Im Jahr 1983 glänzte der Disco-Klassiker „Last Night A DJ Saved My Life“ mit der Zeile „There’s not a problem that I can’t fix, ’cause I can do it in the mix“.
Gemeint war damit eigentlich, dass die Songzusammenstellung eines DJs sogar betrogene Frauen wieder in gute Laune versetzen kann. Doch wird der Spruch spätestens seit auch beim Recording eingesetzt. Meist um Schwächen bei und Fehler in Aufnahmen herunterzuspielen. Und ein wenig auch, um die Leistung des Mix-Engineers zu überhöhen. Im Folgenden stelle ich euch drei gute Gründe vor, warum das nicht immer funktionieren kann. Sicher fallen euch ebenfalls noch etliche weitere Argumente ein…
Genauso gibt es zu diesem kontroversen Thema Meinungen, die dem Spruch (mehr oder weniger) zustimmen. Deshalb stelle ich euch auch in den folgenden Zeilen zunächst drei gute dafür Gründe vor, wann und wie der Ansatz funktionieren kann. Dabei geht es stets darum, Versäumnisse im Recording nachzuholen. Versteht mich also nicht falsch: Ich möchte euch ganz sicher nicht ermutigen, in euren Aufnahmen nachlässig zu sein. Sofern ihr weitgehend authentische Aufnahmen einer Performance erreichen möchtet, solltet ihr bereits während des Recordings für guten Sound und eine tolle Performance sorgen. Was aber, wenn Frequenzbild oder Dynamik letztlich nicht ganz nach eurem Geschmack sind, Spielfehler oder Editierungen zu hören sind…? Auf geht’s.
Fix it in the Mix – 3 gute Gründe dagegen
Contra 1: Was nicht da ist, kann nicht verbessert werden – Das Frequenzbild
Sicher seid ihr schon mal auf dieses Problem gestoßen: Ein aufgezeichnetes Signal enthält zu wenig Höhen. Eure erste Reaktion darauf ist: „Kein Problem, das regle ich im Mix. Ich werde einfach die Höhen per EQ anheben.“ Spätestens beim Abmischen stellt ihr dann fest, dass ihr durch den Equalizer-Einsatz zwar jede Menge Rauschen dazu erhaltet und das Signal (etwa Vocals oder Gitarre) deutlich „verbogen“ klingt. Es klingt stark bearbeitet und der gewünschte Effekt bleibt aus. Den Grund dafür habt ihr bereits in der Zwischen-Überschrift gelesen: Was nicht da ist, kann nicht verbessert werden. Denn in den meisten Fällen könnt ihr – schlicht gesagt – nur mit solchen Informationen arbeiten, die auch im Signal enthalten sind. Das bedeutet etwa, dass ihr hohe Frequenzanteile, die ihr nicht aufgezeichnet habt, nicht in eure Aufnahmen hineinzaubern könnt.
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Contra 2: Zwo, drei… und alle zusammen! – Das Timing
Nicht selten macht das Zusammenspiel der Musiker eine Aufnahme aus. In Zeiten von nacheinander durchgeführten Einzelspuraufnahmen bleibt aber gerade die Magie des Zusammenspiels häufig auf der Strecke. Oder produziert ihr eure eigenen Songs und spielt sämtliche Instrumente selbst ein? Dann habt ihr nach etlichen vergeigten Gitarren- oder Vocal-Takes sicher schon mal zu euch selbst gesagt: „Kein Problem, das regle ich im Mix. Ich werde einfach alles quantisieren.“ Also flugs alles aufgenommen, die gröbsten Schnitzer herauseditiert und vor dem Abmischen noch die Quantisieren-Funktion ausgeführt. Aber Himmel, was ist das? Der Track will einfach nicht grooven. Die Instrumente wirken statisch, die Spielweise roboterhaft und schlimmstenfalls könnt ihr euch des Eindrucks nicht erwehren, dass das Timing sogar ein wenig „hakelig“ herüberkommt. Dabei habt ihr doch alles perfekt quantisiert… Das Problem mit dem Timing sind minimale Vorverzögerungen und Verzögerungen, die den individuellen Spielstil eines Musikers ausmachen. Habt ihr erst alle Spielinformation mathematisch exakt aufgereiht, ist es mit der emotionalen Wirkung eures Tracks in den meisten Fällen vorbei. Keine Frage, es gibt musikalische Genres wie Industrial oder Techno in denen genau dieser Effekt gewünscht wird. In der Regel fahren wir als Zuhörer jedoch auf all die kleinen Timingschwankungen ab, die eine Aufnahme menschlich machen.
