Der Hughes & Kettner era 1 Combo-Verstärker für Akustikgitarren läutet bei dem deutschen Hersteller eine neue Zeit ein. Vor allem E-Gitarristen waren es in der Vergangenheit, auf denen der Fokus der Marke lag, eine Sparte, in der die Amp-Spezialisten auf eine jahrzehntelange Erfolgsgeschichte zurückblicken können. Nicht umsonst trägt der neue Akustikverstärker den Namen era 1, denn er soll die innovative Tradition weiterführen und gleichzeitig die Tür zu einem weiteren Markt aufschließen. Mit an Bord bei der Entwicklung des Akustik-Combos war Michael Eisenmann, ein profunder Kenner der Materie und anerkannter Experte. Immerhin war er Mitbegründer und lange Jahre einer der Köpfe des renommierten Akustik-Amp-Herstellers AER.
Die Gebrüder Stamer starteten 1984 ihre Verstärkerproduktion und wenn man so will, leben bis heute Praxis und Technologie in kreativer Symbiose zusammen unter einem Dach. Die kleine Werkstatt hat sich über die Jahre in eine moderne Forschungs- und Produktionsstätte verwandelt, wo nach wie vor Musiker und Ingenieure Hand in Hand an der Entwicklung innovativer Tools für den Gitarristen arbeiten und eine hochmoderne Fertigung die Ideen in die Praxis umsetzt. Dabei ist der Firmenname Hughes & Kettner mit Bedacht gewählt. Mr. Hughes versinnbildlicht den Praktiker, während Herr Kettner den technologischen Kontrapart verkörpert. Aus dieser nicht unbedingt nur fiktiven Zusammenarbeit entstanden in der Vergangenheit solche innovativen Produkte wie die ATS-Serie, Triamp, Zentera, Switchblade, Tubemeister, Grandmeister und viele weitere.
Und jetzt ein Akustik-Gitarren-Verstärker mit dem Namen era 1, der sich in einer edlen Holz-Ausführung zum Test eingefunden hat.
Details
Chassis
Das Erscheinungsbild überzeugt. Der relativ handliche Combo aus schichtverleimtem Birkenholz mit den Abmessungen (B x H x T) 351 x 285 x 290 mm macht nicht nur auf den ersten Blick einen edlen und wertigen Eindruck. Vor allem in der Ausführung “Wood”, wie sie zum Test bereitsteht, fügt er sich optisch nahtlos in die gepflegte Umgebung einer guten Akustikgitarre ein. Im Kern ruht ein schwarzer Metallkasten, in dem die Elektronik Platz genommen hat. Weitere Einblicke erhält man nach dem Abnehmen der verschraubten Abdeckplatte an der Rückseite.
Unser Testkandidat bringt runde 10 kg auf die Waage, kaum mehr als eine dicke Akustikgitarre samt Koffer. Mit einem integrierten Schalengriff an der Oberseite kann der Era 1 Combo deshalb ausbalanciert auch im Alleingang transportiert werden. Die Gehäuseecken werden zwar nicht von Protektoren geschützt, allerdings kann eine im Lieferumfang enthaltene gepolsterte Hülle auf dem Weg zum Gig die gröbsten Kanten entschärfen. Musiker “on the road” sollten aber mittelfristig ihre Gage in ein robustes Case investieren. Das mit einer schwarzen Stoffbespannung überzogene Metallgitter an der Vorderseite lässt sich nicht abnehmen, sodass Einblicke aus dieser Perspektive nicht möglich sind.
Vier Gummifüße an der Unterseite tragen dazu bei, dass das Gehäuse rutschfest und wackelfrei aufgestellt werden kann. Der Combo lässt sich aber in zwei unterschiedlichen Winkeln neigen – der im Lieferumfang eingeschlossene Bügel wird dazu an der Unterseite nahe der Schallwand befestigt. Ein im Boden integrierter Hochständerflansch mit 35 mm Durchmesser bietet zudem die Möglichkeit, den era 1 auf einem Stativ zu positionieren.
Die beiden Speaker, ein 8″ Mitteltiefton und eine 1″ Hochtonkalotte entfalten ihre Wirkung in einem Frequenzbereich zwischen 70 Hz und 15 kHz und werden von einer Class D Endstufe mit einer Ausgangsleistung von 250 Watt angeschoben. Leider wird nicht deutlich, ob es sich um eine RMS-Angabe handelt. Für einen objektiven Vergleich mit anderen Verstärkern wäre diese Information hilfreich.
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Controller, Taster und Ein- und Ausgänge
Das Gesamtkonzept ist durchdacht und transparent. Das Paneel hat den Raum an der Oberseite eingenommen, wo sämtliche Controller (15), Taster (8) und LEDs (9) leserlich in Weiß auf schwarzem Grund beschriftet sind. Zumindest das optische Angebot suggeriert reichlich Potential. Die Bedienelemente sind in einer Reihe auf dem etwas eingeschobenen und tiefer gesetzten Paneel montiert und sinnvoll für die beiden Instrumentenkanäle (Ch 1/2), den Effektweg (Ch 4) und die Mastersektion gruppiert. Ein- und Ausgänge haben allesamt an der Rückseite des Gerätes Platz gefunden, sodass Stecker und Regler räumlich voneinander getrennt sind.
