In diesem Audiovergleich geht es ans Eingemachte, denn wir vergleichen das Line 6 HX Effects mit diversen Original Vintage-Pedalen. Das HX Effects ist ein Multieffekt-Prozessor mit digitaler Klangerzeugung, der wie ein großes Pedalboard aufgebaut ist und über hundert verschiedene Effektmodule auf Lager hat. Neben einigen sehr guten Eigenkreationen aus dem Hause Line 6 sind natürlich auch Module im Angebot, die sich als detailgetreue Nachbildungen von alten, legendären Effektpedalen anbieten. Und genau dort wollen wir jetzt das Mikroskop aufbauen und herausfinden, wie nah das digitale Modeling am Original ist.
Die digitalen Nachbildungen kommen vom Line 6 HX Effects
Das Line 6 HX Effects ist zwar schon seit einigen Jahren auf dem Markt, liefert aber immer noch die vom Hersteller gewohnt hochwertige Klangqualität. Wie der Produktname verrät, beschränkt sich das HX Effects im Gegensatz zu den anderen Helix-Modelern ausschließlich auf Effekte und hat keine digitalen Amp-Modelle an Bord.
Das Line 6 HX Effects Multieffekt-Pedal verzichtet zwar auf Amp-Modeling, bietet dafür aber vor jedem Gitarrenamp die Effektausstattung des Line 6 Helix.
Diese 12 Vintage-Pedale treten zum Vergleich an
Hier kommt die Aufstellung der analogen Vintage-Mannschaft:
Boss DS-1 (Distortion)
Der DS-1 war das erste Distortion Pedal von Boss, kam 1978 auf dem Markt und ist bis dato das meistverkaufte Boss Compact-Pedal. Satte Zerrsounds mit viel Gain und Sustain sind das Markenzeichen des orangefarbenen Pedals.
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Ibanez Tube Screamer TS-808 (Overdrive)
Der Tube Screamer ist eines der beliebtesten Overdrive-Pedale, das gerne für angezerrte Sounds mit leichter Mittenbetonung genommen wird. Die Paradedisziplin ist allerdings das Anfeuern von bereits verzerrten Amps.
Electro Harmonix Small Stone (Phaser)
Der Small Stone hat seinen Ursprung in den 1970er Jahren und gehört neben dem Phase 90 von MXR zu den beliebtesten Phasern aus dieser Ära. Und das nicht nur bei den Gitarristen – das Pedal wurde auch gerne von Keyboardern zum Aufpeppen ihrer Sounds benutzt. Jean-Michel Jarre hat den Small Stone zum Beispiel auf seinem Werk Oxygene eingesetzt. Aktuell bietet der Hersteller den Sound dieses Vintage-Pedals übrigens im Electro Harmonix Nano Small Stone.
MXR Phase 90 (Phaser)
Der Phase 90 ist das zweite legendäre Phaser-Pedal, an dem sich viele Hersteller orientieren. Bekanntgeworden ist es durch Größen wie Eddie Van Halen oder David Gilmour, und vor allem seine gitarristenfreundliche Bedienung mit nur einem Regler fällt ins Auge.
Boss CE-1 (Chorus)
Der CE-1 ist der erste Chorus-Effekt in Pedalform von Boss – damals noch nicht im Kompaktformat und mit integrierter Stromversorgung. Der Effekt stammt aus dem Roland Jazz Chorus (JC-120) -Amp und gilt als der Ur-Choruseffekt, an dem sich viele Hersteller von Effektpedalen, Modeling-Effekten oder Plug-Ins orientieren. Ganz aktuell hat Warm Audio mit dem WA-C1 eine Nachbildung dieser Legende veröffentlicht.
Boss steht bekanntlich für eine Menge Effektlegenden, aber gleich mit dem ersten Pedal, das 1976 die japanischen Werkshallen verließ, schrieb man Geschichte: Der CE-1 war eine Sensation.
Das Warm Audio WA-C1 Chorus Vibrato lässt das Boss CE-1 Chorus Ensemble mit den charakteristischen Eigenschaften des analogen Klassikers wieder auferstehen.
