Die Harley Benton Custom Line Nashville Magnet im bonedo-Test – Es sieht fast so aus, als möchte Harley Benton das Low Budget Image allmählich abstreifen, denn so etwas wie eine Qualitätsexplosion in verschiedenen Bereichen lässt sich kaum verleugnen. Schaut man allerdings genauer hin, dann hat der Wandel schon vor geraumer Zeit eingesetzt. Der Konkurrenzkampf ist inzwischen auch in der unteren Preisklasse angekommen, und wenn am ohnehin extrem niedrigen Preis nicht noch weiter gedreht werden kann, dann bleibt nur noch die Konzentration auf die Qualität.
Das gilt auch für die neue Nashville Serie, in der Harley Benton gleich mehrere elektroakustische Gitarren im Thin Line Format vorstellt, die sich allesamt am alten Gibson Chet Atkins Vorbild orientieren, ohne es allerdings zu kopieren. Mit der Nashville Magnet haben wir uns das Schlachtschiff der Serie an Land gezogen.
Details
Die beiden Resonanzfräsungen lassen die Nashville Magnet an eine Halbresonanzgitarre erinnern, allerdings passt die Bespannung mit EXP-Westerngitarrensaiten von D’Addario nicht ins Erscheinungsbild dieser Spezies. Die Phosphorbronzesaiten stehen üblicherweise für den Klang einer Westerngitarre, den der Liebhaber einer traditionellen Semiakustik aber nicht unbedingt sucht. Deshalb werden sich für unsere Kandidatin naturgemäß auch Akustikgitarristen interessieren, obwohl sämtliche Abmessungen (dazu später mehr) eher einer Solidbody ähneln. Sichtlich überparteilich wendet sich die Konstruktion also an alle Gitarristen, die im Bereich der Rock- oder Popmusik ihre Heimat haben, denn der aktuelle Elektrogitarrist spielt in der Regel auch ein wenig Akustikgitarre und für den Akustikgitarristen sind E-Gitarren normalerweise auch keine unbekannte Spezies.
Aber so ganz neu ist die Konstruktion nicht, denn die Ähnlichkeit mit der Gibson Chet Atkins lässt sich nicht von der Hand weisen und mit den Größenverhältnissen können Akustik- und Elektrogitarristen gleichermaßen zurechtkommen. Auch die Magnet sucht den Kompromiss, denn mit einer Breite von 25 cm (35 cm) am Oberbug (Unterbug) fällt die Oberfläche (Decke) etwas schmaler aus als die einer „bauchigen“ Vollakustikgitarre (z. B. Grand Auditorium), aber auch etwas breiter als die einer Solidbody (z. B. Stratocaster). Einen fulminanten Natursound kann der verwöhnte Besitzer einer Vollakustikgitarre nicht erwarten, denn die Zarge hat gerade einmal eine Tiefe von 4,4 cm und der Korpus mit seinen zwei Resonanzkammern bringt, trocken gespielt, deshalb auch nicht mehr Volumen als eine konventionelle Halbresonanzgitarre in dieser Größenordnung. Die Bauweise kommt aber auf jeden Fall dem Handling insbesondere im Stehen entgegen.
Schließt man die Magnet an einen Verstärker an, kann sie auch laut. Wie die gesamte Hardware ist auch die Metallplatte mit der Eingangsbuchse an der unteren Zarge goldfarben. Zwei Pickups, einen Piezo im Steg und einen Magnettonabnehmer in Lipstick-Ausführung, bieten unterschiedliche Soundvariationen. Mit einem Dreiwege-Kippschalter lassen sich beide zusammenschalten und mit vier ebenfalls goldenen Potis (2 x Volume und 2 x Tone) komfortabel einstellen. Wenn der Kollege mit dem Drumset anrückt, geht es gerne auch noch ein Stück lauter, denn ein Sustain-Block im Korpusinneren vermindert unerwünschte Rückkopplungen. Entfernt man die Abdeckplatte auf der Rückseite, erkennt man (neben einer Platine) den massiven schmalen Holzbalken, der passgenau vom Halsansatz bis zum Knopf mittig zwischen Decke und Boden eingeleimt ist.
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Weil die Magnet sich vor allem auf der Bühne Gehör verschaffen möchte, hat sie sich entsprechend in Schale geworfen: Der optische Eindruck stimmt. Die lebendig gemaserte Decke, aus laminiertem Koa „gebookmatched“, macht einen hervorragenden Eindruck, erst bei näherer Betrachtung erkennt man die Nahtstelle. Das schwere Holz mit seiner kräftigen dunklen Färbung verarbeitete Gibson zum Beispiel schon in den 20er Jahren. Die glänzend polierte Decke ist völlig flach, wie es sich für eine Flat-Top Akustikgitarre gehört – Low Budget sieht anders aus.
