Ein Gitarren-Bausatz für den Nachwuchs-Gitarristen, wie der von Harley Benton in unserem bonedo-Test, mag heute etwas exotisch anmuten. Aber es gab Zeiten, in denen der Markt nicht von preisgünstigen Instrumenten aus Fernost überschwemmt war, und die es bis zu uns schafften, waren qualitativ nicht unbedingt das Maß aller Dinge. Heute sieht die Welt etwas anders aus, und der Selbstbau einer Gitarre muss nicht unbedingt dem kleinen Budget geschuldet ein. Wer Spaß am Handwerkeln hat und sich sein ganz eigenes Instrument schaffen möchte, für den hat Harley Benton eine ganze Reihe von Bausätzen in den bewährten klassischen Gitarrenformen im Angebot.
Bei unserem Test-Bausatz handelt es sich um den Nachbau einer Gibson SG, die man vermutlich aus rechtlichen Gründen kurzerhand “Double Cut Style” genannt hat. Das Ganze ist mit 89 Euro sehr preiswert, sodass man eigentlich nichts falsch machen kann. Oder doch? Unser Redakteur Robby Mildenberger hat sich in den Bastelkeller begeben und sich als Gitarrenbauer versucht.
Details
Konzept
Bei unserem Bausatz handelt es sich zwar ohne Zweifel um die Kopie einer SG, aber an die historischen Vorlagen hat man sich nur bedingt gehalten. Es fängt damit an, dass der Bausatz im Gegensatz zum Original einen geschraubten Hals hat. Das erklärt auch den handlichen Karton, in dem das Ganze verschickt wird. Wäre der Hals eingeleimt, hätte man es mit einem Karton in üblicher Gitarrengröße zu tun. Ebenfalls Gibson-untypisch ist der Korpus aus Lindenholz gefertigt und nicht, wie beim Original, aus Mahagoni. Ebenfalls aus Mahagoni fertigt Gibson übrigens auch die Hälse der SG Modelle. Das hier verwendete Ahorn ist zwar bei vielen Herstellern im Zusammenhang mit einem Palisandergriffbrett Standard, nicht aber bei Gibsons SG-Modellen. Mit diesen Erkenntnissen kann man sich schon anhand der verwendeten Hölzer ausrechnen, dass der Sound der fertigen Gitarre den einer Original-SG nicht ganz treffen kann. Aber dazu komme ich später. Gitarrenbau- und Lötkenntnisse beim Zusammenbau sind zwar nicht von Nöten, ohne handwerkliche Grundkenntnisse sehe ich allerdings schwarz. Wer nicht weiß, wie man eine Schraube anzieht oder wie eine E-Gitarre grundsätzlich aufgebaut ist, wird vermutlich scheitern. Hat man aber schon einmal den Hals einer Gitarre ausgebaut oder getauscht und weiß, wie Mechaniken und Saitenhalterungen funktionieren, sollte keine Probleme haben. Ich hatte die Gitarre jedenfalls nach knapp 75 Minuten spielbereit.
Die Vorbereitung
Bevor man mit dem Zusammenbau beginnt, sollte man sich einige Werkzeuge bereitlegen. Dazu gehören ein kleiner und ein großer Kreuzschraubendreher sowie ein mittelgroßer und ein großer Schlitzschraubendreher. Wer möchte, kann beim Verschrauben des Halses einen Akkubohrer verwenden, weil man hier etwas mehr Kraft einsetzen muss, um die beiden Komponenten bombenfest miteinander zu verbinden. Die flachen Muttern der Mechaniken, des Kippschalters und der Potis sollte man nach Möglichkeit mit einem passenden Maulschlüssel anziehen und nicht mit der Kombizange. Ich spreche aus eigener Erfahrung, denn ich habe schon so manche Decke beim Abrutschen verschrammt. Trotzdem ist eine Kombizange und/oder Spitzzange als Grundausstattung nicht schlecht, wenn man improvisieren muss. Die Gewindehülsen von Tailpiece und Bridge arbeitet man am besten mit einem Gummihammer oder einem normalen Hammer in Verbindung mit einem Holzkeil in den Korpus. Ein Lötkolben wird nicht gebraucht, weil alle elektrischen Komponenten gesteckt werden.
Die Bauteile
Die Kleinbauteile sind in Gruppen unterteilt und in zahlreiche kleine Tütchen verpackt. Ich habe mich letztlich auch wegen der Fotos dazu entschlossen, die Inhalte der Tüten in einzelne Gläschen zu geben und die Plastikverpackungen und den Karton aus dem Weg zu schaffen, um besser arbeiten zu können. Alle Schräubchen und Bauteile auf einen Haufen zu kippen halte ich übrigens für eine schlechte Idee, weil man dann im entscheidenden Moment zu lange suchen muss. Stattdessen sollte man systematisch mit dem Zusammenbau beginnen und die einzelnen Gläser bzw. Tütchen nacheinander abarbeiten.
