Mit „Hey Joe“ von Jimi Hendrix nehmen wir uns in diesem Workshop mal wieder einen echten Meilenstein der Rockgeschichte vor. Die Version von The Jimi Hendrix Experience wurde 1966 veröffentlicht und war die erste Single des Trios, das neben Hendrix mit Noel Redding am Bass und Mitch Mitchell am Schlagzeug startete. Neben Hendrix’ revolutionärer Gitarrenarbeit machte auch Mitchells atemberaubendes Schlagzeugspiel das Trio zu einer der einflussreichsten Rockformationen aller Zeiten.

Mit seiner eigenwilligen Melange aus virtuosem Jazz- und explosivem Rockdrumming gelang es Mitchell dabei, sich aus der begleitenden Rolle zu lösen und ein außergewöhnliches Zusammenspiel mit Hendrix zu kultivieren. Im Podcast „Live From My Drum Room With John DeChristopher“ sagt Jazzdrummer Adam Nussbaum: „They weren’t just laying down a groove and playing a beat – they were really dancing!“, und zieht den Vergleich zu John Coltrane und Elvin Jones, einem der großen Einflüsse Mitchells. Im Folgenden schauen wir uns am Beispiel von „Hey Joe“ an, was Mitch Mitchells Stil so einzigartig macht!
Die Grooves
„Hey Joe“ ist ein US-amerikanischer Folksong, der in unzähligen Interpretationen verschiedener Musikerinnen und Musiker existiert. Darunter ist die Version von The Jimi Hendrix Experience wohl die bekannteste. Was den Ablauf betrifft, so bewegt sie sich, vom kurzen Gitarrenintro mal abgesehen, auf einer viertaktigen Akkordfolge, die im gemütlichen Tempo und geschwungenen Sechzehntel-Feel kontinuierlich wiederholt wird – der Jam-Charakter ist hier also vorprogrammiert!
Mitchell gibt in jedem vierten Takt ein Fill-in zum Besten
Während das Trio im Verlauf des Songs immer energetischer und wilder spielt, gestaltet Mitchell jeden Viertakt-Block (mit Ausnahme des allerersten) nach demselben Schema: Auf drei Takte Beat, den er immer wieder variiert (zum Beispiel durch versetzte Backbeats), folgt im vierten Takt ein Fill-in, das mal schlichter und mal ausladender ist. In diesem Beispiel seht ihr die ersten acht Takte des Songs, inklusive dem vermutlich versehentlichen Schlag auf den Rand der Racktom im Pick-Up-Fill.

Ein Mitchell-Klassiker: das Sechstolen-Fill
Das nächste Beispiel ist ein echter Klassiker, was Mitchells Fill-Repertoire betrifft. Nach erneuten drei Takten Beat spielt er hierbei im vierten Takt, auf der dritten Zählzeit beginnend, eine sechstolische Figur, die einem klaren Akzentpattern folgt. Dabei akzentuiert er pro Zählzeit die ersten beiden Schläge der rechten Hand sowie jeden dritten linken Schlag. Speziell in diesem Fall verteilt er die Akzente teilweise auf den Toms und spielt jeden dritten rechten Schlag als Doppelschlag.

Mit einer schnellen Hand-Fuß-Kombination geht’s über die Toms
In diesem Beispiel ist Mitchell mittlerweile von der Hi-Hat zum Ride gewechselt, das er sehr energetisch spielt und immer mal wieder ancrasht. Auch ist jetzt seine linke Hand merklich mobiler, da er nun einzelne Schläge auf den Toms in den Beat einbaut. Im vierten Takt spielt er erneut eine sechstolische Figur. Dabei geht er auf der dritten Zählzeit beginnend mit einer Hand-Fuß-Kombination (R – L – F) von der Snare aus über die Toms.

Die technisch anspruchsvollsten und energetischsten Momente des Songs
Nun kommen wir zum technisch wohl anspruchsvollsten Auszug aus „Hey Joe“. Hierbei seht ihr neben dem Fill-in im vierten Takt auch jenes, mit dem die vorangegangenen vier Takte endeten. In beiden Fällen füllt Mitchell einen ganzen Takt mit Zweiunddreißigstelnoten, die er aber jeweils mit verschiedenen Stickings spielt.
Beim ersten Fill-in in diesem Beispiel handelt es sich um ein Paradiddle-Sticking, das Mitchell auf der Snare spielt und von da aus einzelne Akzente auf die Toms verteilt. Zusammen mit der Bassdrum, die gleichzeitig eine Art Samba-Figur spielt, ist dies wohl einer der komplexesten, aber auch energetischsten Momente des Songs.
Im zweiten Fill-in spielt Mitchell die Zweiunddreißigstelnoten Hand-to-Hand (R-L-R-L), folgt dabei jedoch dem Akzentpattern, wie wir es schon im zweiten Beispiel gesehen haben. Hier verschiebt sich allerdings die aus dem Akzentpattern resultierende Dreiergruppe gegen den Viertelpuls, da wir uns nicht mehr in einem triolischen Raster befinden. Daher verlässt Mitchell das Akzentpattern und löst das Ganze durch acht gleichlaute Schläge auf.

Once again: das Sechstolen-Fill
Im fünften und letzten Beispiel seht ihr das besagte Akzentpattern wieder im sechstolischen Raster, also wie im zweiten Beispiel, mit dem Unterschied, dass Mitchell nun den gesamten Takt damit ausfüllt, die Akzente anders verteilt und zudem auf den Doppelschlag in der rechten Hand verzichtet.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Anhören und Nachspielen der Soundfiles. Bis zum nächsten Mal!
Jonas