Praxis
Ich gebe es zu, der Marquess-5 wirkte auf mich anfangs nicht besonders einladend, denn ich hatte die Befürchtung, dass die kantige Korpusform relativ unkomfortabel in der Handhabung sein würde. Umso überraschter war, als ich den Budget-Fünfsaiter zu ersten Mal “anprobiert” und eine zeitlang gespielt habe: Der Marquess ist tatsächlich nämlich ausgesprochen handlich und hängt gut ausbalanciert am Gurt. Eine leichte Kopflastigkeit lässt sich zwar nicht verleugnen, mit einem rutschsicheren Gurt ist davon aber nicht mehr viel zu spüren. Darüber hinaus liegt der Bass sehr stabil am Körper und drückt nicht unangenehm in die Rippen – die Shapings sitzen also an der richtigen Stellen.
Bei meinem Testexemplar handelt es sich zudem um ein richtiges Leichtgewicht. Er bringt gerade mal 4kg auf die Waage und kann damit auch über längere Zeit ohne spürbare Belastung gespielt werden. Ich denke allerdings, dass es in der Serie, wie bei Budget-Instrumenten üblich, durchaus gelegentlich Gewichtsschwankungen geben wird. Wer ein rückenfreundliches Exemplar sucht, sollte bei der Bestellung vorsichtshalber also darauf hinweisen und wird dann von Thomann sicherlich keinen “Bootsanker” geliefert bekommen.
Beim Hals hat sich Harley Benton für ein flaches C-Profil entschieden und einen guten Kompromiss zwischen hohem Spielkomfort und solider Haptik gefunden – er lässt sich in allen Lagen mühelos spielen, fühlt sich dabei aber nicht zu grazil an. Unangenehme Bremseffekte beim Lagenwechsel werden durch das dünne Finish auf dem Rücken verhindert.
Es gibt allerdings einen Punkt, welchen man als extrem penibler Tester an der Ergonomie des Marquess kritisieren könnte: Die tiefen Lagen liegen aufgrund der Architektur des Instrumentes relativ weit weg vom Spieler und sind deshalb nicht so leicht zu erreichen wie bei so manch anderem Bassmodell mit extralanger Mensur. Ich habe diesen Umstand schon beim Test des Viersaiters festgestellt und erwähnt, beim Fünfsaiter fühlt man ihn aufgrund der extralangen 35″-Mensur natürlich noch etwas deutlicher.
Aus klanglicher Sicht stehen die Vorzeichen allerdings richtig gut, denn der Bass schwingt ausgesprochen stark und liefert schon trocken gespielt einen ausgewogen-soliden Sound mit sattem Sustain. Es gibt auf dem Griffbrett keinen einzigen Ton, der stumpf oder dünn klingt – das ist bei einem Schraubhals-Bass in dieser Preisklasse durchaus bemerkenswert!
Oha, dieser fünfsaitige Harley Benton Marquess schiebt wirklich ein ordentliches Pfund raus – dabei ist der EQ ja noch nicht einmal im Spiel! Die beiden Humbucker sorgen für satte Bässe und Tiefmitten, der obere Bereich wird dagegen eher mild abgebildet. Dennoch fehlt es dem Bass aber nicht an Transparenz oder Durchsetzungsvermögen – mit diesem fetten Allround-Sound kann man auf jeden Fall schon zahlreiche stilistische Genres abdecken. Mich überzeugen die No-Name-Humbucker im Marquess 5 sogar mehr als die Singlecoils, welche im viersaitigen Modell verbaut sind. Sie klingen in meinen Ohren einfach noch eine Spur detailreicher und lebendiger.
Für dich ausgesucht
Über alle Zweifel erhaben ist auch die H-Saite des Marqess-5: Die tiefen Töne verfügen über jede Menge Definition und klingen absolut solide und stramm. Ich habe schon deutlich schlechtere H-Saiten-Saiten bei Bässen gehört, für die man das Zehnfache des Preises für den Marquess-5 auf die Theke blättern muss!
Mit dem Höhenregler lässt sich der leicht gedeckt klingende Marquess im Handumdrehen wirkungsvoll aufhellen. Der Sound wird klarer und bissiger, ohne zu nerven – die Abstimmung des Höhenbandes ist absolut auf den Punkt. Für die Aufnahme des folgenden Slap-Beispiels habe ich zusätzlich die Bässe mit der Onboard-Elektronik etwas geboostet. Hierbei ist jedoch etwas Fingerspitzengefühl angezeigt, denn der EQ greift ziemlich tief und verstärkt unter Umständen auch unerwünschte Dröhn-Frequenzen. Alles in allem erledigt der G&B-Preamp seinen Job aber wirklich gut und arbeitet lobenswerterweise sehr nebengeräuscharm.
Wer es etwas deftiger mag, blendet einfach auf den Halstonabnehmer und erntet einen knurrigen Sound mit leichtem Preci-Charakter. Die neutrale Variante ohne EQ gefällt mir wirklich sehr gut – der Sound ist sehr solide und klar. Für Vintage-Genres gibt es natürlich besser geeignete Bassmodelle als den Marquess. Wenn man aber die Höhen mit der Onboard-Elektronik stark absenkt und die Bässe leicht boostet, kommt man aber auch mit unserem eher modern ausgelegten Testkandidaten grob in die Oldschool-Richtung. Ein toller Sound für den Einsatz in R&B- und Soul-Bands, wie ich finde:
Rockiger geht auch: Für den punchigen Sound im nächsten Clip habe ich den Halstonabnehmer in der Lautstärke minimal zurückgenommen und die Höhen dazu heftig aufgedreht:
Der Humbucker in der Stegposition liefert einen knurrig-präsenten Sound und überträgt selbst im Solomodus ausreichend tiefe Frequenzen für tragfähige Begleitgrooves. Wer es etwas runder und milder mag, boostet mit der aktiven Klangregelung einfach die Bässe zu 50% und nimmt die Höhen etwas zurück. Das Resultat ist ein schöner Sound für filigranere Stilistiken oder den Einsatz in einer Fusion-Band: