Praxis
Drive
Ihr könnt euch sicherlich denken, dass ein Zerrerpedal, das per Hand in einem kleinen Betrieb in Europa gefertigt wird, nicht für 50 Euro zu haben ist. Handarbeit hat ihren Preis und der liegt beim Fetto Nord bei 429 Euro (UVP). Das ist natürlich schon ein dicker Batzen Geld für ein Verzerrer-Pedal! Aber das Wort Handarbeit ist hier wirklich wörtlich zu nehmen, denn lediglich die Herstellung der Gehäuse sowie deren Pulverbeschichtung wird von Fremdfirmen erledigt, alles andere übernimmt Joakim Hedeby höchstselbst. In einem Video auf dem Youtube-Channel von Himmelstrutz kann man sich die Fertigung eines Pedals im Zeitraffer anschauen, selbst die Bedruckung des Gehäuses wird vor der schwedischen Holzhütte in bester manueller Siebdruckmanier durchgeführt. Übrigens wandern die Pedale nach dem Bedrucken für 30 Minuten bei 180° in den heimischen Backofen – hier backt der Meister halt noch selbst. Die Bestückung der Platine verläuft dann im Video etwas schneller, damit man nur ja nicht zu viel sieht. Über die genauen technischen Bauelemente hüllt der Hersteller den großen Mantel des schwedischen Schweigens. Auch wenn man das Gehäuse aufschraubt, sieht man nicht wirklich viel, da die Platine mit Moosgummi verkleidet wurde. Im Video waren jedenfalls keine ICs zu sehen, dafür aber viel freie Handverdrahtung, dass einem das Herz aufgeht.
Aber Handarbeit hin oder her, auf den Klang kommt es an und genau dem wollen wir jetzt auf den Zahn fühlen. Zuerst geht es um eine nüchterne Bestandsaufnahme, für die ich alle Regler in die 12-Uhr-Position bringe und den Fetto Nord vor meinen clean eingestellten Sovtek MIG-50 schnalle. Um die Boost-Funktion kümmern wir uns später, jetzt ist nur der Overdrive (Gimme) am Start – und das klingt so.
Gitarre | Volume | Tone | Drive | More |
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SG | 12 | 12 | 12 | Off |
Herr Ober, bitte zahlen! Danke, das war´s! Mehr brauche ich eigentlich gar nicht zu hören, der Fetto hat seinen Namen mehr als verdient. Was für eine sagenhafte Dynamik! Das kenne ich wirklich nur von sehr guten Röhrenamps. Bei einem Zerrpedal ist das äußerst selten – und für mich rechtfertigt bereits dieses Erlebnis den hohen Preis des Pedals. Dabei ist das, was ihr auf der Aufnahme hört, eigentlich nur die halbe Show, denn das gebotene Spielgefühl und die Macht, die die rechte Hand über die gelieferte Verzerrung verliehen bekommt, das ist schon ganz großes Kino.
Zur Verdeutlichung dieser Eigenschaft habe ich mit gleicher Einstellung am Fetto ein Audio aufgenommen, bei dem ich zuerst hart mit dem Pick anschlage und dann ganz leicht mit den Fingern zupfe. Von Mid-Gain auf Clean in weniger als einer Sekunde. Nix umgeschaltet, alles mit dem Anschlag erledigt.
Momentan sind wir mit dem Gain gerade mal in der Mitte, da ist also noch jede Menge Dampf unter der Haube. Arbeiten wir uns jetzt mal sukzessive durch das Angebot und erforschen die unterschiedlichen Zerrgrade – beginnend mit dem niedrigsten Wert. Wenn der Drive-Regler komplett abgedreht ist, kommt kein Signal mehr aus dem Pedal. Der Fetto beginnt seine Arbeit erst bei einer Drive-Einstellung von ca. 8 Uhr.