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Der Zusammenbau
Bei der Bauanleitung hat sich der Hersteller viele Gedanken gemacht, um den Zusammenbau so einfach wie möglich zu gestalten. Trotzdem habe ich einige Änderungen im Ablauf vorgenommen. So habe ich mich dazu entschlossen, Hals und Korpus so weit wie möglich separat zu montieren, bevor beide miteinander verschraubt werden. Das hat unter anderem den Vorteil, dass man nicht immer das komplette Instrument drehen muss, wenn irgendwo ein Schräubchen an der Reihe ist. Als erstes habe ich mir den Hals vorgenommen und die Mechaniken montiert. Aber Vorsicht, Mechaniken gibt es in Links- oder Rechts-Ausführungen. Weil hier jeweils drei Mechaniken auf den gegenüberliegenden Seiten der Kopfplatte angebracht werden, haben wir es logischerweise mit drei linken und drei rechten Modellen zu tun. Richtig liegt man, wenn das vorgebohrte Schraubenloch mit dem an der Grundplatte übereinstimmt. Für die Montage werden die Mechaniken von der Halsrückseite durch die einzelnen Locher geschoben und von vorne mit den dazugehörigen Gewindehülsen und Unterlegscheiben verschraubt. Jetzt noch die Grundplatte an der Halsrückseite festschrauben – fertig.
Anstatt den Hals jetzt schon mit dem Korpus zu verschrauben, habe ich mich zuerst dem Korpus gewidmet und die Potis, den Kippschalter und die Klinkenbuchse von hinten in das Elektronikfach eingebaut. Damit man bei den Potis nichts verwechselt, muss man sich einfach merken, dass die Tone-Potis (das sind die Potis mit Kondensator) in Richtung Ausgangsbuchse gehören. Später werden die beiden Tonabnehmer über Steckverbindungen an die übrige Elektronik angeschlossen, der Stegpickup kommt einfach an den unteren und der Halstonabnehmer an den oberen Anschluss. Nun wird das Erdungskabel durch den Kabelkanal geschoben, der auch für die Anschlüsse der beiden Humbucker gedacht ist. Innerhalb der Aussparung für den Steghumbucker führt ein weiterer Kanal in die untere Bohrungen von einer der Steg-Gewindehülsen. Hier steckt man das abisolierte Ende des Kabels ein und fixiert es, indem man die Gewindehülse von der Decke aus hereindrückt.
Wenn auch die restlichen Gewindehülsen für die Brücke und die Saitenhalterung in die vorgebohrten Löcher gedrückt worden sind, wird der Hals mit dem Korpus verbunden, noch bevor das Schlagbrett montiert wird. Dazu schiebt man den Hals von vorne vorsichtig in die Halsausfräsung, anschießend dreht man die Gitarre um und schraubt den Hals mitsamt der Backplate und der schwarzen Schutzdichtung auf den Korpus. Hier habe ich einen Akkubohrer eingesetzt, der den Vorgang beschleunigt und hilft, die Schrauben wirklich bombenfest im Korpus zu verankern.
Bevor das vormontierte Schlagbrett angeschraubt werden kann, müssen die Kabel der beiden Humbucker durch den Kanal zum Elektrofach geleitet und mit den entsprechenden Steckkontakten verbunden werden. Dann wird das Pickguard und die Abdeckung des Elektrofachs mit den dazugehörigen Schräubchen fixiert. Nun werden die Saiten aufgezogen und Bundreinheit und Saitenhöhe eingestellt.
So weit so gut, aber …
Erst nachdem ich die Saiten aufgezogen hatte, konnte ich sehen, dass die Saitenlage trotz völlig heruntergedrehter Bridge noch extrem hoch war. Also Saiten gelockert, Schlagbrett abgeschraubt und den Hals wieder runtergenommen. Normalerweise mag ich es nicht, wenn man den Hals in der Korpusausfräsung unterfüttern muss, aber bei einer 89-Euro-Gitarre … Ein etwa ein Millimeter starker Furnierstreifen sorgt am korpusseitigen Ende der Halstasche für einen etwas größeren Neigungswinkel des Halses. Gesagt getan und siehe da, schon besser. Aber damit nicht genug. Jetzt musste ich noch die Saitenkerben am Sattel tiefer feilen, weil die Saiten besonders im Bereich der ersten drei Bünde beim Greifen so stark geknickt wurden, dass ein sauberes und verstimmungsfreies Spielen unmöglich war. Dabei geht es für meinen Geschmack schon etwas zu weit in die Gitarrenbauer-Materie, denn nicht jeder weiß, wie man einen Sattel tiefer feilt. Nebenbei bemerkt kann ein Satz Sattelfeilen, je nach Qualität, schnell so viel kosten wie unser kompletter Bausatz. Ein weiteres Problem sind die beiden nicht perfekten Ausfräsungen für die Pickups. So steht der Halshumbucker nach dem Befestigen des Pickguards schräg, weil die Aussparung im Korpus mit der auf dem Schlagbrett nicht perfekt übereinstimmt.
Norbert Carle sagt:
#1 - 15.05.2015 um 18:20 Uhr
Hallo Ronny,
danke für den guten und ehrlichen Testbericht. Wo aber ist dein Bericht über den Bass-Bausatz? Ich habe alle Testseiten unter Bass und Gitarre durchgesehen, den Bericht jedoch nicht gefunden.
Gruß Norbert
Robby Mildenberger sagt:
#1.1 - 16.05.2015 um 12:28 Uhr
Hallo Ronny,
der Bass-Bausatz-Testbericht ist gerade in der Mache und kommt in Kürze.
Gruß Robby
Antwort auf #1 von Norbert Carle
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