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Ibanez AF75 & AFJ95 Test

Praxis

Im Gewicht unterscheiden sich die beiden Instrumente nicht voneinander und bringen, wie bei dieser Gattung normal, jedes etwa drei Kilo auf die Waage. Die akustischen Unterschiede sind aber schon bei den ersten Tönen sehr deutlich wahrnehmbar, und das aus mehreren Gründen: Bei der AF75 hat man sich, eher untypisch, für dünne Roundwound-Saiten (010-046) entschieden. Schon durch diese Wahl wird dem Instrument ein ganzes Stück seines Volume-Vermögens genommen. Auch der verchromte Steg des günstigeren Modells erweist sich, wie schon in der Detailbeschreibung vermutet, als ungünstig. Die Gitarre klingt akustisch blechern und lärmend. Hinzu kommt, dass sich die Schwingungen sehr stark sowohl auf die Saiten-Enden hinter dem Steg als auch hinter dem Sattel übertragen und dadurch das eben beschriebene Klangbild noch begünstigen. Die AJF95 wird dagegen schon ab Werk mit dickeren Flatwound-Saiten ausgeliefert, die für den Klang einer Jazzgitarre natürlich förderlicher sind. Leider lassen aber hier die Werkseinstellungen des Instrumentes etwas zu wünschen übrig: Die Saiten klirren auf einigen Bünden sehr merklich. Davon abgesehen lässt sich die AFJ95 jedoch gut bespielen und bringt ein deutlich weicheres und wärmeres Klangbild als ihre Schwester mit. Die Übertragung der Schwingungen auf die Saiten-Enden ist auch hier etwas abgeschwächt vorhanden. Abhilfe schafft ein dämpfendes Stück Schaumstoff oder ein Tuch unter den Saiten. Diesen Trick habe ich übrigens auch bei den Aufnahmen angewandt. 

Zum akustischen Schwingungsverhalten sollte noch gesagt werden, dass man bei Archtops mit eingelassener Elektronik und Pickups natürlich nicht dasselbe akustische Klangbild erwarten darf wie bei Gitarren dieser Art mit beispielsweise einem Floating-Pickup.
Für die Aufnahmen verwende ich mit meinem Polytone Minibrute Amp einen absoluten Klassiker für Jazzgitarrenaufnahmen. Mikrofoniert habe ich den Verstärker mit einem Sennheiser E 606. Der Amp ist völlig neutral eingestellt. Dazu kommt ein Neumann TLM 103 vor der Gitarre zum Einsatz, das ich bei den meisten Aufnahmen hinzumischen werde, um den akustischen Klang des Instrumentes ebenfalls einzufangen und ein typisches Klangbild zu erreichen, wie man es beim Spielen einer Archtop in moderater Lautstärke gewöhnt ist.

Ich beginne den Test auf der AFJ95 mit einer Sequenz aus Akkorden und Melodielinien, die ich, beginnend mit dem Steg-PU, in allen drei PU-Einstellungen wiederhole. In diesem Fall lasse ich das TLM 103 weg, da ich nur den Sound der Pickups demonstrieren möchte. Der Hals-PU gibt den typischen basslastigen, etwas muffigen und weichen Sound von sich, der sich hervorragend für das traditionelle Spiel auf einer Jazzgitarre anbietet. In der Mittelstellung mischt sich schon deutlich der kehlige Sound des Steg-PUs hinzu, der Sound wird in dieser Einstellung etwas transparenter. Der Steg-PU allein betont, wie erwartet, deutlich mehr die Höhen, ist bassärmer und lädt mit seinem sehr markanten Sound zu bluesigeren Tönen ein. 
Ich tausche die AFJ95 gegen die AF75 und wiederhole die Aufnahme nach demselben Muster. Erstaunlicherweise macht sich das zuvor besprochene problematische akustische Schwingungsverhalten nicht so stark bemerkbar, wie ich erwartet hätte. Die Gitarre präsentiert sich elektrisch verstärkt insgesamt etwas dünner als ihre große Schwester und lässt auch ein wenig den weichen Touch im Gesamtsound vermissen, der eben noch im Raum stand. Dies sind aber eher Nuancen. Vom Spielgefühl her liegen zwischen den Instrumenten in dieser Stilistik dennoch Welten.

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Pickup Sounds AFJ95 Pickup Sounds AF75

Für das folgende Hörbeispiel nutze ich bei beiden Instrumenten den Hals-PU und mische zum Signal des Amps auch das TLM 103 vor der Gitarre hinzu. Ich spiele eine typische Strumm-Begleitung in Vierteln über einen Blues. Hier hat die AFJ95 deutlich die Nase vorn. Der Sound klingt gegenüber der AF75 ausgewogener, besonders in den Mitten schöner aufgelöst und zeigt mehr Charakter. Durch das Mikrofonsignal vor dem Instrument macht sich nun auch der lärmende Charakter der AF75 etwas unschön bemerkbar. Natürlich kommt die AFJ95 auch in dieser Spielweise durch die Saitenwahl deutlich besser weg.

Audio Samples
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Strumming AFJ95 Strumming AF75

Auch für die nächsten drei Beispiele bleibe ich bei beiden Modellen weiter auf dem Hals-PU und mische das TLM 103 am Korpus hinzu. Ich spiele sowohl mit dem Plektrum (Flatpicking-Beispiel) als auch Jazzgitarren-typisch mit den Fingern. Egal, ob es um breite Akkordvoicings, Walking Bass Lines oder Melodielinien mit Plektrum oder Fingern geht – die AFJ95 weiß den Sound immer deutlich weicher aufzulösen. Das liegt, wie schon erwähnt, zum einen an den Flatwound-Saiten. Generell passt aber auch die Wahl des Holzes deutlich besser zum traditionellen Sound. 

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Blues Solo AFJ95 Blues Solo AF75 Comping AFJ95 Comping AF75 Flat Picking AFJ95 Flat Picking AF75

Abschließend will ich natürlich auch hören, wie sich beide Gitarren rein durch die Pickups verstärkt mit anderen Instrumenten mischen. Ich spiele dafür zusammen mit Bass und Schlagzeug. Hier wiederum machen beide Instrumente eine gute Figur und präsentieren sich vielseitig durch ihre drei PU-Möglichkeiten. Die AF75 wirkt dabei durch ihre im Laufe des Tests genannten Klangeigenschaften etwas bissiger als ihre große Schwester, was in diesem Falle jedoch nicht problematisch ist. 

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Bandkontext AFJ95 Bandkontext AF75
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