Die Kanäle 1 und 2
Instrumente und Mikrofone werden an die beiden Kanäle 1 und 2 angeschlossen. Beide Kanalzüge sind identisch ausgelegt, sodass Lautstärke, Klang und Effekt/Effektanteil für jedes angeschlossene Mikro oder Instrument individuell eingestellt werden. Diesen Luxus können sich längst nicht alle Akustik-Combos leisten. Die Kanäle kann man natürlich nicht umschalten, denn der Era 1 arbeitet eher wie ein Mischpult.
Den Reigen eröffnet der Gain-Regler, der auch mit der Clip-Anzeige kommuniziert. Gelegentliches Flackern der Clip-LED darf man getrost ignorieren. Bei anhaltendem Leuchten sollte die Eingangsverstärkung aber mit dem Gain-Regler zurückgenommen werden, um Übersteuerungen zu vermeiden. Grundsätzlich sollte man auch den Level-Regler (an der Rückseite), der am Eingang von Kanal 4 die Empfindlichkeit eines extern angeschlossenen Gerätes bestimmt, nicht aus dem Blick verlieren, wenn die LED weiterhin eine Übersteuerung anzeigt. Mit der -10 dB Taste kann optional die Eingangsempfindlichkeit für nieder- bzw. hochohmige Instrumente/Mikrofone angepasst werden, wenn der Regelbereich des Gain-Potis nicht ausreicht.
Im rauen Bühnenalltag macht sich die Mute-Funktion unbedingt bezahlt. Mit einem Druck auf einen der Taster wird der jeweilige Kanal stummgeschaltet. Dann liegt das Signal nur noch am Tuner-Ausgang an, sodass auf der Bühne in Ruhe gestimmt werden kann. Die entsprechende LED gibt dann eine rotleuchtende Rückmeldung. Aber noch viel bequemer können die Kanäle im Bühnenbetrieb mit dem Fußschalter (FS-2) gemutet werden. Wer mit zwei Akustikgitarren unterwegs ist und möglichst lautlos das Instrument wechseln möchte, weiß den Wert eines Fußschalters zu schätzen. Der FS-2 ist aber leider nicht im Lieferumfang enthalten, kann aber im Handel gegen Aufpreis erworben werden.
Einen parametrischen EQ braucht der Era 1 nicht, wobei die Klangreglung trotzdem ein Novum zu bieten hat: Sie lässt sich auf zwei Instrumente mit unterschiedlicher Klangcharakteristik, z.B. Steel- und Nylon-String Gitarren, einstellen. Zwei EQ-Modi erlauben das Eingreifen mit Bass-, Mitten- und Höhenregler in unterschiedlichen Frequenzbereichen. Die drei Potis rasten in der 12-Uhr-Position ein, wo sie das Signal linear, also unbeeinflusst passieren lassen. Der Bassregler senkt oder hebt bei Betätigung die tiefen Frequenzen bei 80 Hz (Mode 2 bei 110 Hz) bis um 10 dB, Treble senkt oder hebt die hohen Frequenzen bei 10 kHz (Mode 2 bei 12 kHz) bis um 10 dB und der Mid-Regler senkt oder hebt die mittleren Frequenzen bei 700 Hz (Mode 2 bei 1200 Hz) bis um 6 dB. Die Unterschiede zwischen den beiden Modes werden natürlich erst wirksam, wenn die Controller die 12-Uhr-Position verlassen, ansonsten bleibt der Ton linear.
Darüber hinaus kann die Klangcharakteristik der Speaker mit dem Shape-Taster substantiell modifiziert werden. Shape senkt laut Manual die Mitten leicht ab, sodass die Bässe präsenter werden. Gleichzeitig werden die Höhen leicht angehoben und Obertöne betont. Shape ist aktiv, wenn die entsprechende LED aufleuchtet. Selbstverständlich können auch beide Taster EQ/MODE 2 und Shape gleichzeitig aktiv werden, sodass sich diverse Soundkombinationen ergeben.
Außerdem lässt sich das Klangbild mit dem integrierten digitalen Multi-Effektgerät weiter aufwerten. Die Effektwahlschalter (FX Preset) bietet 16 ausgewählte Digitaleffekte. Die Palette reicht von Reverb Room, Reverb Hall, Reverb Church über diverse Delays-, Chorus- und Flanger-Effekte bis hin zu Kombi-Effekten wie Chorus + Delay oder Flanger + Reverb, um nur einige zu nennen. Die Effekte sind – wie schon erwähnt – separat für beide Kanäle einstellbar, sodass z.B. die Stimme nicht unter dem Chorus der Gitarre leidet oder die Gitarre nicht unter dem Hall der Stimme. FX Vol regelt die Intensität des ausgewählten Effektprogramms, das bei Linksanschlag komplett aus dem Signalweg genommen wird. Die Effektprogramme können aber auch mit dem Fußschalter (FS-2) abgeschaltet werden, damit das nächste Stück beispielsweise auch ohne Kathedralhall oder Chorus erklingt.