Contra 3: Was ist schon ein Halbton unter Freunden? – Das Tuning
Endlich sind die Vocals im Kasten und der Gitarrist hat die lang geprobten Jazzakkorde mit einem super Groove aufgezeichnet. Auf geht’s an den Mix. Aber Halt, was ist das? Irgendwie scheint das Abmischen nicht zu funktionieren. Hattet ihr eurem Sänger beim den Gesangsaufnahmen nicht gesagt: „Kein Problem, das regle ich im Mix. Ich verwende einfach Auto-Tune.“ Nun aber stellt ihr fest, dass der Auto-Tune-Effekt nicht die gewünschte Lösung bringt. Und auch für eine manuelle Tonhöhenkorrektur bieten die Vocals einfach nicht genug „Fleisch“. Euer Ergebnis klingt stets unnatürlich. Zu allem Übel hört ihr auch noch in den Gitarrenakkorden eine verstimmte Saite heraus. Das Problem ist, das die Tonhöhenkorrektur von Vocals oftmals an der Erkennung/Analyse des Materials oder an den Stimm-Formanten (charakteristische Frequenzanteile) scheitert. Und auch die Grenzen des Pitch-Editing von Akkordinstrumenten sind – je nach verwendeter Software – schnell erreicht. Was nun?
Für die Tonhöhenbearbeitung ist es stets von Vorteil, wenn ihr viele Takes zur Verfügung habt, damit ihr aus dem Vollen schöpfen könnt. Angenommen, euer Sänger schafft es auch nach wochenlangen Üben nicht, bei einem bestimmten Ton die perfekte Höhe zu liefern. Dann solltet ihr zumindest so viele Takes aufgezeichnet haben, dass ihr die Vocal-Aufnahmen DOCH noch im Mix bzw. im Editing retten könnt. Gerade wenn es sich nur um einen einzigen, aber zentralen Ton handelt, kann der Frust sonst groß sein. Bei Gitarrenaufnahmen heißt die Lösung: Immer wieder auf die Stimmung achten! Bei einigen Recording-Engineers kann dieser Wunsch nach dem optimalen Tuning geradezu obsessiv sein. Und nicht zu vergessen lässt während einer Aufnahme-Session auch die Konzentration nach. Seid ihr euer eigener Engineer und spielt die Gitarren selbst ein, kann es hilfreich sein, einen Freund mit guten Ohren zu bitten, euch beim Recording ein wenig Gesellschaft zu leisten. Zu zweit hört ihr bei den Aufnahmen einfach mehr. Außerdem verhindert ihr so, dass ihr es mit dem Stimmen der Gitarre übertreibt. Ein kleiner Tipp aber noch für alle Freunde nicht bundreiner Instrumente: Sollte euer Lieblingsinstrument in den höheren Lagen schräg klingen, obwohl ihr die leeren Saiten perfekt gestimmt habt, solltet ihr eure Strategie überdenken. Stimmt das Instrument dann einfach so, dass es im benötigten Tonbereich optimal gestimmt ist (Nach den Aufnahmen sollte ihr dann allerdings flugs die Oktavreinheit checken und einstellen!).