Abgerundet wird das edle Erscheinungsbild vor allem durch die bereits erwähnte Goldhardware, die Mechaniken, Buchse, Gurthalterungen, den Lipstick und die vier Potis einschließt. Am Deckenrand fällt außerdem ein schwarz-weißer Herringbone-Streifen auf. Mit den beiden stilisierten F-Löchern setzt sich die Magnet auch optisch von ihrem Vorbild, der Chet Atkins ab. Allerdings blättert an den Rändern der Fräsungen hier und da die hauchdünne Lackschicht etwas ab.
An eine echte Westerngitarre erinnert außerdem der Saitenhalter, der aus einem Stück Palisander geschnitzt ist, wobei das Material jedoch einen ziemlich groben Eindruck macht. Er ist mit dem typischen Unterbauch (Bottom Belly) versehen und mit sechs schwarzen Bridge-Pins bestückt, die sich ganz klassisch mit funkelnden Punkteinlagen präsentieren. Die diagonal eingelegte kompensierte Stegeinlage mit einer Nase für die B-Saite ruht sicher in der Fräsung und hält die Intonation auf ganzer Länge aufrecht. Die Stegeinlage soll aber auch die Saitenschwingungen auf den Piezo-Pickup übertragen, ansonsten käme die Magnet nämlich auch mit einer handelsüblichen E-Gitarrenbrücke aus Metall aus.
Ein Ring aus cremefarbenem Binding verbindet die Decke mit dem nicht konturierten Body. Zargen und Boden, die an eine flache Schale erinnern, bestehen aus zwei Mahagoniteilen. Die Konstruktion braucht weder Zierspan noch Boden-Binding. Das rötlich-braune Mahagoni ist hochglänzend poliert, sodass die attraktiv gezeichnete Maserung durchscheint. Die Gitarre bringt 2250 Gramm auf die Waage, die sich am Gurt bequem tragen lassen. Dabei ermöglicht die schmale Zarge jederzeit den Kontrollblick auf das Griffbrett.
Das Griffbrett aus Palisander ist – wie die Decke – von einem cremefarbenen Binding umfasst. Der Elektrogitarrist findet hier überall seine gewohnten Abmessungen vor, die Breitenmaße am Griffbrett entsprechen denen einer E-Gitarre, denn 4,3 cm werden in der Regel auch am Sattel einer E-Gitarre gemessen. Der Daumen kann deshalb nicht nur in der Open-String Position eingreifen, sondern auch im 12. Bund, wo das trapezförmige Griffbrett eine Breite von 5,3 cm erreicht. Ein sanftes Shaping erleichtert das Spiel mit Barrégriffen. 21 sauber abgerichtete Bünde mit schmaler, abgerundeter Bundkrone bieten den Komfort, den der Elektrogitarrist gewohnt ist.
Der Hals hat nur eine ganz sanfte Krümmung, aber die Saitenlage stimmt. Im 15. Bund beträgt der Abstand der dicken E-Saite zum Griffbrett lediglich 0,5 cm, trotzdem kann man der Gitarre auf ganzer Länge einen schnarrfreien Ton ohne Dead Notes entlocken. Ohne Probleme erreicht man auch den letzten Bund, denn der Korpus ist am 16. Bund angesetzt. Aber auch der rund geschwungene Single-Cutaway sowie der flache Halsfuß unterstützen solistische Aktivitäten in den höheren Regionen. Sieben funkelnde Griffbrettmarkierungen (Saturn Inlays) unterstützen den Spieler optisch, kleine schwarze Punkte auf der Umfassung geben ebenfalls Auskunft über die jeweilige Lage der Greifhand.
Das Griffbrett ist fachgerecht auf dem Nato-Hals verleimt. Nato? Das klingt zwar sehr martialisch, aber man darf die Bühne auch ohne Kriegsbemalung betreten. Nato hat nämlich ähnliche Eigenschaften wie Mahagoni, ist aber preiswerter. Selbstverständlich braucht dieser dünne Hals eine Verstärkung aus Metall, denn am Sattel (im 12. Bund) hat er einen Umfang von nur 11,5 cm (13,5 cm). Ohne Truss Rod hält das kein Hals auf Dauer aus, außerdem wird mit ihm bei Bedarf die Halskrümmung eingestellt. Das justierbare Ende schließt mit einer Mutter unter einer Abdeckung an der Kopfplatte ab. Der passende Schlüssel gehört zum Lieferumfang.
An der rechten und linken Seite der geschlossenen, ästhetisch geformten Kopfplatte befinden sich je drei goldverchromte, gekapselte Grover-Mechaniken mit Stimmflügeln aus Kunststoff, wie man sie auch bei teuren Gitarren vorfinden kann. Sie halten nicht nur die Stimmung aufrecht, sondern lassen sich auch leicht und präzise bedienen. Auf der Oberseite der Kopfplatte prangt das HB-Logo und im Zentrum eine Crown-Einlage.