PRAXIS
Photoshop für Audio – wie gut klingt DeepCreate?
Um die Erwartungen von Anfang an etwas zu dämpfen: Instrumente zu tauschen, funktioniert erstaunlich gut, vor allem bei akustischen, auf die der Algorithmus RipX optimiert zu sein scheint. Sobald es aber synthetisch wird, beispielsweise bei sehr düsteren, stark modulierten Pads oder krachenden Dubstep-Bässen, tut sich DeepCreate sowohl bei der Erkennung als auch beim Tausch schwer. Bei der Klangqualität erstaunt es anfangs noch, dass statt der Trompete jetzt eine Geige die gleiche Melodie spielt.
Nach längerem Testen und einigen kurzen Remixen mit DeepCreate muss ich aber doch sagen, dass die Fülle an digitalen Artefakten beachtlich ist. Die Technologie ist so neu und eigen, der Wow-Moment so groß, dass man der Software das allerdings kaum als Minuspunkt ankreiden kann. Trotzdem stehen wir hier, analog zur Bildbearbeitung betrachtet, noch auf JPEG-Level.
Bittersweet Blasmusik – Der Workflow in DeepCreate
Hat man einen Song in Hit’n’Mix RipX DeepCreate importiert, muss die Software ihn erst einmal verarbeiten. Das dauert je nach Songlänge zwischen 5 und 10 Minuten. Nach der Analyse spuckt DeepCreate im linken Bereich die erkannten Instrumente aus. In der Mitte liegen auf einem großen Raster bunt und schlangenförmig die jeweiligen Noten. Will ich nun beispielsweise nur die Gitarre oder die Stimme eines Songs hören, stelle ich links die entsprechende Spur solo und schon blendet die Software beim Abspielen in der Mitte nur noch die Noten des gewählten Instruments ein.
Dann geht es rechts zum Bereich Sound. Hier gibt es Instrumentenkategorien wie „Virtual Instruments“, „Instrument One-Shots“, „Classic“ und einige Ordner für Drum Sounds. Habe ich die Streicher in einem Song wie „Bittersweet Symphony“ solo gestellt, kann ich sie mit „Trumpet“ aus dem „Classic“-Ordner nun nach Blasorchester klingen lassen. Ein kleiner Fader an „Trumpet“ erlaubt es, das Trompeten-Timbre auch anteilig dazu zu drehen.
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Das ist mit dem Instrumententausch möglich
Auch Drum Sounds kann man mit DeepCreate im fertigen Song austauschen. Auf einen Schlag alle Kick Drums oder alle Hi-Hats nach den vorab importierten Samples klingen zu lassen, fühlt sich fast falsch an – und man muss sagen, dass der Austausch zwar fast fehlerfrei funktioniert, aber selten grandios klingt.
So verwandelt sich eine dynamisch gespielte Hi-Hat in ein ratterndes Maschinengewehr. Klar, das kann man dann via Lautstärkeautomation ausgleichen. Aber bei 100 bis 200 Hi-Hat-Schlägen pro Song artet das in Sisyphos-Arbeit aus.
Ich will nicht zu kritisch sein. Schließlich gibt es genug Momente, in denen ich beispielsweise die Gitarre im Intro von „Stairway to Heaven“ in nur zwei Klicks durch eine ziemlich glaubhaft klingende Marimba ersetzte habe und staunend vor DeepCreate sitze.
Aus urheberrechtlichen Gründen darf ich euch dieses Ergebnis leider nicht zeigen. Stattdessen kann ich aber auf die vollumfängliche Demo für 21 Tage von DeepCreate hinweisen. Grundsätzlich gilt: Je eher ein Instrument solo und nicht zusammen mit anderen zu hören ist, desto besser klingen die Ergebnisse.
Sounds aus VSTs zum Tauschen nutzen
Hit’n’Mix RipX Deep Create enthält nicht nur 37 gesampelte Instrumente, gut 50 Drum Sounds und fast 30 Percussion- und Effekt-Sounds zum Tauschen – die Software eröffnet zudem die Möglichkeit, eigene Samples und sogar eigene Software-Instrumente als „Tauschmaterial“ zu importieren.
Zum Test habe ich einen Swing-Groove in DeepCreate geladen, um seine organischen Drums gegen elektronische zu tauschen. Danach habe ich im Soundsbereich einen vorbereiteten Ordner mit 808- und 909-Sounds importiert. Und tatsächlich: Kick, Snare und Tom des Grooves klingen nun elektronisch.
Selbst VSTs lassen sich zum Tausch nutzen, wenn auch mit einigen Einschränkungen. So erlaubt DeepCreate nur die Arbeit mit VST3-Instrumenten, AU, VST2 und AAX unterstützt das Programm nicht. Nach der Auswahl scannt die Software Instrumente auf dieselbe Weise wie Songs und Samples. Man hat also keine Möglichkeit im VST etwas im Nachhinein zu verändern.
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass man das entsprechende Preset, bevor man den Import startet, im Software-Instrument auswählen muss. Trotzdem kann ich Pads oder Leads auf diese Weise im Deep House Track genauso mit Diva Presets austauschen wie die 808 in einem Trap Beat.
Die Audio-Aufnahme als Sounddesign-Werkzeug und Unterrichtstool.
DeepCreate bringt neben dem Instrumententausch als zweites Feature auch die Möglichkeit mit, Audio aufzunehmen. So kann man zum einen einfach etwas aufnehmen, statt einen Song zu importieren und die Software dann die Aufnahme analysieren lassen. Das lädt zu Sounddesignspielereien ein.
Warum nicht einmal etwas krumm und schief einsingen und sich dann in der Software in ein Saxofon verwandeln? Auch für das schnelle Korrigieren von Aufnahmen eignet sich dieser Workflow.
Zum anderen hat man auch die Option, in einen Song hinein aufzunehmen. Das kann man entweder kreativ für sich oder als Unterrichtswerkzeug nutzen. Als kreatives Tool löscht man in DeepCreate beispielsweise das Gitarrensolo eines Songs und spielt sein ganz eigenes ein.
Im Gesangsunterricht könnte man den Originalgesang stumm schalten, selbst einsingen und dann durch die Visualisierung der Noten überprüfen, wie nah man am Original ist.
Für mich hat sich die Arbeit mit einem MIDI-Controller und DeepCreate sogar noch eine Stufe kreativer gestaltet. Die Software erkennt den MIDI-Controller automatisch, sodass man ihn sofort zum Spielen oder zur Steuerung einsetzen kann.
Was man spielt? Die erkannten Instrumente. Mit einem MIDI- oder MPE-Controller könnt ihr also jedes Instrument im Song einfach noch einmal einspielen – so, wie ihr wollt. Hat der MIDI-Controller außerdem Fader und Poti, könnt ihr sie zur Steuerung mit den Effekten und den Transportfunktionen in DeepCreate verbinden.
DeepCreate hat großes Potential
Selten hat mich ein Stück Musiksoftware in den letzten Jahren so zum Staunen und Experimentieren gebracht wie Hit’n’Mix RipX DeepCreate. Hier wird das weitergedacht, was in der Welt der DAWs und Audioeditoren bisher kaum möglich war. Trotzdem gibt es auch hier ein paar Schrauben, an denen der Hersteller noch drehen sollte.
Um zwei Beispiele zu nennen: Noten zu gruppieren hat immer mal wieder nicht funktioniert. Oft war das nur nach einem Programmneustart möglich. Und die Undo-History funktioniert global, nicht pro Song, was die Arbeit mit mehreren Songs für ein Mashup kompliziert macht. Wo habe ich noch mal die Tonart geändert? Wo das Instrument getauscht?