Bei niedrigen Einstellungen des Drive-Reglers liefert das Pedal einen leicht angezerrten Sound, der grundsätzlich etwas dünner aus den Speakern tönt. Die Bässe sind leicht abgesenkt, was diesem Sound aber sehr zugute kommt. So kann man beispielsweise groovigen Rhythmus-Riffs die nötige Portion Funk verpassen, wie das nächste Beispiel zeigt.
Gitarre | Volume | Tone | Drive | More |
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Tele | 17 | 13 | 8 | Off |
Ab 9 Uhr wird die Verzerrung dann schon etwas stärker und mit einer Single-Coil-Gitarre gibt es einen schönen strammen Crunch-Sound – inklusive der entsprechenden dynamischen Ansprache. Die Verzerrung muss man sich hier noch durch harte Betätigung der Saiten mit der Anschlaghand erarbeiten.
Gitarre | Volume | Tone | Drive | More |
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Strat | 14 | 14 | 9 | Off |
Natürlich reagiert der Fetto auch sehr sensibel auf das eingegebene Signal. Das wiederum hat zur Folge, dass der Unterschied zwischen einer Humbucker- und einer Single-Coil-Gitarre perfekt wiedergegeben und mit einem entsprechend variierenden Verzerrungsgrad quittiert wird. Während die Strat bei einer Drive-Einstellung von 11 Uhr noch recht moderat im Crunch-Bereich tätig ist, kann man mit einer Les Paul schon auf härtere Gangart umschalten. Aber auch hier muss die Verzerrung durch einen entsprechend harten Anschlag erarbeitet werden.
Für dich ausgesucht
Gitarre | Volume | Tone | Drive | More |
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Les Paul | 13 | 13 | 11 | Off |
Apropos Anschlag. Die Reaktion des Fetto ist nicht nur in Sachen Dynamik exzellent, auch die Ansprache auf Obertöne und deren Umsetzung ist vorbildlich. Der Fetto animiert den Spieler dazu, variantenreicher zu spielen, da er das, was man hingibt, eins zu eins umsetzt und unmittelbar wiedergibt. Jede kleine Anschlagsnuance wird hier übertragen – aber natürlich auch die kleinen Fehler…
Beim nächsten Beispiel steht Drive auf 14 Uhr und ich habe das Riff in verschiedenen Variationen angeschlagen. Man kann die Gitarre mit Fetto-Unterstützung ordentlich schreien lassen.
Gitarre | Volume | Tone | Drive | More |
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Les Paul | 12 | 12,5 | 14 | Off |
Wenn Drive auf Rechtsanschlag eingestellt ist, liefert der Fetto eine schöne, schmatzende Verzerrung. Der Sound ist für etwas kräftigere Rock-Riffs bestens geeignet, und Zerrgrad und Sustain reichen für singende Lead-Sounds absolut aus. Dabei sind die Nebengeräusche bei vollem Gain-Einsatz, gemessen am gelieferten Brett, noch relativ moderat. Da habe ich schon andere Pedale erlebt, die in diesen Zerr-Dimensionen wesentlich mehr Lärm veranstaltet haben.
Gitarre | Volume | Tone | Drive | More |
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Les Paul | 12 | 12 | 17 | Off |
Was den Fetto noch auszeichnet, ist seine erstklassige Transparenz. Selbst bei maximalem Verzerrungsgrad sind Akkordwechsel sehr gut zu hören – inklusive der einzelnen Saiten. Das Pedal klingt immer offen und klar, obwohl hier schon ein dickes Zerrbrett am Start ist.
