Hercules Scratch Starter Kit Test

Praxis

Und ab dafür…
Die Installation der benötigten Komponenten geschieht über das Flash-Installer-Icon im Programmordner, das ein Popup zum Aufspielen von Virtual Deejay Scratch Starter Edition aufruft und 49,6 MB auf die Macintosh HD schaufelt. Was die Hardwareanforderungen angeht, zeigt sich VDJ6 LE auf der Höhe der Zeit. 1,8 GHz und 2 GB RAM fordert der Kartonaufdruck sowohl unter Mac OS X als auch unter Windows-Versionen ab XP ein. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, was sich so manches aktuelle Betriebssystem heutzutage wegzieht. Und schließlich wird doch ein möglichst verzögerungsfreies Handling angestrebt, nicht wahr? Der Interface-Driver liegt auf der zweiten CD. Die Erfahrung lehrt jedoch, dass ein Ausflug ins weltweite Web oftmals von aktualisierten Treiberversionen belohnt wird, die dann Performancegewinne bringen oder Bugs ausmerzen. So ist es auch in diesem Fall. Hercules hat ein 4,4 MB (Mac) bzw. 21 MB (Win) großes Downloadpaket für alle hauseigenen Deejay-Produkte bereitgestellt und auch Atomix ist bereits mit einer neueren Version 6.05 am Start. Dass Virtual Deejays Beipackfassungen Hardware-gebundelt sind, heißt: Sie starten nicht ohne ein entsprechend zertifiziertes Audio-Interface oder eine MIDI-Kontrolleinheit. Das kenne ich schon von den Versionen für MIDI-Mixer Steel-Control und MK4. Also alles Equipment anschließen, installieren und nach einem Neustart kann es losgehen.

Software
Atomix Virtual-DJ ist eine Software zum Mixen digitaler Songs auf zwei virtuellen Decks. Im Unterschied zur Pro-Version ist die beigelegte SSK-Edition im Funktionsumfang stark beschnitten, was ein Blick in die Preferences bestätigt, denn hier gibt es außer der Timecode-Kalibrierung absolut gar nichts einzustellen. SSK kommt in der schicken schwarzen Sechser-Optik, die VDJ-üblich leider einen Teil der Schriften und grafischen Elemente zerreißt, wenn man auf ein Fullscreen-Format vergrößert oder das Fenster weiter aufzieht. Mich stört das. Dass es auch anders geht, beweisen nicht nur die Marktführer Native-Instruments und Serato.

Im oberen Fensterteil zeigt eine zoombare Übersicht einen vergrößerten Ausschnitt der Wellenformen an. Kleine Rechtecke visualisieren die einzelnen Takte der Songs, Deck A wird blau dargestellt, Deck B rot. Der Downbeat wird leicht vergrößert angezeigt. Liegen die Rechtecke übereinander und das Tempo ist identisch, können die Tracks, unter der Voraussetzung, dass die Dateianalyse zuvor korrekt gearbeitet hat, taktsynchron ineinander geblendet werden. Eine weitere Mixhilfe ist der vierstufige Beat-Indikator, der den Gleichlauf der Songs anhand einer aus vier LEDs bestehenden Anzeige aufzeigt. Er erleichtert besonders unerfahrenen Anwendern den Einstieg ins beatsynchrone Mixen.

Ein virtuelles Mischpult besitzt das Scratch Starter Kit nicht. Lediglich die Gain-Anpassung in der GUI ist dem User gestattet. Auch kreative Features wie Loops, Effekte oder Cuepoints suche ich vergebens. Scratch konzentriert sich rein auf das Abspielen der Songs über Timecodes. Der Betrieb an einem DJ-Mixer ist daher Pflicht. Beide Deck-Sektionen zeigen das Tempo des Soundmaterials auf das Hundertstel genau, den aktuellen Pitchwert auf das Zehntel. Auch vergangene und verbleibende Abspielzeiten berechnet die Software exakt. Die Player verarbeiten Titel, Artist- und Key-Tags. Eine clicksensitive Gesamtwellenübersicht erteilt Auskunft über die momentane Wiedergabeposition. Die rotierende Scheibe in der Mitte gibt ein visuelles Feedback über den Deck-Status und die Laufrichtung eines Songs. Im Browser-Bereich navigiert der Deejay durchs Dateisystem und erstellt virtuelle Ordner respektive virtuelle Plattenkisten, die als Ersatz zur Playlist dienen. Exportieren ist nicht. Auch der iTunes Musikordner wird eingelesen, allerdings ohne Gliederung, Playlisten oder Ratings. Möchte der DJ die Tags ändern, ist dies mit dem internen Editor indes problemlos möglich. Auch das vom großen Bruder bekannte Net Search- Feature ist mit an Bord. Es sucht im Internet nach nicht vorhandenen Tracks und spielt diese, falls die Suche erfolgreich war und der Stream verfügbar ist, auf Wunsch in einem VDJ-Deck ab.

