Schraubhals, durchgehender Hals, eingeleimter Hals … Zu den großen Mythen im E-Bassbereich zählen Statements, die besagen, dass bestimmte Halskonstruktionen im Bassbau per se “besser” oder “schlecher” seien als andere. Das ist natürlich waschechtes “Bassistengarn”. Zumal man bekanntlich sehr vorsichtig mit den Begriffen “besser” oder “schlechter” umgehen sollte, dienen diese doch nicht gerade einem objektiven Vergleich der unterschiedlichen Konstruktionen und Bauweisen. In diesem Artikel möchten wir daher mit Vorurteilen aufräumen und Halbwissen beseitigen. In diesem Feature erfahrt ihr alles über die wesentlichen Unterschiede der Halskonstruktionen beim E-Bass und deren Eigenschaften.
Halsbefestigungen beim E-Bass – Allgemeines
Das Statement “durchgehender Hals = besser als halbdurchgehender Hals = besser als eingeleimter Hals = besser als geschraubter Hals” trifft ebenso wenig auf Bundbässe wie auf bundlose Bässe zu. Entgegen der weit verbreiteten Annahme können geschraubte Hälse zum Beispiel ein ebenso gutes und langes Sustain entwickeln wie geleimte oder durchgehende Hälse. Hier sind nämlich die Auswahl der Materialien und die Güte der Befestigung entscheidend.
Nicht jede Schraubverbindung ist beispielsweise gleich gut für die Tonübertragung. Das Gleiche gilt auch für geleimte Verbindungen, denn schon der Leim selbst kann einen massiven Einfluss auf die Schwingungen ausüben. Sehr wohl aber besitzen alle Befestigungsarten ihre eigenen allgemeinen Charakteristika und auch unterschiedliche Klangeigenschaften – auch wenn diese nicht selten eher von subtiler Natur sind!
Der hörbare Unterschied in der Art der Halsbefestigung besteht in der Übertragung verschiedener Frequenzbereiche einerseits und in der Dämpfung bzw. der Absorption von Schwingungen andererseits. Man könnte sagen: Die Halsbefestigung wirkt sich wie ein “natürliches Klangfilter” aus!
Im Bereich der Verbindung zwischen Hals und Korpus treten bei geschraubten Hälsen und (in schwächerer Form) bei geleimten Hälsen bestimmte Verluste im Obertonbereich auf. Gleichzeitig tritt eine etwas betontere Ansprache im Mittenbereich auf, was im Bassistenmund gerne mit dem Begriff “Knurren” beschrieben wird.
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Hälse dieser Bauart betonen die perkussive erste Phase des Anschlags und lassen den Ton nach diesem ersten Impuls etwas schwächer werden. Wir reden hier allerdings wie gesagt über nicht selten kaum hörbare Unterschiede. Man muss also schon sehr genau die Ohren spitzen! Allerdings kommt es bei der Frequenzübertragung natürlich auch auf viele weitere Faktoren an, zum Beispiel die Holzauswahl, die Gestaltung der Kopfplatte, den Korpus oder die Brückenkonstruktion.
Halsbefestigungen beim E-Bass – eine Frage der Wirtschaftlichkeit
Ein wichtiger Aspekt war schon zu Leo Fenders Pionierzeiten der Hauptgrund für die Entscheidung zugunsten des Schraubhalses: Ein Bass mit geschraubtem Hals ist wesentlich einfacher und günstiger herzustellen als andere Varianten. Ein geschraubter Hals kann getrennt vom Korpus hergestellt werden und bietet die Möglichkeit des problemlosen Services beim Abrichten, Bundieren und Reparieren. Ein weiteres Pro-Argument ist die Möglichkeit eines einfachen Austausches bei Nichtgefallen oder Beschädigung.
Folglich war schon seit den frühen Entwicklungsjahren des E-Basses die Art der Halskonstruktion vor allem eine wirtschaftliche Entscheidung. Sie führte zu einem immensen Erfolg des Schraubhalses, der bis heute zweifellos die am weitesten verbreitete Bauweise darstellt, wobei bei der Art der Schraubverbindung in den letzten Jahren durchaus eine Evolution stattgefunden hat!
Speziell mit Aufkommen des Edelbass-Booms, angefeuert durch den Erfolg von Firmen wie Alembic zu Beginn der 70er-Jahre, wurden jedoch durchgehende Hälse zwischenzeitlich zu einem Merkmal besonders guter Qualität auserkoren. Man darf dabei allerdings nicht vergessen, dass solche Bässe für gewöhnlich insgesamt mit sehr hochwertigen Komponenten ausgestattet waren. Die daraus resultierenden Klangeigenschaften wurden zwar gerne in erster Linie der Halskonstruktion zugeschrieben, waren jedoch in Wahrheit ein Ergebnis aus dem Zusammenwirken vieler kleiner Einzelfaktoren. Dennoch hielt sich seither der Mythos über die bestimmte Halsbefestigung als besonderes Qualitätsmerkmal bei E-Bässen.
