Heritage Audio Britstrip im Test: Heritage Audio ist ein spanischer Hersteller von hochwertigem Audio-Equipment. Das Wort „heritage“, zu deutsch „Erbe“ ist dabei Programm: Die Madrilenen haben sich der „goldenen Ära“ der Tonstudiotechnik verschrieben, lassen sich dabei vornehmlich von den Entwicklungen eines gewissen Ruppert Neve „inspirieren“.
Zugutehalten muss man Heritage Audio, dass die Inspirationsquelle nicht verleugnet wird: Potiknöpfe, Frontplattenlayout, ja selbst das „H“ im Schriftzug erinnern sehr eindeutig an den Erfinder der modernen Studio-Console: Rupert Neve. Die Produkte von Heritage Audio werden übrigens komplett in Europa gefertigt!
Details
Kompletter Strip
Der Heritage Audio Britstrip ist ein Mono-Kanalzug im 19“-Format und beherbergt eine Mikrofonvorstufe, einen 3-Band-Equalizer mit Hochpassfilter und einem Kompressor. Die Vorstufe und der Equalizer basieren auf der Schaltung des berühmten 1073-Kanalzugs, den Rupert Neve 1970 entwickelt hat und der damals in kürzester Zeit Kultstatus erlangte – was die Firma Neve in der Folge auf die Pole Position der Mischpulthersteller für Tonstudios katapultierte. Der Kompressor im Britstrip nennt sich „Successor“ und ist eine Eigenentwicklung von Heritage Audio. Aber ganz frei vom Geiste eines Rupert Neve ist auch dieser Eigengewächs nicht: Hier kommt die eher selten genutzte Kompressionstechnik mit einer Diodenbrücken-Schaltung zum Einsatz, wie Neve sie zum Beispiel in seinem 33609-Kompressor eingesetzt hat.
Erster Eindruck: Robust!
Der Heritage Audio Britstrip steckt in einer 19“-Zoll Höheneinheit, das Gehäuse besteht vollständig aus dickem Metallblech, was neben der Haltbarkeit auch eine gute Abschirmung der sensiblen Elektronik gewährleistet. Die Deckenplatte lässt sich sehr einfach entfernen, dann hat man vollen Zugriff auf das Innenleben. Entweder zu Servicezwecken – oder um sich am sauberen Aufbau zu erfreuen und/oder den tollen Bauteilen: Ein- und Ausgangstrafo von Carnhill (die zusammen schon mehr kosten als manch einer für eine Preamp ausgeben möchte), der mehrstufige Drehschalter für die Gain-Einstellung, drei große Induktoren (für den EQ), Folienkondensatoren vom deutschen Hersteller Wima… Wer sich ab und an fragt, ob der vergleichsweise hohe Preis eines Gerätes wie dem Britstrip gerechtfertigt ist, findet hier die Antwort: Ja, weil nichts an oder im Heritage Audio Britstrip billig ist!
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Anschlüsse: hinten
Bis auf die DI-Sektion befinden sich beim Heritage Audio Britstrip alle Anschlüsse auf der Geräterückseite. Der Eingang ist doppelt vorhanden. Einmal für Mikrofone, mit einer wählbaren Eingangs-Impedanz von 300 oder 1200 Ohm, umgeschaltet wird mit dem LOZ-Taster auf der Frontplatte. Zudem gibt es einen separaten Line-Eingang mit einer Eingangs-Impedanz von 10 kOhm. Zwischen dem Mic- und dem Line-Eingang wird mit einem Schalter auf der Front umgeschaltet. Man kann den Britstrip also fest im Rack installieren und dauerhaft verkabeln, zum Wechsel zwischen Mic und Line muss nichts mehr umgesteckt werden – ein praktisches Feature, das den Studioprofi freut!
Let the Show begin!