Unterwegs
Zwar lässt sich die Timecode-Steuerung auch deaktivieren und die Decks somit per Mausklick bedienen, dennoch kann man nicht mal eben unterwegs mit der internen Soundkarte wie bei Traktor (auch LE !!!) ein paar Tracks vorhören oder In-the-mix testen, denn es fehlt ja nicht nur am Softwaremixer, sondern On-the-road dann auch meist an einer Stromversorgung fürs Interface. Sich während der Reise also ein wenig die Langeweile vertreiben, geht in dieser Hinsicht und Konstellation nicht. Blöd. Nach versehentlichem Ausstöpseln des Controllers sind am Test-Mac zudem Reboots nötig. Pech für den, der über das Kabel stolpert, denn neben Soundausfall schmiert manchmal auch gleich die gesamte Software ab und ein Neustart ist erforderlich. Wir vergleichen mit Serato und stellen fest, dass auch hier natürlich für einen Moment Stille nach einer Trennung des Interface herrscht. Wieder angeschlossen, spielt die Software nach kurzem Refresh weiter. No reboot required.

Timecodes
Werfen wir nun einen Blick auf die Steuerschallplatten. Sie sind eben und sauber im One-Minute- Split-Verfahren gefertigt. Jede Seite hat 11 Tracks und jeder Track repräsentiert exakt eine Minute Spielzeit. Normalerweise arbeiten DVS-Systeme mit mindestens zwei unterschiedlichen Interpretationsverfahren, den hinlänglich bekannten absoluten und relativen Modi, und oftmals mit einer dritten, softwarespezifischen Variante. Beim Scratch Starter Kit hingegen ist die Form des Betriebes jedoch auf die dritte Art „smart-relative“ beschränkt. Ein Versetzen der Nadel in eine andere Rille hat dabei keine Auswirkungen. Vorspulen gelingt nur durch andauerndes Drehen oder Klicken ins Wellenfenster. Manchem Party-DJ könnte dieses Handling vielleicht egal sein, wenn seine Devise Track-by-Track von Anfang bis kurz vor dem Schluss lautet. Ich finde dies jedoch sehr unvorteilhaft. Ein weiteres, in meinen Augen wichtiges Kriterium für den Workflow eines DVS-Systems ist eine laptopunabhängige Auswahl von Songs in der Musikbibliothek. Im Idealfall geschieht dies per Selection-Track, der durch den virtuellen Ordner in vorgegebener Drehrichtung browst. Das bedeutet, dass je nach Drehrichtung in der letzten Rille die Markierung in der Liste vorwärts oder rückwärts springt. Wird die Nadel wieder in eine der Standardrillen gesetzt, wird der geladene Song abgespielt. Traktor und Serato können auch durch Umdrehen der Schallplatten den nächsten Song abspielen. Mit SSK ist der Griff zum Notebook beim Nachladen indes unumgänglich (da auch MIDI-Controller nicht eingebunden werden dürfen). Auch das ist sehr schade und mir insgesamt zu restriktiv.

Um das Signal zu kalibrieren, wird das Timecode-Medienformat aus einer Liste ausgewählt. Dann wird der Plattenspieler gestartet und es erscheint ein schöner Kreis in der grafischen Oberfläche. Falls nicht, verhelfen vier Knöpfe softwareseitig (R/L, Phase, Gain und Silence) zu einem besseren Ergebnis. Das Eingangsignal kann auch an der Hardware per analogem Preamp verstärkt werden. Das beste Ergebnis wird erzielt, wenn die grünen LEDs voll beleuchtet sind. Orange und rot bedeutet eine Übersteuerung, die zu Fehlinterpretationen führen kann. Grundsätzlich sollte der DJ vor der Verkabelung auch von potenziellen Streuleitungen Abstand halten, denn diese beeinträchtigen das Signal unter Umständen signifikant. Treten während des Betriebes Störungen auf, obwohl alles korrekt eingestellt ist, etwa durch Wummerbässe, hilft unter Umständen nur ein Standortwechsel.

