Praxis/Sound
Die Gitarre ist ab Werk gut voreingestellt, die Halsneigung ist in Ordnung und die Bünde sind sauber abgerichtet und poliert, da gibt es nichts zu beanstanden. Die Saitenlage ist recht flach eingestellt, die Höhe bei der tiefen E-Saite beträgt 1,5 mm am 12. Bund, bei leichtem Anschlag ist auch kaum Schnarren zu hören. Die Gitarre lässt sich wirklich sehr gut bespielen, der Hals liegt schön in der Hand und durch die dünne Lackierung fühlt er sich auch sehr angenehm und natürlich an. Vor allem bremst nichts bei schnellen Lagenwechseln und auch Bendings und Vibratos lassen sich butterweich spielen. Das Tremolo-System ist prinzipiell stimmstabil, es gibt aber leichte Probleme beim Festklemmen der E- und A-Saite, zumindest bei meinem Testinstrument. Bei stärkerem Downtuning gibt es ein Knackgeräusch am Sattel und die Saiten rutschen leicht durch – praktisch um eine Umwicklung, wenn ich das richtig höre. Man kann auch sehen, wie die Saite sich hinter dem Sattel leicht bewegt. Das ist natürlich nicht im Sinne des Erfinders und des Spielers. Umdrehen der Klemm-Mechanik hat auch nicht geholfen, aber ich denke, dass mich mal wieder eine Montagsproduktion erreicht hat. Das kann bei einem anderen Modell völlig in Ordnung sein, aber ich kann nun mal nur die Instrumente bewerten und beurteilen, die ich bekomme. Deshalb wird das in der Zusammenfassung als Contra aufgeführt. Bei leichten Bewegungen des Tremolo-Hebels ist aber alles paletti.
Trocken angespielt gibt die Gitarre einen recht brillanten Sound von sich, die tiefen Saiten sind sehr klar und knackig. Wir starten unseren Rundgang durch die unterschiedlichen Sounds, die die GRT1220PB zu bieten hat, wie gewohnt am unverzerrten Amp. Hierfür steht ein Tweed Deluxe bereit, der an eine 1×12 Box (Celestion Alnico Blue) angeschlossen ist. Der Speaker wird mit einem Beyerdynamic M160 abgenommen. Ihr hört zuerst einmal alle Positionen des Pickup-Wahlschalter vom Hals-Pickup startend, einmal in der normalen Position und dann mit aktiviertem Alter-Switch. Im weiteren Verlauf werde ich in den Audiobeispielen folgende Abkürzungen zur Pickup-Auswahl machen:
N: Normal (Alter-Switch nach unten – zum Tone-Regler hin)
A: Alter-Switch On (Alter-Switch nach oben – zum Volume-Regler hin)
Für dich ausgesucht
1: Bridge PU
5: Neck PU
Die Pickups liefern einen recht variantenreichen Sound, was eigentlich auch so zu erwarten war. Die Humbucker haben eine stattliche Ausgangsleistung und bringen einen fülligen Sound, der Hals-Pickup kommt recht warm rüber, beim Steg-Pickup kommt der Tweed schon ordentlich ins Schwitzen und spuckt die eine oder andere Übersteuerung aus. Die Singlecoil-Sounds sind dünn und drahtig, fallen aber bei den Cleansounds vom Pegel her nicht drastisch aus dem Rahmen. Die Power-Tap-Sounds liegen genau in der Mitte zwischen Humbucker und Singlecoil. Sie sind eine Ecke dünner als die Humbucker-Sounds, aber noch nicht ganz so knackig wie die Varianten mit nur einer Spule. Von daher eignet sich die Gitarre mit ihren vielen Sound-Facetten zum Einsatz in unterschiedlichen Musikstilen. Knackige Funksounds gehen auf jeden Fall, es muss nicht immer die Tele oder Strat sein …
Wir kommen nun zu den Overdrive-Sounds, wofür ein Walrus Ages vor den Tweed Deluxe geschaltet wird. Das funktioniert auch sehr gut und mit den diversen Pickup-Kombinationen und Ausgangspegeln wird der Overdrive unterschiedlich heiß angefahren. Dabei liefert er verschieden starke Verzerrungen, die auch noch gut über den Anschlag gesteuert werden können. Allerdings wird der Sound bei manchen Kombinationen für mein Ohr etwas zu klinisch und leicht harsch in den Höhen. Für klassische Gitarrenklänge sind die Pickups doch etwas zu heiß und bei manchen Kombinationen fehlt es etwas an unteren Mitten. Das ist aber kein Nachteil, denn die Konzeption der Gitarre zielt bekanntlich nicht auf Vintage-Sounds, sondern mehr in die moderne Richtung, wo prägnante Höhen und ein etwas schlankerer Ton angesagt sind, damit man sich im Bandgefüge gut durchsetzen kann.
Für die Mid-Gain-Sounds ist nun ein Marshall Plexi mit 4×12 Cab (Celestion G12M) im Einsatz. Das Cab wird mit einem Neumann TLM-103 abgenommen. Die RGT1220PB klingt auch hier, verglichen mit anderen Humbucker-Gitarren (SG, Les Paul) etwas schlanker im Frequenzgang, sorgt aber für eine höhere Verzerrung durch stärkere Übersteuerung der Eingangsstufe. Die Aktionen zur Entzerrung mit dem Volume-Regler sind nicht so drastisch wie bei traditionellen Humbucker-Gitarren, aber der Tone-Regler hat einen guten Wirkungsgrad und man kann den Sound bei Bedarf recht gut entschärfen.
Im High-Gain-Sektor kann sich die Gitarre auch gut behaupten. Wie bereits erwähnt, sorgen die ausgangsstarken Pickups für eine stattliche Verzerrung und das Ganze klingt bei High-Gain-Sounds vor allem im unteren Frequenzbereich recht aufgeräumt. Gerade, wenn man mit zwei Gitarren in der Band spielt oder auch bei Aufnahmen mit mehreren Gitarrenspuren arbeitet, muss man hier weniger ausdünnen und die Gitarre behauptet ihren Platz im Mix mit einer guten Durchsetzungsfähigkeit. Für meinen persönlichen Geschmack klingt sie etwas zu klinisch und leicht pappig in den Höhen, aber da sind die Klangvorstellungen bei jedem anders ausgeprägt. Hier sind zwei Beispiele mit einem Peavey 6505.
Zum Abschluss hört ihr noch die Gitarre im Bandarrangement.