Kommen wir nun zur genaueren Betrachtung der einzelnen Halsbefestigungs-Typen:
▶ Schraubhals (Bolt-On Neck)
Wie immer, wenn wir über das Thema E-Bässe reden, kommen wir nicht am Namen “Fender” vorbei. Fender ist und bleibt nun einmal das “klassische” Beispiel für den geschraubten Hals. Es ist die einfachste und banalste Lösung der Welt: Der Basshals wird passgenau in eine korrespondierende Fräsung (Halstasche) im Korpus eingesetzt und mit von hinten durch den Korpus laufenden Schrauben verankert.
Die gängigste Methode zur Befestigung ist die 4-Punkt-Verschraubung: vier Schrauben, die, symmetrisch angeordnet, Hals und Korpus zusammenhalten. Bei späteren Fender-Bässen, nach Verkauf der Firma Fender an den CBS-Konzern, führte man die 3-Punkt-Befestigung ein.
Dies geschah jedoch nicht aus Gründen einer vergleichsweise lächerlichen Material- und Zeitersparnis, sondern es stand eine ganz andere Idee dafür Pate: Es gab bei Schraubhälsen immer wieder Probleme mit der optimalen Halsneigung bzw. dem Halswinkel. Damit ist der Winkel gemeint, in welchem der Hals die Linie vom Korpus weiterführt.
Wie dieser Winkel verlaufen muss, ist abhängig davon, wie weit das Griffbrett über die Korpusdecke liegt. Zunächst beträgt dieser Winkel ca. 180 Grad, das heißt, die Griffbrettoberfläche des Halses verläuft in einer parallelen Linie zur Korpusoberfläche. Das Griffbrett muss natürlich minimal oberhalb der Korpusoberfläche liegen, damit die Saiten über den Korpus zur Bassbridge schwingen können. Der Höhenunterschied und die Saitenlagen werden durch die Bridge ausgeglichen bzw. justiert.
Dennoch kann es vorkommen, dass man den gewünschten Saitenabstand nicht zu 100% in Verbindung mit der installierten Bridge erreicht. In diesem Fall muss man entsprechend den Halswinkel minimal verändern. Hier kam die Idee der 3-Punkt-Befestigung ins Spiel: Zwar dienten alle drei Schrauben der Arretierung, doch eine kaum sichtbare vierte Madenschraube, die dicht bei der mittig liegenden dritten Schraube positioniert wurde, diente einem weiteren Zweck: Wurde die dritte Schraube etwas gelöst, konnte man mithilfe der Madenschraube den Halswinkel in seiner Ausrichtung nach hinten beeinflussen.
War der optimale Winkel erreicht, konnte man die dritte Schraube zum Arretieren wieder festziehen und der Halswinkel wurde verändert, ohne den Hals abschrauben zu müssen. Für wenig zimperliche Behandlungen war diese 3-Punkt-Verbindung jedoch nicht stabil genug, und so ist es keine Seltenheit, Bässe aus dieser Zeit in den Händen zu halten, die eine ziemlich “ausgelutschte” und “wabbelige” Hals-Korpus-Verbindung aufweisen.
Übrigens: Auch die frühen Bässe der Firma Music Man besaßen eine derartige 3-Punkt-Befestigung. Diese wurde jedoch nach Übernahme der Firma durch Ernie Ball eingestellt und im Laufe der Jahrzehnte mehrfach modifiziert. Die heutigen Istrumente der Stingray-Special-Serie etwa erhalten während des Fertigungsprozesses eine asymmetrische Unterlegscheibe in Kombination mit einer 5-Punkt-Verschraubung. Diese asymmetrische Konstruktion verbessert den Zugang der Greifhand zu den hohen Lagen.
Auch andere Schraubhalskonstruktionen bringen beizeiten das beschriebene Halswinkelproblem mit sich. In erster Linie ist das natürlich auf mangelnde Sorgfalt bei der Herstellung zurückzuführen. Abhilfe leistet bei diesem Problem ein minimales Anwinkeln des Halses nach hinten durch das Unterlegen eines schmalen Furnierstreifens unter das Halsende (shim). Dafür muss man den Hals zunächst abschrauben und unter Umständen mehrfach hin und her experimentieren, bis ein optimales Ergebnis erzielt wird.