Die Eingänge (zwei Kombibuchsen) für Instrumente oder Mikros befinden sich an der Rückseite. Der Era 1 erkennt automatisch, ob der Eingang mit einer 6,3 mm Klinke für Instrumente oder dem XLR-Stecker eines Mikrofonkabels verbunden ist. Bei Verwendung eines Klinkensteckers arbeitet die Buchse wie ein Eingang für Instrumente mit passiven oder aktiven Tonabnehmern. Wird ein XLR-Stecker verwendet, verwandelt sich die gleiche Buchse in einen symmetrischen Eingang für dynamische und Kondensator-Mikrofone. Studiomikrofone können dann natürlich auch mit Phantompower versorgt werden. Eine entsprechende LED (daneben) zeigt den Status (on/off) an. Der Ein- bzw. Ausschalter befindet sich an der Rückseite neben dem Eingang.
Kanal 3
In den Spielpausen kann der Era 1 das Auditorium mit Beiträgen aus der Konserve unterhalten. Die Audio-Wiedergabe erfolgt über den 3,5 mm Stereo-Klinkeneingang an der Rückseite. Über das Poti Aux In an der Oberseite wird die Lautstärke des angeschlossenen Audio-Spielers geregelt. Der Klang muss allerdings am externen Gerät eingestellt werden, da ein separater EQ fehlt. Der Eingang darf natürlich auch dazu benutzt werden, ein Playback einzuspeisen.
FX Loop/Kanal 4
Für den Anschluss externer Geräte (Effektgerät, Looper, Keyboard) steht mit den Anschlüssen FX-Send und FX-Return ein Einschleifweg zur Verfügung. Mit Level wird das Eingangssignal gepegelt, der entsprechende Regler befindet sich ebenfalls an der Rückseite.
Die Mastersektion
Die Mastersektion ist nur spartanisch mit einem Volume-Regler und einem Poti für den Notch-Filter ausgerüstet. Da die beiden Instrumentenkanäle großzügig mit Regelmöglichkeiten für die individuelle Soundgestaltung ausgestattet sind, ergibt ein einfacher übergeordneter Master-Regler durchaus Sinn, der die Lautstärke des Summensignals beider Kanäle bestimmt. Allerdings wirkt auch das Poti für den Notchfilter zur Reduzierung von störenden Frequenzen wie Feedback oder Resonanzen auf beide Kanäle. Störende Frequenzen werden durch Drehen des Regler gesucht und eliminiert und bei Linksanschlag das Notchfilter komplett aus dem Frequenzgang herausgenommen. Hier wären besonders bei unterschiedlicher Belegung der beiden Kanäle und unterschiedlichen Störfrequenzen getrennte Notchfilter von Vorteil.
Weitere Eingänge an der Rückseite
An der Rückseite stellt der Era 1 weitere Ein- und Ausgänge bereit, die dem Musiker das Leben daheim und unterwegs gehörig erleichtern können. Für den Anschluss eines Stimmgerätes steht ein separater Klinkeneingang (Tuner) zur Verfügung, sodass die Stimmung während der Performance gecheckt werden kann. Wie schon erwähnt, bleibt der Eingang aktiv, wenn ein Kanal stummgeschaltet wird. Darunter findet sich der Anschluss für den Fußschalter.
Der symmetrische DI OUT im XLR-Format leitet das Vorverstärker-Signal der beiden Instrumenten- bzw. Mikrofonkanäle an ein Mischpult zur Übertragung über eine PA. Der Pre/Post EQ-Taster bestimmt , ob das Signal des DI Out vor oder hinter der Klangreglung abgegriffen wird. Alternativ kann auch der Line Out verwendet werden. Die 6,3 mm Line-Out-Buchse gibt ein komplettes unsymmetrisches Stereo-Vorstufensignal der beiden Kanäle mit sämtlichen EQ-Voreinstellungen, Effekten, dem Signal des Aux-Kanals (MP3-Player) und dem Signal des FX-Loop-Kanals an ein Mischpult oder Aufnahmegerät aus. Auch eine zweite Aktivbox (Combo) kann hier angeschlossen werden. Der Line Out Level (daneben) bestimmt den Ausgangspegel.
Hughes & Kettner hat dem Era 1 auch einen Kopfhöreranschluss implantiert. Dieser dürfte sich z.B. schon beim nächsten Soundcheck bezahlt machen, wenn man in Ruhe seinen Bühnensound einstellen möchte, denn beim Einstecken des Kabels werden die Speaker stummgeschaltet.
Optical Out, der optische S/PDIF-Toslink-Audioausgang, sendet das Summensignal an Soundkarten, Digitalmischpulte, Interfaces und andere Geräte mit entsprechendem Eingang. Diese Verbindung soll unempfindlich gegenüber elektrischen oder magnetischen Störungen sein.