Die linke Vorderseite des Heritage Audio Britstrip gehört der Eingangssektion mit seinem großen roten Marconi-Drehknopf zur Gain-Einstellung. Wie beim Original Neve-Preamp wird die Verstärkung nicht über ein Potentiometer, sondern über einen Drehschalter eingestellt. Der im Britstrip verbaute Schalter lässt sich sehr angenehm betätigen, mit jedem Klick steigt das Gain um 5 dB, ganz wie beim echten 1073 Preamp. Sprünge von fünf Dezibel sind in der Praxis natürlich ganz schön groß, zu groß für so manches Signal, um es noch akkurat einzupegeln. Den perfekten Aufnahmepegel erreicht man am Ende mit dem Output-Trim-Regler, der quasi das Pendant zu einem Mischpult-Fader ist. Auf der Frontplatte sitzt dieser Regler zwar zwischen EQ und Kompressor, im Signalfluss liegt er aber wirklich am Ende der Kette, vor der Ausgangsbuchse. Ein schaltbare Phantomspeisung, ein Phasenumkehrschalter und ein -20 dB Pad vervollständigen die professionelle Ausstattung des Preamps.
Kleine Buchse, große Freude!
Manchmal sind es die kleinen Dinge, die einem den Tag verschönern, beim Heritage Audio Britstrip ist es ein kleines Detail in der DI-Sektion: Diese besitzt nämlich einen Thru-Ausgang! Jede noch so popelige Standard-DI-Box hat diese zweite Klinkenbuchse, an der das Eingangssignal direkt wieder zum Amp geschickt werden kann. Bei 19“-Zoll-Geräten ist mir diese zweite Buchse bisher tatsächlich noch nicht untergekommen und seit der Britstrip vor mir steht, frage ich mich: Warum eigentlich? Es ist doch gang und gäbe, einen E-Bass mit einem Mikrofon vor dem Amp und einem direkten DI-Signal aufzunehmen – und das geht eben mit dem Britstrip dank Thru-Out sehr einfach und ohne digitales Herumumgeroute (die Di-Box kann in der Schublade bleiben). Und weil die Madrilenen konsequent sind, besitzt die Thru-Buchse einen Ground-Lift-Schalter, mit dem die Masseverbindung bei Brummproblemen unterbrochen werden kann. Der DI-Eingang hat einen Eingangsimpedanz von über 2 Megaohm. Hoch genug, nicht nur für Saiteninstrumente mit induktiven Pickups: Auch mit einem Piezo-Signal kommt der Britstrip zurecht.
Verbiegen, aber musikalisch!
Beim Equalizer des Heritage Britstrip handelt es sich um einen aufgebohrten 1073-EQ mit drei Bändern plus Highpassfilter. Die beiden Außenbänder sind klassische, sanft ansteigende Shelving-Filter (nach Peter Baxandall), besitzen aber einen zusätzlichen Peak-Modus. Im Peak-Modus wird aus dem Kuhschwanzfilter eine Glockenkurve. Das Mittenband besitzt zwei schaltbare Q-Werte, im „normalen Modus“ ist die Flankensteilheit der Filterkurve relativ flach, nach Betätigung des Hi-Q-Schalters geht das MF-Band dann etwas steiler zur Sache. Alle drei Bänder sind nicht durchstimmbar, sondern besitzen schaltbare Arbeitsfrequenzen. Beim LF- und HF-Band stehen drei, beim MF-Band sechs Frequenzen zur Auswahl: Das HF-Band arbeitet bei 10, 12 und 16 kHz, das LF-Band bei 60, 110 und 120 Hz. Das Mitteband hat sechs Centerfrequenzen zur Auswahl: 360, 700, 1600, 3200, 4800 und 7200 Hz. Die wenigen und zudem nur schaltbaren Frequenzen erscheinen einem auf den ersten Blick etwas unflexibel, aber der 1073-EQ ist bekannt für äußerst musikalisches Zupacken, genau an der „richtigen“ Stelle. Chirurgische Frequenzentnahme ist allerdings nicht sein Ding, dazu arbeiten der EQ zu breitbandig. Die möglichen Gain-Werte sind unterschiedlich: Im Mittenband kann man +/- 12 dB anheben oder absenken, im Hi-Q-Modus sind es dann bei steilerer Filterkurve bis +/- 20 dB. Das LF- und HF-Band erlauben Pegeländerungen von +/- 20 dB, im Peak-Modus verändern sich diese Werte leicht in Richtung +/- 18 dB.Natürlich hat auch der Britstrip von Heritage Audio ein Highpassfilter, zum wegfiltern von tieffrequentem Störschall. Das Filter besitzt vier schaltbare Frequenzen (50, 80 160 und 300 Hz) und geht mit 18 dB/Oktave ordentlich steil zur Sache. Beim Britstrip ist das HP-Filter übrigens Teil der EQ-Sektion, wo es bei den Mischpulten üblicherweise Teil der Eingangs-Sektion ist, ein Umstand, auf den ich im Praxisteil noch genauer eingehen werde.