Das Gros der Hersteller begnügt sich heutzutage nach wie vor mit vier bis sechs Schrauben zur Halsbefestigung. Häufig werden diese zur Erhöhung der Stabilität asymmetrisch angeordnet. Die Schrauben sind jedoch letztlich nicht der einzige Faktor für Stabilität. Ebenso wichtig ist nämlich die exakte Einpassung des Halses in die Korpusfräsung. Ist die Halstasche im Korpus auch nur minimal zu groß geraten (oder das Halsende zu schmal für die Fräsung), dann ist das ein sehr entscheidender Faktor für Instabilität.
Die Firma Yamaha hat bei einigen Bässen, wie z.B. dem Billy Sheehan “Attitude” eine 6-Punkt-Verschraubung eingeführt, bei der die zwei am weitesten in den Korpus ragende Schrauben diagonal geführt werden und den Hals förmlich in den Korpus hineinziehen, was eine besonders feste Verankerung erzielen soll.
Eine Sonderlösung stellt das Patent des deutschen Herstellers Schack dar, bei dessen Konstruktion der Basshals nicht verschraubt wird, sondern über eine spezielle Metallvorrichtung in die Korpusfräsung eingehakt wird. Dabei sorgt der Saitenzug nachhaltig für die absolute starre Arretierung des Halses.
Damit der Hals nach Entfernen der Saiten nicht einfach selbsttätig “ausklinkt”, wird er über einen Bolzen festgehalten, der über die vordere Tonabnehmerfräsung zugänglich ist (falls der Hals doch mal entfernt werden muss). Ein großer Vorteil dieser Vorrichtung ist, dass keinerlei Schrauben sichtbar durch den Korpus laufen.
Das genaue Gegenteil – ein wahrhaftiger “Schraubensegen” – überkommt einen, wenn man sich einige Instrumente des deutschen Herstellers Jens Ritter anschaut. Nachdem Jens sehr lange mit unterschiedlichen Schraubkombinationen experimentiert hatte und zahlreiche Bässe “für die Tonne” produziert hatte, gelangte er zu der persönlichen Erkenntnis, die für seine Bässe optimale Variante für die Soundübertragung erreicht zu haben: Die Hälse der Ritter-Bässe werden nicht selten mit sage und schreibe acht, zehn oder sogar noch mehr Schrauben mit dem Korpus verbunden.
Zudem ragen die Necks bei Ritter-Bässen sehr weit in den Korpus hinein, besitzen also einen sehr breitflächigen Auflagekontakt. In puncto Stabilität und Frequenzübertragung ist das auf jeden Fall ein Konzept, das Beachtung verdient. Man sieht: Der Schraubhals hat sich im Laufe der Jahrzehnte stark weiterentwickelt und seine Berechtigung nicht nur erhalten, sondern definitiv weiter ausgebaut.
▶ Eingeleimter Hals (Set Neck)
Die Alternative zum Anschrauben eines Halses stellt das Verleimen bzw. Einleimen dar. Die “Leimexperten” waren in den Kindertagen des E-Basses bei der Firma Gibson zu finden und so verwundert es auch nicht, dass man bei Gibson E-Bässe lange Zeit ausschließlich mit einem geleimten und später auch durchgehenden Hals konstruierte.
Ein wirklicher “Renner”, so wie beispielsweise bei den Gitarren, wurden geleimte Hälse bei Solidbody-Bässen allerdings nie: Die Tieftöner mit ihrer längeren Mensur und den dicken Saiten stellen eine weitaus höhere Belastung auf die Hals-Korpus-Verbindung dar, als dies bei der Gitarre der Fall ist. Dies macht E-Bässe für Beschädigung anfälliger, zum Beispiel wenn das Instrument einmal umfällt und unsanft auf dem Boden landet.
Aus diesem Grunde sind verleimte Hälse in erster Linie daher die Domäne akustischer und halbakustischer Bässe. Begonnen beim klassischen “Beatle” Violin Bass Höfner 500/1 oder dem Gibson EB-2, bis hin zu modernen Modellen, wie z.B. dem Düsenberg Motown Bass oder dem Ibanez Artcore.
Klar ist: Die Konstruktion der Leimstelle bestimmt über deren Stabilität. Es erscheint logisch, dass eine größere Kontaktfläche auch mehr Stabilität garantiert. Der Hals-Korpus-Übergang darf aber auch nicht zu massiv gestaltet werden. Die fragilste Variante besitzen wohl die Gibson EB-3-Bässe (auch “SG-Bässe” genannt), die aufgrund ihres flachen Bodies und des fließenden Hals-Korpus-Übergangs sehr galant sind. Sie sind jedoch genau wegen dieser Konstruktion häufig Kandidaten für die Gitarrenwerkstatt – aufgrund abgebrochener Hälse!
