Praxis
Sound/Bespielbarkeit
Der Hals liegt sehr angenehm in der Hand und besitzt genug “Fleisch”, um punktgenaue Bendings zu realisieren. Auf dem Schoß zeigt sich die Harley Benton etwas kopflastig, was aber nicht weiter ins Gewicht fällt, denn sobald man sie spielt, ruht der rechte Arm auf dem Korpus und alles ist sprichwörtlich im Lot. Am Gurt tritt die Kopflastigkeit übrigens weit weniger auf. Durch ihre Mensur von 610 mm ist ein ausgesprochen entspanntes Bespielen möglich, dank der sehr guten Einstellungsarbeiten scheppert auch nichts, alle Saiten schwingen lang und gleichmäßig aus.
Aufgrund der individuellen An-/Aus-Schalter der beiden Pickups sind drei Positionen wählbar, allerdings empfinde ich den Vorgang als etwas umständlich, denn es müssen meist beide Schalter betätigt werden. Auch wenn dies beim Original abgeschaut ist, hätte man es bei unserer Kandidatin meiner Meinung nach mit einem Dreiwegschalter galanter lösen können. Aber das sehen traditionsbewusste Musiker sicherlich anders.
Ich schließe die MS-60 an meinen JVM 410 Marshall an, der eine 2×12″ Box mit Vintage 30 Speaker antreibt, die mit einem SM57 abgenommen werden. Weitere Klangveränderungen finden natürlich nicht statt!
Los geht es wie immer clean und durch alle drei Pickup-Positionen, beginnend am Hals-PU.
Die MS-60 macht einen ausgesprochen guten Eindruck am cleanen Amp, denn alle drei Positionen klingen amtlich. Der Hals-PU liefert einen schönen runden Ton, die Kombination aus beiden Tonabnehmern bietet den typischen glasigen Sound, der dem einer Strat sehr nahekommt und auch der Kollege am Steg drückt seinen markanten, mittigen Sound aus den Speakern. Allerdings ist ein hörbarer Lautstärkeunterschied beim Wechsel vom Hals- zum Steg-Pickup vernehmbar, der auch durch ein Verändern der Pickup-Höhe nicht wirklich in den Griff zu bekommen ist.
Weiter geht es mit derselben Einstellung am Amp, jetzt jedoch gestrummt.
Im Vergleich zum vorherigen Beispiel klingen die Pickups jetzt insgesamt etwas härter und dünner, was kein Nachteil sein muss, denn je nach Abschlagshärte lässt sich so ein recht breites Spektrum an verschiedenen Klängen realisieren.
Mit Mustangs wird meist der klassische Surf-Sound assoziiert, daher jetzt ein entsprechendes Beispiel.
Mit einer gehörigen Prise Federhall und einem Slap-Delay kommt ein authentischer Surf-Sound zustande, der schlicht und ergreifend Spaß macht. Der Steg-Tonabnehmer bietet einen durchsetzungsfähigen, aber nicht schrillen Grundsound, also eine gute Ausgangsbasis.
Für dich ausgesucht
Der Ton ist relativ holzig, was in diesem Fall auch durchaus gewollt ist. Die Attacks werden direkt und dynamisch wiedergegeben. Aufgrund der ausgeprägten Mitten setzt sich der Hals-PU im Bandkontext gut durch.
Im nächsten Beispiel bringe ich den Amp in den Crunch-Modus und schalte wieder alle drei Positionen durch, beginnend am Hals.
Interessanterweise zeigt sich der Hals-PU hier recht glasig und gar nicht so durchsetzungsstark wie im cleanen Kanal des Amps. Dafür kann die Mittelstellung und der Steg-Singlecoil mit guten Resultaten punkten. Der Nebengeräuschpegel steigt aufgrund der Singlecoils an, selbst in der Mittelstellung ist keine Linderung zu vernehmen.
Ich habe im letzten Beispiel den Amp in den High-Gain-Kanal gebracht und schalte auch hier alle drei Positionen der Pickups durch.
Nein, das ist sicherlich nicht ihre Spielwiese, aber dafür ist die Harley Benton auch garnicht ausgelegt, denn die Kombination aus kurzer Mensur und Singlecoils mag den cleanen Amp einfach mehr.
Trotzdem kommen interessante Klänge heraus, die dem experimentierfreudigen Musiker ein Lächeln ins Gesicht zaubern dürften. Unter uns und Hand auf’s Herz: Einen solchen Sound, der hier problemlos mit der Kombination aus Gitarre und Amp gelingt, den zaubert man nicht einfach so aus einem Effektgerät oder einem Plugin!