Verkehrte Welt
Die Bedienung des EQ erfolgt mit Doppeldecker-Drehknöpfen: Der äußere Alu-Ring schaltet die Frequenzen, das mittige Potentiometer regelt die Anhebung, bzw. die Absenkung. Alle drei Filter besitzen eine OFF-Position, bei der das jeweilige Band deaktiviert wird. Die Neve-typische Eigenheit, die EQ-Potis verkehrt herum anzubringen hat Heritage Audio übernommen: Die Null-, bzw. Mittenstellung liegt beim Britstrip „unten“, also bei 18h und an die höheren Arbeitsfrequenzen gelangt man durch Drehen des Schalters im Uhrzeigersinn.Ebenso ungewöhnlich ist die Anordnung der Bänder: Das HF-Band sitzt links, das LF-Band rechts – bei fast allen 19“-EQs ist das alles andersherum! Hier folgt Heritage Audio dem Konzept eines „ge-rackten“ Mischpultkanalzugs, nennt seinen Britstrip sogar „Console Channel Strip“ – und bei einem Mischpult liegt das Höhenband nun mal unterhalb der Preamp-Sektion. Denkt man sich dieses Arrangement in die Vertikale, kommt man zur Britstrip-Anordnung.
Was sich reimt, ist gut!
Der Successor-Kompressor im Heritage Audio Britstrip ist gleich in zweierlei Hinsicht eine Besonderheit: Es ist kein (direkter) Neve-Clone, sondern eine Heritage Audio-Eigenentwicklung. Und er komprimiert mit einer Diodenbrücken-Schaltung, eine eher selten genutzte Technik zur Dynamikreduktion. Wieder kommen die doppelstöckigen Bedienknöpfe zum Einsatz: Der Erste regelt die Ratio, die in fünf Werte schaltbar ist (1,5:1, 2:1, 4:1, 6:1 und 10:1) und das Makeup-Gain. Doppeldecker Nummer zwei regelt die Release-Zeit in fünf Stufen (50, 100, 200 und 400 ms und Auto-Mode), das innere Poti den Threshold. Auf die Attack-Zeit hat man beim Britstrip leider keinen Zugriff. Zwar erwähnt Heritage Audio in der Anleitung sogar, dass der Successor (anders als die Vintage-Dioden-Bridge-Kompressor) über erweiterte Attack-Zeiten verfügt, aber man kriegt beim Britstrip nur zwei zur Auswahl: „normale“ und „fast“. Mit welchen Zeiten der Kompressor dann tatsächlich arbeitet? Darüber finde ich keine Angaben. Wieviel Dezibel der Successor wegdrückt, das zeigt das VU-Meter nach Drücken der VU/GR-Taste. Im VU-Modus zeigt das Meter den Ausgangspegel des Britstrip. Übrigens lässt sich der Kompressor auch vor dem Equalizer schalten, dazu gibt es eine Pre-EQ-Taste im kleinen Bedienfeld!