Fix it in the Mix – 3 gute Gründe dafür
Pro 1: Alles neu macht der Mix? – Das Frequenzbild
Wenn ihr in den ersten Teil dieses Beitrags geschaut hat, dann habt ihr schon ein paar Infos zu einem weit verbreiteten Problem gelesen. Gerade Anfänger versuchen oftmals, das Frequenzbild von Instrumenten zu „verbiegen“ anstatt es so aufzuzeichnen, dass es bereits dem gewünschten Ziel nahe kommt. Durch einen Equalizer-Einsatz können dem Material jedoch in der Regel keine Frequenzen hinzugefügt werden. Soweit so gut. Gerade an den Enden des Frequenzspektrums könnt ihr aber mit entsprechenden Tools auch im Mix noch für neue Signalinformationen sorgen.
Pro 2: „Ich hör es nicht!“ vs. „Jetzt ist’s zu laut!“ – Die Dynamik
Ganz anders sieht es bei der Signaldynamik aus. Hier wird so ziemlich jedem von euch klar sein, dass ein Kompressor dafür da ist, um zunächst laute Stellen im Material leiser zu machen (zu stauchen, also zu komprimieren). Und in den meisten Fällen wird der Signalpegel dann durch eine Aufholverstärkung wieder angehoben, damit das gesamte Material lauter wirkt. Mit diesen Schritten verringert ihr also die Dynamik. Was aber, wenn euch die Dynamik eines Signals nicht ausreicht und ihr größere Unterschiede zwischen laut und leise, zwischen Transienten und Ton haben möchtet? Dann kann euch ein Expander weiterhelfen. Er sorgt dafür, dass leise Anteile noch leiser werden und sich so ihr Dynamikabstand zu den lauten Signalanteilen vergrößert. Ihr könnt ihn beispielsweise einsetzen, um die Atemgeräusche ein einer Gesangsaufnahme dezenter zu machen oder auch, um das Rutschen auf Gitarrensaiten weniger hörbar zu machen. Verwendet ihr stattdessen ein Gate, würden diese Informationen komplett herausgeschnitten. Ein Expander kann deshalb im Mix dabei helfen, Signale lebhafter zu gestalten als sie aufgezeichnet wurden. Noch dazu sind viele Software-Studios, wie etwa Cubase, vom Hause aus mit einem entsprechenden Plug-In ausgestattet. Na, wenn das keine guten Gründe sind, die Dynamik im Mix zu „fixen“…
Pro 3: Maskieren, Ablenken – Das Balancing
Den wohl besten Grund dafür „Kein Problem. I can do it in the mix“ zu sagen, bieten zweifellos kleine Spielfehler oder auch hörbare Editing-Eingriffe wie Schnitte oder Cross-Fades von Audio-Events. Auch Tuning- oder Intonationsprobleme nach abgeschlossener Aufnahme sind ein guter Grund. Wie ihr im ersten Teil dieses Artikels lesen konntet, gehen gerade diese Korrekturen manches Mal nicht problemlos vonstatten. Das heißt aber keineswegs, dass ihr euren besten Take verwerfen oder gar eine neue Recording-Session einplanen müsst. Schon durch das einfache Anpassen der Kanal-Lautstärken oder auch durch ein geschicktes Panning könnt ihr so manches Take retten, ohne das ein Zuhörer etwas an den kritischen Stellen bemerkt.
So könnt ihr etwa die Aufmerksamkeit des Zuhörers geschickt auf andere Instrumente lenken oder auch ein unkritisches Instrument für einen Moment lauter mixen als ein kritisches. Auf diese Weise wird der Fehler verdeckt. Diesen Effekt nennt man auch „Maskieren“. Die extremste Balancing-Entscheidung beim Mixen ist das Drücken der Mute-Knöpfe – ein oft unterschätzter Kniff. Warum schräge Begleit-Gitarren oder zusammengestückelte Vocal-Dopplungen unbedingt mit ins Boot nehmen? Nicht selten fühlt es sich schon kurz darauf richtig an, dass ihr die problematischen Stellen per Mute-Knopf einfach vollständig aus der Gleichung genommen habt.