Praxis
Standards mit erweiterten Möglichkeiten
Ich nehme mir zuerst die Violinen aus der Abteilung „Traditional“ vor. Sie klingen etwas steril für meinen Geschmack, aber dem Verwendungszweck der Library angemessen. Schließlich geht es hier nicht um spätromantischen Orchesterklang. Bei der Artikulationsauswahl gibt es keine Überraschungen, dafür aber ein paar nette Details. So kann man zum Beispiel zwischen ein-, zwei- und vierstimmigem Legato wählen. Das zweistimmige ist mir schon begegnet, das vierstimmige nicht.
Im Spiccato gibt es die Möglichkeit zwischen verschiedenen Round Robin Einstellungen und zwischen Auf- und Abstrich zu wählen. Außerdem lässt sich eine Rate einstellen, ab der die beiden Streicharten beginnen sich abzuwechseln. Diese Features zur Feineinstellung und zum Vermeiden von Monotonie funktionieren fabelhaft, von Leblosigkeit keine Spur.
Heavy Tools
Auch bei den Tools ist Heavyocity ins Detail gegangen: bei langen Tönen erhalte ich mit „Dynamics“ per Modwheel die besten Ergebnisse, bei kürzeren mit „Velocity“. Der Umfang der Dynamik lässt sich in beiden Fällen nach Bedarf einstellen. Envelope, Space und EQ bieten keine Überraschungen. Positiv hervorzuheben ist allerdings, dass sich der EQ für jedes Mikrofon separat regeln lässt. Der Filter bietet eine ganze Reihe von Werkzeugen (Envelope, Key, Velocity, Cutoff, Resonance, Attack, Decay, Sustain) zur Bearbeitung. So lässt sich sowohl der Grundsound selbst als auch sein Verhalten auf verschiedenen Tonstufen bei unterschiedlicher Velocity bearbeiten.
Das drastischste Werkzeug findet sich unter „Performance“ aka Gate und Arpeggiator. Mit deren Parametern lässt sich der Wahnsinn gezielt dosieren, vom dezenten Pulsieren bis zum tranceanmutenden Pad ist alles drin. Die Details sind auch hier besonders gelungen. Über kleine Features wie die grundsätzliche Einstellung der Temporate in gerade oder triolische Werte werde ich mich vermutlich noch sehr lange freuen.
Spezialfall „High Ensemble Textures“
Interessant wird es bei den „High Ensemble Textures“. Diese bieten Artikulationen, die bereits stark an Sounddesign erinnern, jedoch natürlich gespielt sind. Lange Töne mit Bending, Pulsieren oder Col Legno finden sich hier. Besonders das Col Legno ist der Wahnsinn. Normalerweise wird dabei das Holz des Bogens auf die Saite fallen gelassen. Hier allerdings wird die Saite mit dem Holz gestrichen, ein Sound der in Orchestermusik ziemlich selten anzutreffen und dementsprechend in Libraries nicht zu finden ist. NOVO ist das erste mir bekannte Gegenbeispiel.
Next Level Shit: der String Designer
Vom ersten Eindruck bin ich erschlagen; Knöpfe und Regler ohne Ende und in der Mitte bewegt sich was. Aber der Reihe nach. Da die meisten von euch vermutlich ähnlich faul sind wie ich, sei als erstes angemerkt, dass der String Designer knapp 200 Presets bereithält, aufgeteilt in sechs Kategorien. Deren Namen ist Programm: Ambient, Dirty & Distorted, FX & Textures sind nur einige. Kurze Sounds sind dabei eher selten vertreten, bei den allermeisten Presets handelt es sich um organische Texturen. Die haben es allerdings in sich – alles lebt und bewegt sich. Der Streicherklang ist dabei mehr verbindende Grundlage, als dass man ihn wirklich hört. Ich bin ziemlich begeistert von meinem Ausflug durch die Presets. Manches ist mir zu viel Gate-Alarm und erinnert mich zu stark an Sounds aus der elektronischen Musik, aber die große Mehrheit der Soundscapes finde ich absolut bestechend. Sei es aufgrund ihrer Originalität, der Feinheit, mit der sie vor sich hinmorphen, oder beides.