Seitenkettenbearbeitung
Was dann folgt, macht den Successor-Kompressor im Heritage Audio Britstrip zu einem richtig starken Dynamik-Werkzeug und ist für mich ein echtes Highlight: Eine umfangreiche Side-Chain-Sektion, die keine Wünsche offenlässt! Da wären zum einen die internen Filter, mit denen sich das Side-Chain-Signal des Kompressors bearbeiten lässt: Es gibt ein Low-Cut-Filter (50 und 100 Hz), ein Peak-Filter (800 und 3000 Hz) und sogar ein zusätzliches Low-Cut-Filter bei 5 kHz, was aus dem Kompressor fast schon einen Deesser macht. Und wem das noch nicht genügt, der kann über die Send/Return-Buchsen den Successor extern triggern oder das Side-Chain-Signal aus dem Britstrip herausleiten und dann mit allem bearbeiten, was das Outboard-Rack oder die Plug-in-Liste hergibt. Zu guter Letzt besitzt der Kompressor noch einen Blend-Regler, mit dem sich der schöne Trick der Parallelkompression realisieren lässt. Ach ja: Wer so glücklich ist, zwei Bristrips zu besitzen, kann die Kompressoren zur Stereoverarbeitung verlinken, dafür besitzt der Britstrip einen Link-Ausgang in Form einer unsymmetrischen Cinch-Buchse. Für diese Top-Ausstattung des Kompressors gehen beide Daumen hoch – sehr hoch!
Netzteil: extern!
Schon seit dem ersten Anblick der vollgepackten Frontplatte des HA BS freue ich mich auf den Blick ins Innere! Da dürfte angesichts der vielen Schalter und Potis ganz schön was los sein! Das nicht mehr viel Platz im Gehäuse übrig ist, dafür spricht auch das externe Netzteil, das über einen fünfpoligen XLR-Stecker (mir Verriegelung) mit dem Bristrip verbunden wird. Beim Netzteil handelt es sich zwar um eine Schaltnetzteil, aber es wurde nicht (wie so oft) aus der Computertechnik entliehen, es stammt aus der Heritage Audio Entwicklungsabteilung. Das zeigen die ausgegebenen Werte: Das HAPSU-03 liefert eine Versorgungsspannung von +/- 17,5 Volt bei 0,8 A und die Phantomspeising von 48 Volt.
Wir müssen unter die Haube schauen!
Derivate des 1073er-Designs gibt es inzwischen wie Sand am Meer, dennoch: Moderne Produktionsverfahren und unterschiedlicher Fokus auf Details sorgen dafür, das jeder Hersteller das originale Neve-Design etwas anders interpretiert. Wo dieses „anders“ liegt, dass offenbart nur ein Blick unter die Haube. Das machen wir natürlich bei abgezogenem Netzteil! Zwei Dinge fallen sofort auf: Zum einen gibt es nur einen Eingangstrafo, den sich Mic- und Line-Signal teilen. Das ist nicht schlechtes, es gibt sogar Leute, die einen original 1073-Preamp so umrüsten, dass die Line-Signale über den Mic-Trafo laufen, weil dieser das Signal auf seine spezielle Art und Weise färbt. Außerdem suche ich vergeblich den großen Vogelnest-Kühlkörper des 2N3055er Power-Transistors. Der Transistor ist geschrumpft, sitzt in der SMD-Version auf der Platine und nutz selbige zur Ableitung der Abwärme. Blickfang sind sicherlich auch die drei Induktoren für den EQ und das Highpassfilter. Einen Aufdruck gibt es nicht, aber die gelbe Umwicklung der Spulen weist wieder auf den Hersteller Carnhill hin, es handelt sich also wohl um Markenware. Kleine Randnotiz: Wo andere Hersteller, allen voran SSL zum Beispiel beim SixCH-Modul penibel darauf achtet, den Signalweg frei von Kondensatoren zu halten, finden wir im Britstrip sogar die vonmanchen verteufelten Tantal-Kondensatoren, die aber ebenfalls ihren Anteil am magischen Neve-Sound haben sollen. Die komplette Schaltung ist in Class A-Technik und diskret aufgebaut, ICs sucht man also vergebens.