Gitarre | Volume | Tone | Drive | More |
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Les Paul | 12 | 13 | 17 | Off |
Tone
Wenn ihr die Einstellungs-Tabellen zu den einzelnen Audios aufmerksam studiert habt, werdet ihr festgestellt haben, dass der Tone-Regler bisher recht moderat verwendet wurde. Es bewegte sich alles in einem Bereich zwischen 12 und 14 Uhr. Das liegt daran, dass es für mich auch keine Notwendigkeit gab, hier einzugreifen, denn der Sound war immer sehr natürlich und hat mir entsprechend gut gefallen. Eigentlich fühlt sich der Fetto nicht wie ein typisches Zerrpedal an, sondern eher wie eine Erweiterung des verwendeten Verstärkers. Bezogen auf das Frequenzspektrum bleibt der Grundsound des Amps eins zu eins erhalten – der Fetto erzeugt nur mehr Verzerrung. Das ist natürlich auch der Sinn von Zerrpedalen, aber viele haben in Sachen Frequenzspektrum einen sehr eigenen Charakter, der nicht zwingend mit dem des Verstärkers harmonieren muss. Der Fetto hingegen kann prinzipiell mit jedem…
Jetzt aber noch mal zurück zum Tone-Regler. Natürlich kann man hiermit auch noch etwas ins Geschehen eingreifen und den Sound wahlweise spitzer oder muffiger machen, wie´s eben gefällt. Um die mögliche Bandbreite darzustellen, habe ich mal beide Extrem-Einstellungen gewählt – einmal das Tone-Poti komplett abgedreht, dann voll auf.
Gitarre | Volume | Tone | Drive | More |
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Les Paul | 12 | 7-17 | 14,5 | Off |
Mit Hilfe des Tone-Reglers lässt sich der gelieferte Sound effektiv bearbeiten. Möchte man zum Beispiel eine von Natur aus etwas weicher klingende Gitarre wie die SG mit mehr Höhen versehen, sind hier noch genügend Reserven dafür vorhanden.
(Gimme) More
Kommen wir zum berühmt berüchtigten „Go To Eleven“-Schalter. Die Boost-Funktion, die durch den More-Schalter aktiviert wird, sitzt hinter dem Overdrive und sorgt für mehr Pegel (einstellbar mit dem More-Regler), aber auch für noch mehr Schub im oberen Mittenbereich und ein Plus an Verzerrung. Der Sound wird dichter und die Kompression nimmt zu. Damit hat man natürlich noch eine gute Klangvariante mehr im Köcher – und das Ganze lässt sich unterschiedlich einsetzen. Zum Beispiel kann man den Overdrive auf Medium-Gain (Drive ca. 12 Uhr) einstellen und so einen natürlich klingenden Crunchsound realisieren und mit dem Boost dann ein richtiges Rockbrett heraufbeschwören – super! Oder aber gleich ein Rockbrett mit dem Overdrive einstellen und den Boost als Nachbrenner für Soli nutzen. Im folgenden Beispiel hört ihr zuerst den Overdrive (Gimme) und dann den hinzugeschalteten Boost (More).
Gitarre | Volume | Tone | Drive | More |
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Les Paul | 12 | 13 | 15 | 13 |
Encore
Als Zugabe befinden sich im Inneren des Pedals noch ein paar kleine Modifikationsmöglichkeiten, die allerdings mit einem Totenkopf-Warnhinweis versehen sind! Aufpassen heißt die Devise! Über drei Jumper und drei Trimpotis können hier einige Grundeinstellungen hinsichtlich des gelieferten Gains und des Klangs vorgenommen werden. Durch die Veränderung der werkseitigen Voreinstellungen geht aber auch der Garantieanspruch verloren. Das ist natürlich etwas ärgerlich, aber auf der anderen Seite auch verständlich. Joakim Hedeby hat mit Sicherheit keine Lust, Geräte zu reparieren, die aufgrund unsachgemäßer Behandlung von grobmotorischen Gitarristen beschädigt wurden.
irfan sagt:
#1 - 23.02.2013 um 05:43 Uhr
Vielen Dank für diesen aufschlussreichen Test. Ich kann nur in einem Punkt ab-so-lut nicht zustimmen: 429 Euro sind kein "relativ hoher" Preis - das ist unverschaemt teuer. Bei allem Respekt vor eurer Professionalitaet... Das das kein 429 Euro-Sound ist, hören auch wir. Bei dem Preis müsste das Teil auch noch Kaffee kochen und Staub saugen... dann ging's. Trotzdem danke - denn nun muss ich mir das Teil n i c h t anhören.