Praxis
Der 60th Anniversary 500/1 macht optisch ordentlich Eindruck, besitzt er doch vermutlich das außergewöhnlichste Design, das Höfner jemals einem Beatles-Bass verpasst haben. Aber wie sieht es mit dem Handling und dem Sound des exotischen Exemplars aus? Nun, der 60th Anniversary ist im Wesentlichen ein sehr hochwertiger Violin-Bass, der im deutschen Höfner-Werk mit größter Sorgfalt in Handarbeit hergestellt wurde. Dementsprechend fühlt er sich auch an wie ein edles Custom-Shop-Instrument aus der Hagenauer Werkstatt und beeindruckt mit den gleichen erstklassigen Sounds, die man beispielsweise von den Bässen aus der “Gold Label”-Serie kennt. Aus ergonomischer Sicht verhält sich ein halbakustischer Violin-Bass natürlich deutlich anders als ein herkömmlicher Solidbody-E-Bass. Der Korpus ist extrem klein und leicht, sodass mein Testkandidat gerade mal 2,3 Kilogramm auf die Waage bringt. Grundsätzlich ist der Bass deshalb natürlich auch kopflastig, doch mit einem rutschfesten Gurt spielt das kaum eine Rolle, weil er durch das insgesamt sehr geringe Gewicht einfach immer in der Position hängen bleibt, in die man ihn schiebt.
Für Longscale-Spieler werden die kurze 30″-Mensur und die engen Saitenabstände von gerade einmal 14 mm an der Brücke am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig sein. Nach einiger Zeit mit dem Shorty passt sich die Spieltechnik aber “automatisch” und deutlich spürbar an die neuen Parameter an. Außerdem kann es durchaus angenehm sein, wenn die Wege für beide Hände etwas kürzer sind, zumindest für einige traditionellere Spieltechniken.
Fassen wir zusammen: Das kostspielige Sammlerstück sieht also nicht nur abgefahren aus, sondern lässt sich nach kurzer Eingewöhnung auch wirklich komfortabel spielen, zumal es ab Werk hervorragend eingestellt war und keiner weiteren Justierung bedurfte, etwa bei der Saitenlage oder der Halskrümmung.
Als nächstes verschaffen wir uns einen Überblick über die Klangmöglichkeiten des Jubiläums-Modells, wofür ich wie immer einige Audiobeispiele aufgenommen habe. Das Signal ging dabei ohne Umwege in ein Audio-Interface von Apogee, um dann mit Logic 10 aufgenommen zu werden.
Für das erste Beispiel habe ich alle Regler des Basses voll aufgedreht – wir hören also beide Tonabnehmer ohne Höhenabsenkung.
Ich bin tatsächlich immer wieder erstaunt, wie erwachsen und voll ein derart kleiner Violin-Bass klingen kann. Der Beatles-Bass liefert ein enorm solides Bassfundament und kann damit jede Band stützen. Der Steg-Tonabnehmer bringt darüber hinaus ordentlich Mittenfrequenzen ins Spiel und sorgt für eine sehr gute Tondefinition und Durchsetzungsvermögen im Mix.
Wenn man beide Tonblenden zudreht, wird der Sound wie erwartet noch eine Spur runder und wärmer. Die Blenden filtern vor allem Fingergeräusche und Hochmitten aus, dementsprechend ist der Unterschied zwar nicht allzu groß, aber trotzdem gut hörbar. Ein Beatles-Bass mit Tape-Wound-Saiten besitzt logischerweise per se keine super drahtigen Höhen, die mit der Tonblende ausgefiltert werden könnten.
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Paul McCartney schlägt die Saiten seines Höfners gerne mit dem Daumen der Schlaghand an. Im nächsten Clip hört ihr daher den 60th Anniversary 500/1 im “McCartney Daumen-Style”. Durch die größere Fläche des Daumens wird der Sound hier noch einmal deutlich fetter, besitzt aber immer noch ausreichend Definition und ordentlich “Punch” – ein wirklich toller Vintage-Basssound, wie ich finde!
Die beiden Humbucker sind bei meinem Testbass (wie bei den meisten 500/1-Modellen) maximal weit voneinander entfernt. Der Stegtonabnehmer sitzt also unmittelbar vor dem Steg und der Halstonabnehmer parkt direkt am Griffbrettende. Dementsprechend extrem sind auch die Sounds, wenn man die beiden Tonabnehmer im Solomodus betreibt. Wird nur der Halstonabnehmer aufgedreht, treten die Tiefbässe deutlich in den Vordergrund und überlagern die Mitten zum Teil. Das ergibt einen sehr mächtigen, fast schon kontrabassmäßigen Sound mit einer dezenten akustischen Note. Der Sound funktioniert hervorragend für Walking-Linien und generell in Musikstilen, die dem Bass viel Raum zugestehen.
Wenn man den Stegtonabnehmer alleine verwendet, erhält man das gegenteilige Klangergebnis: die Bassfrequenzen werden hier nur noch schwach abgebildet und die Mitten dominieren das Klangbild. Der Sound besitzt statt dessen ungemein viel “Twäng” und wirkt leicht nasal, ist aber in der Praxis immer noch als extrem durchsetzungsstarker Basssound einsetzbar – zumal man ja im Livebetrieb am Amp jederzeit ein Prise Low-End dazu regeln kann, falls der Sound nicht ausreichend tragen sollte.