HEDD HEDDphone TWO im Praxistest
Der Test des Berliner AMT-Kopfhörers erfolgte über mehrere Tage und im häufigen Direktvergleich zu meinem Focal Clear MG Professional den ich seit einigen Jahren verwende und als einen der besten Kopfhörer für professionelle Mixing- und Mastering-Entscheidungen einschätze. Abgehört wurde über den SPL Phonitor mini und die Kopfhörerausgänge eines Universal Audio Apollo X4, das außerdem als DA-Wandler diente. Außerdem erfolgte ein kurzer Check an der Miniklinkenbuchse meines iPad (6. Gen.). Letzteres ist zwar kein „audiophiler Zuspieler“, das Abhören in einer für mein Empfinden praktikablen Lautstärke mit dem HEDDphone TWO ist aber durchaus möglich.
Das abgehörte Audiomaterial bestand aus vertrauten Fremd- und Eigenproduktionen. Hierbei kamen auch separate Produktionselemente, ungemastertes Material, virtuelle Instrumente und Test-Oszillatoren zum Einsatz.
Anwendungsbereich
Als Kopfhörer der offenen Bauart liegt die Verwendung klar im Bereich Mixing, Mastering und dem audiophilen Musikkonsum. In der Pressemitteilung des Herstellers wird der gewachsene Stellenwert von Kopfhörern in der Musik- und Audioproduktion betont und dass durch verschiedene Umstände sogar vermehrt auf den Einsatz von Studiomonitoren verzichtet wird. Das ist ein kontroverses Thema, aus eigener Erfahrung und meinem professionellen Umfeld kann ich dies aber weitgehend bestätigen. An dieser Stelle möchte ich vorwegnehmen, dass die Wiedergabeeigenschaften des HEDDphone TWO herausragend sind und nach meiner Einschätzung professionelle Produktionen mit dem AMT-Kopfhörer aus Berlin als einziges Abhörwerkzeug absolut möglich sind! Aufgrund der offenen Ohrmuscheln ist der HEDDphone TWO zum Einsatz beim mikrofonierten Recording selbstredend nicht geeignet.
Wie klingt der HEDDphone TWO?
Der erste Eindruck: Schon bei ersten Hörcheck erzeugt der AMT-Kopfhörer ein gewisses Vertrauen, indem er unmittelbar die Stärken und Schwächen mir bekannter Produktionen und Mixes offenbart. Dabei klingt der HEDDphone auffallend analytisch und konturiert – sowohl in Bezug auf Frequenzbereiche als auch die räumliche Ortung, ohne dabei in irgendeiner Weise überambitioniert zu wirken. In einem ersten oberflächlichen Vergleich zu meiner Referenz des französischen Herstellers Focal empfand ich die Unterschiede der Wiedergabeeigenschaften spontan als nicht sehr gravierend. Der Focal wirkte vielleicht ein wenig wärmer, organischer und „musikalischer“ als der etwas sachlichere HEDDphone TWO. Im weiteren Verlauf offenbarten intensivere Hörtests aber konkret benennbare Unterschiede. Ob man diese Unterscheidungsmerkmale nun zwingend als besser oder schlechter bewerten muss, hängt allerdings von subjektiven Präferenzen ab. Worum geht es im einzelnen und wie klingt der HEDDphone TWO?
Höhenwiedergabe
Eine detaillierte Höhenabbildung ist eine hinlänglich bekannte Eigenschaft von AMT-Wandlern. Der HEDDphone TWO ist tatsächlich etwas präsenter und filigraner im Hochton als mein Focal Kopfhörer, der die Höhen aber auch etwas milder wiedergibt als viele Konkurrenzmodelle. Die Abstimmung und Feinzeichnung der Höhen des HEDD Kopfhörers empfinde ich als sehr gelungen und keinesfalls überzeichnet oder anstrengend. Ob beispielsweise Zischlaute oder vergleichbare Elemente in einem Mix stören oder tolerierbar sind, lässt sich einwandfrei bewerten.
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Mittenwiedergabe
Mittlere Frequenzen werden vollkommen natürlich ohne nasalartige Resonanzen oder unterrepräsentierte Frequenzbereiche wiedergegeben. Im direkten Vergleich zum Focal Clear Mg Professional fällt bei diesem lediglich ein etwas stärkerer Fokus auf die unteren Mitten auf, wodurch Gesangsstimmen im Einzelfall etwas wärmer und intimer klingen können. Solch nuancierte Unterschiede, auf die man sich in kürzester Zeit einhört, möchte ich aber weder als besser oder schlechter bewerten.
Basswiedergabe
Die akkurate Wiedergabe und Beurteilung tiefer Frequenzen ist ein vielfach wunder Punkt vieler (zeitgenössisch-kompromissbehafteten) Produktionsumgebungen. Der HEDDphone TWO besitzt alle Eigenschaften zur professionellen Beurteilung und Bearbeitung von Bässen bis in den Subbereich. Die Kontur und Tonalität ist top (Bassdrum und Bass sind fast beispiellos separiert!) und auch die Quantität empfinde ich als sehr gelungen. Dennoch sind mir Kollegen bekannt, die der Basswiedergabe meines Focal Kopfhörers wahrscheinlich den Vorzug geben würden. Dieser besitzt ebenfalls eine exzellente Tonalität, erzeugt aber etwas mehr emotionalen Druck (ugs. „Bumms“) in den tiefen Frequenzen. Der Check mit Apple Logics Test-Oszillator offenbart unter anderem eine weniger steile Dämpfung im Subbass unterhalb von 40 Hz beim Focal Kopfhörer. Die Praxisrelevanz dieser Erkenntnis sollte man aber auch nicht überbewerten. Zudem hat man als Käufer ja lange Zeit, um herauszufinden, ob der HEDDphone TWO in dieser und natürlich auch anderen Disziplinen den eigenen Präferenzen entspricht.