ProCo The Rat (Distortion
Die Ratte kam Ende der 1970er auf den Markt und erarbeitete sich relativ schnell einen Stammplatz im Pedal-Arsenal der Gitarristen. Das schwarze Kästchen punktet mit sattem Sustain und einem speziellen Filterregler, bei dem die Höhen abgesenkt werden können und der Ton dadurch entsprechend wärmer wird – besonders gut geeignet bei etwas höhenbetonten Amps.
Dass die Proco Lil’ Rat in direkter Linie vom legendären Rat-Distortion abstammt, offenbart sich schon beim ersten Ton. Hier kommt die Mini-Ratte fürs Board.
Electro Harmonix Deluxe Electric Mistress (Flanger)
Dezentes Flanging ist das Hauptaufgabenfeld des Electric Mistress Flangers. Das Pedal von Electro Harmonix kam in der Deluxe-Version 1978 auf den Markt und wurde unter anderem von Andy Summers bei diversen Aufnahmen von The Police (u.a. Walking On The Moon) in der Rock- und Pop-Geschichte verewigt.
Wer es schafft, als Effektgerät mehr als 30 Jahre lang seine Benutzer zu begeistern, der hat seinen Platz in der Hall Of Fame sicher. Der Electric Mistress Flanger gehört auf jeden Fall dazu.
Dunlop Fuzz Face (Fuzz)
Das Fuzz Face ist durch Jimi Hendrix bekannt geworden und wurde 1966 von Ivor Arbiter entwickelt. Als Gehäuse für die ersten Prototypen hat er angeblich den Fuß eines Mik-rofonständers genommen und so kam die runde Form zustande. Das Pedal sorgt für sägende Zerrsounds und ist in unterschiedlichen Varianten erhältlich. Seit 1993 stellt Dunlop das Pedal her.
Das Fuzz-Pedal erlebt gerade eine Renaissance und seine raue Zerre gehört in jedes Board. Und wir bringen euch schnell und einfach zum perfekten Fuzz-Sound.
Electro Harmonix Big Muff (Distortion/Fuzz)
Der Big Muff ist mit seinem sustainreichen Zerrsound eine Mischung aus Distortion und Fuzz, denn je nach Amp und Gitarre kann das Pedal auch mal ordentlich sägen. Anfang der 1970er Jahre wurde es von EHX Mastermind Mike Matthews entwickelt und der Weltöffentlichkeit vorgestellt. Die Liste seiner prominenten User ist sehr lang und zeigt auch seine stilistische Vielfalt. Unter anderem ist der Big Muff zu hören auf Alben von Pink Floyd, Nirvana oder Metallica. Im Laufe der Zeit gab es, wie so oft bei Electro Harmonix, unterschiedliche Versionen des Big Muffs.
Das Electro Harmonic Ram’s Head Big Muff Pi Pedal entführt den Gitarrenton zurück in die 70er Jahre, und das mit authentischem Big Muff Charakter und Charme.
Boss SD-1 (Overdrive)
Der SD-1 ist der legitime Nachfolger des legendären OD-1 Overdrive-Pedals. Auch hier ist die klassische Overdrive Schaltung integriert, hat aber im Vergleich zum OD-1 noch einen Tone-Regler spendiert bekommen. Das Pedal sorgt für satte Übersteuerungs-Sounds bis zum mittleren Zerrgrad und kann gerne auch zum Anfüttern von verzerrten Amps benutzt werden. Der SD-1 ist unter anderem auf den Pedalboards von John Frusciante, David Gilmour oder Jimmy Page zu finden.
Boss RE-20 (Delay)
Das Original Roland Space Echo RE-201 wurde von 1974 bis 1990 hergestellt und dient vielen Herstellern als Referenz für den analogen Bandecho-Sound. Das RE-20 im Pedalformat ist die detailgetreue Nachbildung des Space Echos, hergestellt von der Schwesterfirma Boss. Das bestätigen auch viele Musiker, und weil wir kein altes Bandecho verfügbar hatten, ist das RE-20 für unseren Vergleich die Referenz.
Das Boss RE-202 Space Echo lässt den Sound und die Fähigkeiten des Roland Space Echos aus den Siebzigern digital auferstehen – mit einigen modernen Features.
