Audio Technica AT3035 Test

Praxis

Präzise Verarbeitung

Die Verarbeitung des Mikrofons zeigt keine offensichtlichen Mängel. Alles scheint passgenau gefertigt, der Korb wackelt kein Stückchen, das Gitter ist absolut perfekt angebracht: Das Gittermuster ist exakt parallel zu den Einfassungen – dies ist ein Hinweis auf ein hochwertiges Fertigungssystem. Insgesamt scheint es das AT hinsichtlich der Qualität also dicke mit dem AT-AT aufnehmen zu können. Ihr wisst schon: Diese riesigen, wandelnden und schießenden Metall-Vierbeiner aus dieser fernen Galaxis.

Je nach Position in der Spinne sind LowCut und Pad-Schalter nur schwer zugänglich.
Je nach Position in der Spinne sind LowCut und Pad-Schalter nur schwer zugänglich.

Fingerspitzengefühl erforderlich

Um den Lo-Cut und das Pad zu schalten, benötigt man zwar stabile Fingernägel, aber dafür passiert das bestimmt nicht versehentlich. Je nach dem, wie das Mikrofon innerhalb der Spinne ausgerichtet ist, lassen sich die Schalter nur mit einer schwierig zu bewerkstelligenden Kombination von Kraft und Fingerspitzengefühl umschalten: nicht so cool! Außerdem kann es schnell passieren, dass man versucht, das 3035 in die verkehrt herum angebrachte Shock-Mount zu setzen, denn es ist bis auf ein kleines Audio-Technika-Zeichen nicht sofort ersichtlich, wo bei dieser Spinne oben und unten ist. Und aus dem Nest zu fallen ist weder für kleine Vögelchen noch für Kondensator-Mikrofone sonderlich gesundheitsfördernd…

Dynamikverhalten und Frequenzgang unzulänglich

Nun denn, bislang macht also fast alles am 3035 einen guten Eindruck. Aber da war doch noch etwas, über das sich auch noch berichten ließe – ach ja: Der Sound! Ich bin mir sicher, dass mal im fernen Land der aufgehenden Sonne nicht sonderlich traurig wäre, wenn ich dieses Kapitel tatsächlich vergessen hätte. Gaaanz so schlimm ist es natürlich nicht, aber es gibt doch zwei große Mankos.
Nummer eins: Das Dynamikverhalten des Mikrofons lässt etwas zu wünschen übrig. Das Signal klingt eng und zusammengepresst, lässt im Vergleich zu vielen anderen Mikrofonen die Luftigkeit vermissen. Das muss nicht bedeuten, dass das Signal unbrauchbar würde, aber Kompression möchte man doch gerne selbst in der Hand haben und sich nicht vom Mikrofon vorgeben lassen. Vor allem bei hohen Pegel hört man deutlich, wie schnell die Leistungsreserven aufgebraucht sind: Ab einer gewissen Signalstärke steigt der Output des Mikrofons nicht mehr simultan mit dem Input. Für Power-Vocals oder sonstige hochpegelige Signale ist das AT daher eher ungeeignet.
Nummer zwei: Der Frequenzgang ist ab den oberen Mitten deutlich wellig. Es ist kein gutes Zeichen, wenn man den EQ schon einsetzen muss, um Fehler des Mikrofons zu beheben. Tut man das nicht, ist der Gesamtsound unstimmig und wirkt bearbeitet.
Die beiden Unzulänglichkeiten des Mikrofons werden bei allen Vocal-Files deutlich, vor allem im Vergleich zu einem (deutlich teureren) Referenz-Mikrofon.

Mikrofontest im Studio: weibliche Stimme
Mikrofontest im Studio: weibliche Stimme
Audio Samples
0:00
AT3035 – männlich AT3035 – weiblich Referenz – weiblich

Hinweis zu den Audiofiles:
Die Aufnahmen wurden im Tonstudio unter professionellen Bedingungen durchgeführt. Um die Eigenschaften genau erkennen zu können, solltest du mit hochwertigen Kopfhörern oder über ein gutes Lautsprechersystem abhören. Das Referenzmikrofon ist ein Neumann TLM 127, welches für seine hohe Qualität und seinen unaufdringlichen Charakter bekannt ist.

Offener und natürlicher mit Hochpassfilter

Natürlich ist nicht alles schlecht. Das Impulsverhalten ist bis zu einem gewissen Pegel wirklich ordentlich., wodurch das AT3035 im Vergleich zu vielen anderen Kondensern dieser Preisklasse vor allem bei kurzen Konsonanten viel offener und spritziger klingt. Äußerst sauber arbeitet übrigens das Hochpassfilter. Mehr noch: Das Mikrofon klingt mit eingeschaltetem Filter generell deutlich besser, vor allem die Dynamikschwächen scheinen ein wenig zurückzutreten. Ob die Probleme im Tiefbass- oder Infraschallbereich begründet sind? Das Signal klingt definitiv offener und natürlicher:

Audio Samples
0:00
AT3035 – männlich, mit Filter AT3035 – weiblich, mit Filter

Verringert man den Nahbesprechungseffekt und die damit verbundene Bassanhebung durch einen größeren Abstand zur Schallquelle, werden die Probleme ebenfalls deutlich geringer. So klingt das Mikrofon nicht mit zehn, sondern 30 Zentimetern Abstand:

Audio Samples
0:00
AT3035 – männlich, 30 cm
Kommentieren
Profilbild von Schuljunge

Schuljunge sagt:

#1 - 01.06.2012 um 15:14 Uhr

1

Das 3035 ist in Deutschland leider nicht mehr erhältlich. Trotzdem muss ich sagen das ich dieses Mikro, entgegen der Empfehlung im Test, sehr gerne bei lauten Männerstimmen im Pop / Rock-Bereich einsetzte. Ein Sänger, dem ich das Ding beim obligatorischen Mikro-Check (idealerweise vor der finalen Aufnahme) vorsetzte wollte anschließend das gesamte Album damit aufnehmen, was wir dann auch entsprechend durchgezogen haben. Gerade dieser leicht komprimierte, mittig anmutende Klang war hier das Salz in der Suppe. Ansonsten kann ich das im Test gesagte bestätigen: Bei leisen Passagen / Instrumenten eines der rauschärmsten Mikros in meiner Sammlung. Besonders dann zu empfehlen, wenn mal nicht ein "Größer als die Realität - Sound" benötigt wird.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.