Dennoch: Der große ästhetische Vorteil von geleimten (und auch durchgehenden) Hälsen liegt genau in diesem eleganter wirkenden Übergang zwischen Hals und Korpus. Dadurch, dass diese Stelle flacher und quasi “ineinander gleitend” gestaltet werden kann, sind auch häufig die oberen Bünde leichter für die Greifhand erreichbar.
Ein eigenes Kapitel ist freilich der Leim selbst. Es gibt Leimarten, die sich nahezu unsichtbar mit dem Holz verbinden und die Teile geradezu miteinander verschmelzen. Bei anderen Leimarten verbindet die Leimschicht selbst die Teile miteinander. Der Nachteil: Solche Konstruktionen wirken auf die Schwingungsübertragung eher dämpfend. Jeder, der schon einmal mit dem Bau von sensiblen Streich- und Zupfinstrumenten zu tun hatte, wird bestätigen können, wie stark sich der Leim auf die Schwingungsübertragung auswirken kann!
▶ Durchgehender Hals (Neck Thru/Through)
Die Frage, die zwangsläufig auftaucht, wenn man sich mit der Konstruktion eines Basses mit durchgehendem Hals auseinandersetzt, ist: “Was kann man tun, damit der Hals auch wirklich lange hält?”. Schließlich kann ihn nach Fertigstellung nicht mehr austauschen!
Bei durchgehenden Konstruktionen werden deswegen nahezu eigentlich immer laminierte Hälse verwendet. Hierbei werden zwei bis drei verschiedene Tonhölzer in einem Hals miteinander kombiniert. Mit dieser Technik begann man schon sehr frühzeitig, als man erkannte, dass einteilige Hälse dazu neigen, sich im Laufe der Jahre zu verdrehen (Torsion) – etwa durch die Ausrichtung der Jahresringe.
Einen auf diese Weise unbrauchbar gewordenen Schraubhals kann man problemlos austauschen. Einen durchgehenden Hals auszutauschen, ist jedoch nicht möglich – schlimmstenfalls wird das Instrument sogar unbrauchbar!
Daher begann man, Hälse zu bauen, bei denen verschiedene Holzschichten symmetrisch verleimt werden. Die parallel verlaufenden Holzschichten derartiger Laminathälse hindern sich im Idealfall aufgrund unterschiedlicher Härte und Ausrichtung gegenseitig am Verdrehen.
Viele Hersteller schwören darauf, dass diese Bauweise aber auch noch einen weiteren Vorteil hat: Man kann durch die Verwendung unterschiedlicher Hölzer nämlich sehr gezielt Einfluss auf den Klang des Basses nehmen! So besitzen harte Hölzer eine sehr direkte Ansprache und klare Höhen, während weichere Hölzer die Bassfrequenzen stärker betonen und “weicher” klingen.
Firmen wie Rickenbacker begannen schon sehr früh, E-Bässe mit durchgehenden Hälsen zu bauen. Die Modelle der 4000er-Serien wurden absolute “Renner”, speziell unter den Rock-Bassisten mit berühmten Vertretern wie Chris Squire, Geddy Lee, Glenn Hughes etc.
Ein weiterer Klassiker ist der legendäre Thunderbird von Gibson mit berühmten Playern wie John Entwistle/The Who) oder Pete Way (U.F.O.). Mit dem Beginn des Edelbass-Booms, ausgelöst durch Companies wie Alembic in den 70er-Jahren, hielten durchgehende Hälse weltweit Einzug. Die Liste ist heutzutage entsprechend geradezu endlos – und die Auswahl grenzenlos!
Halskonstruktionen im Bassbau – Fazit
Es hat sich zweifellos eine Menge getan seit den 50er-Jahren: Verschiedene Hersteller haben die unterschiedlichsten Halskonstruktionen im Bassbau beständig weiterentwickelt. Man mag es geahnt haben, aber alle erwähnten Arten zur Halsbefestigungen haben ihre Berechtigung und bringen individuellen Eigenarten mit sich. Wichtig ist jedoch: Diese Eigenarten lassen sich keineswegs in ein “schlechter” oder “besser” kategorisieren!
Das Entscheidende ist und bleibt der persönliche Geschmack. Ausschlaggebend ist stets das Gefühl, welches man bekommt, wenn man das Instrument in den Händen hält und die Saiten anschlägt. Ob man es gerne robust oder filigran hat, eine hohe Saitenlage oder eher “Tieffliegerabstände” bevorzugt: Spielgefühl und klangliche Eigenschaften sind nicht nur eine Frage der Halsbefestigung, sondern ergeben sich aus der Summe zahlreicher Einzelfaktoren. Genau deswegen sind E-Bässe ja auch in ihrer Verschiedenheit so faszinierend und spannend. Und so bleibt mir als Schlussempfehlung: Probieren geht immer über studieren!
Alles Gute, euer Oliver