Vox AC-15 Tremolo
Bei diesem Tremolo handelt es sich nicht um ein Effektpedal, denn es ist der analoge Tremolo-Effekt, der in einem Vox AC15 eingebaut ist. Regelbar mit Speed und Depth wird hier eine Lautstärke-Modulation erzeugt.
Der Sound der Tremolo-Effekte aus Fender- und Vox-Amps ist bei Pedalherstellern sehr beliebt und dient als Referenz für diesen Sound.
Auch wenn die Entscheidungen inzwischen in Japan getroffen werden und auch die Lötkolben im Fernen Osten rauchen – Vox-Amps, wie der AC15C2, sind und bleiben britisch.
Der Audiovergleich
So, jetzt geht es zur nackten Wahrheit mit folgendem Versuchsaufbau: Als Amp ist bei allen Beispielen bis auf zwei Ausnahmen (Marshall SLP-100, Vox AC15) der Sovtek MIG-50 mit unverzerrtem Grundsound im Einsatz. Der Amp läuft über einen Universal Audio OX, der die Speakersimulation übernimmt. Dann werden immer abwechselnd das entsprechende Pedal oder das HX Effects vor den Amp geschaltet, letzteres lediglich mit dem betreffenden Effektmodul. Die Einstellungen beim HX Effects habe ich, wenn möglich, den Einstellungen des Referenzpedals angepasst. Das war die Ausgangslage, bei manchen habe ich noch etwas geschraubt, um an den Referenzsound heranzukommen. Man muss dazu sagen, dass dieser Vergleich natürlich sehr subjektiv ist, denn von den benutzten Originalpedalen gibt es, wie bereits erwähnt, unterschiedliche Versionen. Um das Ganze absolut authentisch darstellen zu können, müsste man die Referenzpedale zu Rate ziehen, die Line 6 beim Analysieren und Erstellen der Effektmodelle benutzt hat. Aber darum geht es ja eigentlich auch nicht. Die Frage ist einfach, wie nah kommt man an die analogen Gerätschaften heran und kann ein Multieffekt einen akzeptablen und brauchbaren Sound für Bühne und Aufnahmen liefern. Hier kommt der Vergleich: Bei jedem Beispiel hört ihr zuerst das Original-Pedal und dann direkt das gleiche Riff/Akkordfolge mit dem Sound aus dem HX Effects.
Fazit
Die Effektmodelle des Line 6 HX Effects liefern eine überzeugende Performance. Manche sind recht nah an unseren benutzten Original-Modellen (z.B. CE-1, Small Stone, Tube Screamer, SD-1), bei anderen (z.B. DS-1, Fuzz Face, Phase 90) ist der Sound etwas weiter weg, aber nicht unbedingt schlechter. Der Phase 90 zum Beispiel hat, wenn man nur die Gitarre hört, beim HX Effects einen wesentlich schlankeren Sound und dadurch etwas weniger Charakter als unser Referenzpedal. Aber bei Aufnahmen mit komplettem Band-Arrangement lässt sich dieser Sound wesentlich besser ins Gesamtbild einfügen. Aber ein tausendprozentiger Ersatz sind die Modeling Effekte aus dem HX Effects nicht. Wer unbedingt auf absolut authentischen Vintage-Sound steht, wird mit Sicherheit an den analogen Geräten nicht vorbeikommen. Dafür muss man natürlich auch mal erhöhtes Rauschen und kratzende Potis in Kauf nehmen. Ansonsten bietet das HX Effects meines Erachtens eine sehr gute und praxisorientierte Alternative, vor allem bei den Modulations-, Reverb- und Delay-Sounds. Dazu kommt der klare Vorteil, dass die Effekte frei programmiert werden können, sich Soundkombinationen abspeichern lassen und das Ganze auch noch weniger rauscht.
Nadine sagt:
#1 - 30.03.2023 um 08:48 Uhr
Das HX Effects simuliert das Röhrentremolo eines AC15 aus den 60ern, nicht die Transistorschaltung des chinesischen AC15 C1. Auch bei Rat und Big Muff wurden offensichtlich abweichende Versionen verwendet.