Sollte man mit einem Preset nicht ganz zufrieden sein, so bietet NOVO eine Vielzahl von Einstellungsmöglichkeiten, um das zu ändern. Jedes Preset besteht aus drei Samples. Gefällt eine Komponente des Gesamtklangs nicht, so kann ich sie unter „Source“ ersetzen. Der Clou ist allerdings, dass sich jedes der drei Samples individuell mit den oben bereits genannten Werkzeugen bearbeiten lässt. Ich spiele an den Reglern herum, gebe diesem Sample mehr Hall, jenem ein bisschen Distortion. Auf diese Weise arbeite ich an den Schattierungen bis alles passt und egal an welchem Regler ich wie stark drehe – klanglich ist alles spitze!
Zufriedenheit ist wie so oft Einstellungssache; Cycle
Abgesehen davon, dass ich natürlich jedes Sample ersetzen kann, gibt es einen Weg Vielfalt zu erzeugen, ohne an den Reglern zu drehen. „Cycle“, eine Mischung aus rhythmischem Sequencer und Arpeggiator, bietet Einstellungen zu Offset, Attack und Release sowie eine Vielzahl rhythmischer Pattern für jedes einzelne Sample. Es gibt acht Pattern-Slots, die sich in Reihe schalten lassen, wobei die Reihenfolge variabel ist. Ich knöpfe mir ein Sample vor und wähle ein Pattern in Triangelform. Pattern Nummer zwei bekommt eine zweifache Up-Bewegung und für das dritte Pattern wird der Random-Button bemüht. Je nach Rate und Steps kann sich ein Pattern über bis zu 86 Takte erstrecken. Ich schalte die drei Pattern in Reihe und erhalte ein äußerst komplexes Ergebnis. Aber natürlich habe ich auch die Möglichkeit komplexe rhythmische Verhältnisse mit allen drei Samples zu bauen. Ein fantastisches Werkzeug, um jegliches Gefühl von Wiederholung zu vermeiden!
Für dich ausgesucht
Die Mutter aller Einstellungen; der Macro Sequencer
Die Mutter aller Einstellungen ist der Macro Sequencer, dargestellt durch das runde Fenster in der Mitte, der Macro Control. Der Sequencer sorgt für die globale Bewegung. Hier lassen sich Modulationspattern erstellen oder auswählen. Dabei werden der Grundrhythmus, die Dauer eines Patterns und die Härtegrade der Übergänge von einem Schritt zum nächsten festgelegt. Dieses Pattern dient als Grundlage für die sechs Werkzeuge (Envelope, EQ, Filter, etc.), die auch im Bereich ‚Traditional’ zur Verfügung standen, sowie für die Volume und Pan der einzelnen Samples. Fast alle Parameter dieser Werkzeuge lassen sich nun per Macro Sequencer steuern und zwar individuell für jedes Sample. So kann ich zum Beispiel einen Panoramabereich von Sample 1 auswählen (oder den Noiseanteil der Distortion, oder den Mixanteil des Reverb) und an den Macro Sequencer koppeln. Fortan wird dieser Bereich mit den Einstellungen des Macro Sequencers durchfahren. Ich habe also 3 x 8 Effekte, deren Komponenten ich einzeln steuern kann. Das ist absoluter Wahnsinn, zumal sich klanglich keinerlei Schwachstellen zeigen.
Adé Ostinato-Strings – der Loop Designer
Mir fällt sofort die gute Sortierung des Loop Designers auf. Es gibt nur zwei rhythmische Grundeinheiten, „Straight“ und „Triplet“, beide auch als Reverse-Variante. In jeder dieser Einheiten gibt es die Sets „Ambient, Motif, Rhythmic“ jeweils für die Ranges „Low, Mid, High“.
Ich lade das Preset „All Ambiences“ und bekomme nicht drei Samples, sondern drei Sample-Sets mit je einer Oktave Umfang, also 36 Loops. Ich gehe die Loops durch und weiß gar nicht wo ich stehenbleiben soll, jeder einzelne klingt fantastisch. Die Skala reicht, wie bei den Texturen auch, von subtil bis brachial, von neu bis vertraut. Durch die Abteilungen „Ambient, Motif und Rhythmic“ lässt sich der Loop Designer außerdem als eine Fortführung des String Designers nutzen. Wählt man für alle Ranges „Ambient“, so erhält man Loops, die zwar mehr Bewegung haben als eine Textur, jedoch immer noch sehr flächig funktionieren. In den vier letzten Audiobeispielen habe ich die Bewegung graduell gesteigert. Ich beginne mit Ambient in allen Ranges und arbeite mich langsam Richtung „Rhythm“ vor. Die Transformation ist gleichermaßen ausgewogen wie deutlich.