Zusammenwirken
Nun ist das Signal, wie an den unteren Bildern eindeutig zu erkennen ist, ausreichend klar, die virtuellen Teller drehen sich und reagieren auf Scratchbewegungen, der Song vollzieht die gleichen Moves. Absolute Scratch-Enthusiasten könnten vielleicht zu Recht bemängeln, dass Scratchen etwas schwammiger als bei SSL ist. Das stimmt. Mein ganz persönlicher Eindruck als elektronisch verwurzelter DJ ist dennoch grundsätzlich positiv. Tempo- und Richtungsänderungen werden ohne deutlich spürbare Verzögerung umgesetzt, lediglich die grafische Aufbereitung in der Softwareoberfläche und natürlich der Beatcounter hinken ein gefühltes Sekündchen hinterher. Das tut der Funktion aber keinen Abbruch, beeinträchtigt höchstens den Workflow, wenn man sich aufs Auge statt auf das Gehör verlässt.

Persönliche Einschätzung
Ich persönlich finde ein System praxistauglicher, das den absoluten Modus mitbringt, und, falls vorhanden, bei Cue- oder Loopeinsätzen in den relativen Modus wechselt. In dieser Hinsicht kann mich SSK wegen des festgelegten smart-relative Modus nicht zufriedenstellen. Diese fehlenden Features können jedoch mit dem 127-Euro-Update auf die Vollversion Einzug halten. Dann ist man bei etwa 370 Euro angelangt. Am Navigationsdefizit ändert das Update jedoch nichts. VDJ 6 spielt AAC, AIFF, MP3, OGG, WAV und WMA Audio-Dateien ab, zudem erlaubt sie das Mixen von Videodateien. Zu meiner Überraschung unterstützt die SSK-Edition auch Videofiles und -scratching, wobei die Aktualisierung der Videobilder deutlich hinterherhinkt. Zeitweise setzte während des Videoscratchens die Timecode-Kontrolle aus, während mehrfacher Stabilitätstests funktionierte auch beim Abspielen von MP3-Dateien sporadisch selbst nach einem Reboot die Timecode-Steuerung nicht mehr. Auch wurde der Controller zeitweise nach dem Aus- und erneutem Einschalten nicht mehr erkannt. In einem Produktivsystem darf das natürlich nicht passieren und auch im Hobbybereich ist dies kaum zu tolerieren. Ich hoffe, die Fehler werden schnellstmöglich behoben.

Pitch, Match and Sync
Das Angleichen von Tempo und Takt zweier Tracks nennt man Beatmatching. Im House oder in technoverwandten Genres gehört diese Disziplin zum nötigen Rüstzeug eines DJs. Er richtet sich dabei in der Regel nach den Kickdrums und ändert die Geschwindigkeit mit den Pitchfadern. Der Regelumfang lässt sich softwareseitig in neun Stufen regulieren (6,8,10,12,20,25,33,50 und 100 Prozent). Wer genau wie mit seinen Schallplatten arbeiten will, sollte den Wert der Hardware entsprechend einstellen. Also beispielsweise +/- 10 Prozent bei einem Vestax PDX 2300 Pro oder acht Prozent bei einem Technics Sl1210 MK2. Ein Betätigen des Sync-Knopfes in der Softwareoberfläche oder per Keyboard Shortcuts sorgt zwar im Notfall für unverzügliche Synchronisation, ist aber eher nicht anzuraten, da die Pitch-Einstellungen am Plattenspieler dann von denen der Software abweichen und man beim nächsten Betätigen des Temposchiebers unter Umständen sein blaues (oder rotes) Wunder erlebt. Von Zeit zu Zeit, das haben DVS-Systeme so an sich, fielen Wertesprünge beim Beatcounter auf. Diese lagen jedoch im Zehntelbereich und sind daher eher zu vernachlässigen. Der Hersteller könnte dies natürlich umgehen, indem er nur gerundete volle BPM anzeigt, tut er aber nicht. Auch die Analyse der Song-Geschwindigkeiten eines Deephouse Ordners lag zuverlässig voll im grünen Bereich.

