Praxis
Das Rad hat Hermida mit dem Zendrive zwar nicht neu erfunden, die Zerrstruktur und das dynamische Verhalten sind jedoch sehr eigen und homogen. Der Zendrive hat seinen ganz eigenen Sound und fühlt sich am wohlsten vor dem leicht gesättigten cleanen Kanal eines gut abgehangenen Röhrenamps. Man hat hier weder versucht, einen neuen Tube Screamer Clone zu erschaffen, noch den Marshall-Crunch zu imitieren. Der Klang dieses Overdrivepedals ist satt und rund, mit Classicrock-Gainreserven, die nie nach Metall klingen. Ich würde den Sound als eine Mischform von Overdrive mit einem kleinen Anteil Fuzz definieren. Selbst in Minimalgain-Einstellungen färbt das Pedal den Sound und füllt die Mitten etwas mehr aus.
Dreht man den Gain-Regler etwas weiter auf, bringt das Pedal einen weichen, angezerrten Sound, der homogen mit der Eingangsstufe des Amps zusammenarbeitet. Wichtig ist dabei, dass der Amp weder zu clean noch zu stark angezerrt ist. Auch wenn es noch clean klingt, ist er bereits leicht am Köcheln, und nur so erhält man eine dezente und natürliche Kompression. Auch Cleanfetischisten sollten ihren Amp immer an diese Grenze fahren, um dem Ton mehr Leben einzuhauchen. Mit einem Transistoramp, wie beispielsweise dem Roland Jazzchorus, ist eine solche Interaktion nicht möglich. In allen Audiobeispielen habe ich zuerst ein kurzes Lick ohne Pedal gespielt, damit ihr einen Eindruck bekommt, wie stark ich den Amp in die Sättigung gefahren habe.
Unser Kandidat reagiert äußerst sensibel auf den Anschlag und die Spielweise. Streichelt man die Saiten nur sanft, kommt der Ton fast schon clean aus den Speakern, während man bei hartem Anschlag eine saftige, aber nie brutale Verzerrung erhält. Der Sound bleibt insgesamt sehr offen, obwohl er in den Mitten näselt. Trotzdem wirkt ein Tubescreamer im direkten Vergleich fast schon wie ein steifes Brett. Ich habe mit der Klangregelung viel herumprobiert und bin immer wieder nahe der 12-Uhr-Stellung beider Regler gelandet.
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Es macht einfach Spaß, mit dem Teil zu spielen und den sehr kultivierten und lebendigen Ton mit seiner eigenen Note zu erleben. Die Verzerrung hat allerdings nichts mit der eines klassischen Marshallamps zu tun, dazu ist sie einfach zu weich und zu rund. Der Zendrive neigt zwar etwas zur Schönfärberei, ist aber nicht steif oder undynamisch. Man kann den Sound mit seiner eigenen Spielweise sehr gut formen, spielerische Unzulänglichkeiten werden allerdings gnadenlos zutage gefördert. Im letzten Audiobeispiel habe ich den Gainregler auf Maximum gestellt und die Stratocaster gegen eine Les Paul getauscht. Auch hier liefert das Pedal einen wirklich guten Job, ohne jegliche Gleichmacherei.
G.S. sagt:
#1 - 23.12.2024 um 12:17 Uhr
Der Test ist nicht gerade repräsentativ, da die Grundeinstellung des Verstärkers ziemlich dumpf ist. Bei mir klingt der Zendrive ganz anders - nämlich viel besser. Man muss sich allerdings sehr mit ihm beschäftigen, denn sowohl der Regler für Gain, Tone und Voice interagieren auf sehr komplexe Weise miteinander. Auch wenn ich Robby Mildenberger für einen sehr guten Gitarristen halte, dessen Spiel mir sehr gut gefällt - aber an einer Stelle plappert er einen totalen Quatsch nach: Die Finger des Gitarristen sind fast ausschließlich nur für seine Spielfähigkeit entscheidend - sobald ein Verzerrer dazukommt, drückt ganz der jeweilige Verzerrer und dessen Einstellungen dem Klang seinen Stempel auf, ganz egal, wer da als Gitarrist davorsitzt. Und ich meine wirklich nur den Klang - nicht die anschlagstechnischen Eigenheiten. Ganz davon abgesehen, dass sowieso nur die wenigsten E-Gitarristen mit den Fingern spielen bei der rechten Hand und somit bei den meisten Gitarristen eher die Härte des Plektrums sowie die Art der Kraftentfaltung des Unterarms eine kleine Rolle spielen beim Klang. Bei Letzterer gibt es aber kaum Unterschiede bei versierten Gitarristen. Aber nichtsdestotrotz, den allergrößten Anteil am Klang hat der Verzerrer - nicht der Spieler, selbst wenn er mit den Fingern spielt. Wenn die Finger so entscheidend wären, bräuchte man höchstens einen Verzerrer, falls man einen cleanen Verstärker spielt. Sobald es ein Zweikanaler ist, bräuchte man gemäß den Aussagen des Testers überhaupt keinen Verzerrer, weil der Ton ja angeblich von den Fingern kommt. Dass dies nicht zutrifft, weiß jeder - und deshalb ist es auch kein Zufall, dass die Gitarristen nicht nur einen Verzerrer auf dem Pedalboard haben. Man sollte also schon realistisch bleiben und nicht vor lauter Verehrung einiger Gitarristen in Märchen abschweifen bzw. Märchen weiterverbreiten. Und auch wenn ich Robby Mildenberger alleine schon bei seinen Tests vergleiche - das klingt jedes Mal ganz anders, je nachdem, mit welchem Material er spielt.