Impulstreue & Ortung
Sowohl Transienten als auch tieffrequente Impulse präsentieren sich authentisch und akkurat der fachmännischen Beurteilung. Präzision ist eine herausragende Eigenschaft des HEDDphone mit seinen hervorragend gematchten Wandlern. Beim Sinus-Sweep über den gesamten Hörbereich gerät manch ein marketing-deklarierter Referenzkopfhörer für Mix und Mastering schon mal ins Schlittern. Der HEDDphone absolviert diese Teststation überdurchschnittlich homogen ohne nennenswerte Pegeleinbrüche und Abweichungen innerhalb beider Stereokanäle. Das praxisrelevante Resultat ist eine präzise Ortung und Staffelung einzelner Mixbestandteile/Instrumente auf der Stereobühne. Diese ist übrigens im positiven Sinne noch etwas enger als die Bühne meines Focal Kopfhörers. Der Effekt: ein etwas organischerer Raumeindruck, der fast einem subtilen Crossfeed ähnelt. Doch auch hier gilt: Eine zusätzliche Prise Crossfeed meines SPL Kopfhörerverstärkers schadet nie und erhöht die Natürlichkeit und Tiefenempfindung nochmals.
Neuer Sound?
Abschließend wäre zu ergänzen, dass mir das Vorgängermodell leider nicht bekannt ist, somit ist es mir nicht möglich, etwas zu potenziellen Klangunterschieden zu sagen. Laut Hersteller wurden keine Änderungen der Abstimmung kommuniziert und mein Autorenkollege Nick Mavridis, der vor drei Jahren den HEDDphone („ONE“) im Review hatte, wollte nach einem kurzen Check des HEDDphone TWO aus dem Hörgedächtnis keine konkreten Unterschiede „belastbar“ benennen.
Trageeigenschaften des HEDDphone TWO
Ein auffälliges Unterscheidungsmerkmal zum Vorgängermodell ist die Bügel/Kopfbandkonstruktion, das sogenannte HEDDband. Wie man es bereits von klassischen AKG-Kopfhörern oder schweren Magnetostaten der Audeze LCD-Serie kennt, besitzt der HEDDphone TWO keinen gepolsterten starren Kopfbügel, sondern ein darunter hängendes gepolstertes Kopfband. Das Ungewöhnliche hieran ist dessen individuelle Größeneinstellung mithilfe eines Riemensystems. Tatsächlich nimmt die Anpassung etwas mehr Zeit in Anspruch als entsprechende Lösungen anderer Hersteller, aber solange man den Kopfhörer nicht im Wechsel mit anderen Personen verwendet, nimmt man diese Einstellung auch nur ein einziges mal vor. Das Resultat ist ein gut sitzender und trotz des Gewichts von 550 g (718 g beim Vorgängermodell) noch überraschend komfortables Tragegefühl.
Auch die auffallend dicken und sehr weichen Ohrpolster begünstigen den Tragekomfort maßgeblich. Die asymmetrisch geformten und großzügig dimensionierten Polster passen sich meiner Kopfform perfekt an und mildern den Anpressdruck effektiv. Durch die Verwendung von Kunstleder lassen sich bei entsprechenden Temperaturen schwitzige Ohren nicht ganz vermeiden, aber dieses Schicksal teilt der HEDDphone TWO mit vielen Konkurrenzmodellen, die nicht mit Echtleder- oder Velourspolstern ausgestattet sind.
Selbstverständlich fallen mir einen Reihe von (leichteren) Kopfhörern mit höherem Tragekomfort ein. Das Arbeiten mit dem HEDDphone TWO empfinde ich aber auch über einen längeren Zeitraum als vollkommen akzeptabel und wäre für mich definitiv kein Ausschlusskriterium.
Was während des Praxistests sonst noch aufgefallen ist …
Ein offenbar typisches Artefakt der gefalteten Membran sind gelegentliche Knistergeräusche, die allerdings nur auftreten, wenn man den Kopfhörer aufsetzt und dabei leichten Druck auf die Ohrmuschel ausübt. Während des Abhörens, auch bei Kopfbewegungen, treten diese Geräusche allerdings nicht auf, womit dies als unproblematisch zu bewerten ist. Verbesserungspotenzial sehe ich aber in dem vom Kabel übertragenen Körperschall in die Ohrmuscheln*. Dieser gelegentliche Störenfried ist nicht gravierend und in den meisten Monitoring-Situationen unproblematisch. Im ungünstigsten Fall kann dies aber dennoch zu einer Fehleinschätzung bei der Qualitätskontrolle von Produktionen führen, wenn man zufällig einen Teil des Kabels berührt. Bei meinem Focal Kopfhörer und meinem AKG K812 sind Kabelberührungen deutlich gedämpfter bzw. kaum wahrzunehmen.
*Hinweis: Es handelte sich bei unserem Testgerät um ein Vorserienmodell. Das letztliche Produkt soll diese Eigenschaft nicht mehr aufweisen. Wir werden das überprüfen und bei Bedarf die Bewertung anpassen.
Alternativen zum HEDD HEDDphone TWO
Focal Clear MG Professional | HEDD HEDDphone (1) | Sennheiser HD 660S2 |
dynamischer Referenzkopfhörer mit vergleichbarer Wiedergabequalität; klingt nuanciert etwas organischer, musikalischer und weniger analytisch; günstigere Alternative | Das Vorgängermodell ist aktuell immer noch im Angebot; günstigerer Preis, dafür höheres Gewicht | in dieser Konstellation die absolute Low-Budget-Alternative; klassischer dynamischer Studiokopfhörer mit exzellenter Wiedergabequalität zum Mixing und Mastering |