Cuepoints
SSK wird sowohl mit Steuervinyl-, als auch mit Timecode-CDs ausgeliefert. Besitzt der CD-Player eine Cue-Taste, kann der DJ mithilfe dieser genau einen Marker setzen, der als Einsprungspunkt für einen Song dienen kann. Verwendet er stattdessen einen Plattenspieler, hat er keinen Cuepoint zur Verfügung. Kurz, schmerzlos und irgendwie auch konsequent. Dennoch ist der Umgang mit Vinyl wegen des fehlenden absoluten Modus ohne Direct-Cue-Start eingeschränkt -hier sind CDJ-Nutzer im Vorteil. Ein weiterer Unterschied zwischen CD- und Vinylsteuerung ergibt sich aus der Pitchbend-Funktion. An den meisten CD-Geräten stehen zwei Taster zur Verfügung, die den Song kurzzeitig bremsen oder beschleunigen, falls dies nicht ohnehin über ein Jogdial realisiert wird. Gerade bei älteren Geräten ist jedoch oftmals nur eine Steuerung über Bend-Taster möglich. Dies entspricht beim Plattenspieler einem manuellen Schubsen oder Bremsen am Tellerrand oder an der Spindel in der Mitte des Turntables.

Auf immer und ewig
Natürlich lässt sich das Interface auch zum Aufzeichnen eines anliegenden Signals einsetzen. Zum Beispiel kann der Deejay so seine Schallplattensammlung digitalisieren, und das sogar in 24 Bit. Dazu muss er allerdings zunächst in die Software-Kontrolle. Das T46-Controlpanel zeichnet für die Konfiguration des Interfaces verantwortlich. Hier möchte ich auf den Artikel von bonedo Autor Daniel Wagner verweisen, der bereits zum Erscheinen des Soundboliden einen Hardwaretest aufrief und dabei auch gleich ein paar Proberunden mit MIDI-Controller, Traktor Pro sowie Deckadance unternommen hat. Wie erfolgreich diese Kombinationen waren, lest ihr hier.

Es geht noch ein bisschen mehr
Wer auf VDJ6 Pro aufrüstet, bekommt mehr Features. Atomix war so freundlich, mir eine Vollversion der beliebten Software zu stellen. Da kommt es mir gerade recht, dass auch Matthias Fuchs gerade eine Lage frischer Faderfüchse an die bonedo-Redaktion versandt hat. In unserem Kreativ-Szenario geschieht nun die Steuerung der Audiodateien mithilfe der Virtual DJ Timecodes, der externe Mixer dient der Klangregelung und Überblendung, und Faderfox DL3 übernimmt die Steuerung der kreativen Bordmittel. Dazu müssen die erforderlichen Funktionen jedoch zunächst gemappt werden, denn obwohl die Vollversion von Haus aus bereits etwa 40 MIDI- oder HID-Controller unterstützt, sind die (zum Testzeitpunkt noch nicht erhältlichen) brandneuen Faderfüchse nicht im Programm. Auch das Audiorouting ist im Gegensatz zur Beipackfassung hier manuell vorzunehmen. Das ist aber nicht wirklich die Herausforderung, denn wie bei allen anderen Softwares reicht es, das ASIO-Interface auszuwählen und die Verteilung der Ein- und Ausgänge vorzunehmen. Zum Mapping: Die wichtigen Bedienelemente werden direkt in der Benutzeroberfläche ausgewählt und dann mit einem Befehl belegt. Nach einer guten halben Stunde ist alles konfiguriert und ich kann eine praktische Loop-, Cue- und Effektsteuerung vollziehen. Die CPU-Auslastungsanzeige der Software liegt – außer in der Analysephase und während des Videobetriebes – bei rund einem Viertel der Indikator-Leiste. Das ist okay.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mich vor allem das Audiointerface sehr überzeugt. Die Wandler arbeiten ansprechend, der Bolide klingt gut. Der Sound am Kopfhörerausgang ist recht klar und laut genug, um das Interface auch in Verbindung mit einem MIDI-Controller ohne externes Mischpult zu betreiben. Viele kleine Detailverliebtheiten, wie schaltbare Ein- oder Ausgangspegelmeter, eine Mikrofonbuchse mit regelbarer Verstärkung, Talkover-Button und softwareseitiger Drei-Stufen-Dämpfung, Tragegriffe, symmetrische Ausgänge und nicht zu vergessen der Dreifach-USB-Hub bringen ordentlich Mehrwert. Das Gerät ist robust und profitiert vom großzügigen Abstand der Bedienelemente, der sich aber etwas auf die Portabilität auswirkt.

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