "falschen" Bezeichnung bleiben, weil es wird ja schon so lange genutzt. Österreicher, Schweizer und Niederländer verwenden ebenfalls die internationale Variante - alles andre is Mumpitz.
Diego sagt:
#3.1 - 17.01.2024 um 00:19 Uhr
Ich komme aus der Schweiz und kenne nur H im deutschen Sprachgebrauch. Ist eher sprachspezifisch als länderspezifisch.
Antwort auf #3 von R. de Bell
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenTomB sagt:
#4 - 05.12.2023 um 15:33 Uhr
Danke für den tollen Artikel. Mich hat es auch beim Anfang vom Klavierspielen verwirrt und intuitiv war ich mir sicher, dass es ein B sein sollte, da Musik einfach extrem logisch ist. Dann hab ich mir überlegt, ob "sie" (wer auch immer, z.B. die Matrix Menschen die alles auf der Welt verdrehen müssen damit die Menschen nicht im Einklang leben).. nicht einfach aus dem b ein h gemacht haben, damit in DE mal wieder alles verdreht und komplizierter ist.. dass es sowas wie ein falsches Abschreiben sein könnte, macht Sinn. Und warum ist der Bass-Schlüssel nicht genauso wie der obere Schlüssel? Wieso muss man dort andere Noten auf die Linien setzen??
Werner Wyss CH 8121 Benglen sagt:
#5 - 03.04.2024 um 17:19 Uhr
Für mich liegt die einzige logische Erklärung H statt B und deshalb B statt Hes beim gossen J.S.Bach . Er wollte seinen Namen vertonen und hat sich deshalb die Be-nennung H zunutze gemacht und den eigentlichen Ton B um einen Halbton degradiert. Diese Praxis wurde dann im angelsächsischen Sprachraum zum festen Bestandteil des Musikunterrichtes. Schau rein bei www.wynosa.ch (SynBi was ist das?
Werner Wyss CH 8121 Benglen sagt:
#6 - 03.04.2024 um 17:19 Uhr
Für mich liegt die einzige logische Erklärung H statt B und deshalb B statt Hes beim gossen J.S.Bach . Er wollte seinen Namen vertonen und hat sich deshalb die Be-nennung H zunutze gemacht und den eigentlichen Ton B um einen Halbton degradiert. Diese Praxis wurde dann im angelsächsischen Sprachraum zum festen Bestandteil des Musikunterrichtes. Schau rein bei www.wynosa.ch (SynBi was ist das?
Martin sagt:
#7 - 15.06.2024 um 15:45 Uhr
Ich finde es super, dass Du hier endlich mal der meiner Meinung nach sehr vereinfachten Erklärung der Musiklehrer in den Schulen (Gymnasien) etwas mehr Differenziertheit entgegensetzt. Was auch immer der wahre Grund ist werden wir wohl nie wirklich wissen. ABER: Nach meiner Meinung hast du die Bilder vertauscht. Das weiche B muss oben sein, das harte B unten - oder? Sonst ist es irgendwie auch wieder sehr verwirrend ;-)
Michael Behm sagt:
#7.1 - 17.06.2024 um 20:16 Uhr
Hallo Martin, ja, da haben wir tatsächlich die beiden Bilder vertauscht. Danke für den Hinweis! Schöne Grüße Michael Behm
Antwort auf #7 von Martin
Melden Empfehlen Empfehlung entfernen