Ibanez TMB100 Talman Test

Praxis

Optisch gefällt mir der Talman ausgesprochen gut. Irgendwie wirkt die Kombination aus rötlichem Pickguard in Verbindung zu cremefarbener Lackierung, Chrom-Hardware und schwarzen Komponenten immer geradezu “klassisch”. Der Bass könnte in dieser Aufmachung gut und gerne bereits in den 50ern entworfen worden sein. Das Gewicht mit seinen 4,5 kg ist höher, als man angesichts der Optik vielleicht vermuten würde. So groß wirkt der Korpus schließlich nicht, schon alleine durch aufgrund des Fehlens der ansonsten so typischen Cutaway-Hörner. Am Körper hängt der Bass gut, wobei die Kopfplatte jedoch minimal nach unten zieht, was aber nicht allzu deutlich spürbar ist. Zumindest benötigt man keinen Gegendruck des Greifarms. Ein wenig verlagern sich die tiefen Lagen durch das Fehlen des oberen Cutaways nach außen. Auch dreht sich der Bass dadurch am Gurt hängend leicht nach links weg, weswegen man ihn rechts ausgleichend etwas nach Hinten drehen muss, um ihn in einer üblichen linearen Hängeposition wiederzufinden. Das alles sind jedoch minimale “gefühlte” Ergonomiekorrekturen, die nicht unbedingt jeder Bassist gleich stark empfindet.

Wie groß der Gewinn für die Company angesichts eines solchen Preises am Ende noch ist, möchte man sich gar nicht vorstellen!
Wie groß der Gewinn für die Company angesichts eines solchen Preises am Ende noch ist, möchte man sich gar nicht vorstellen!

Der Bass wurde ab Werk sehr gut eingestellt – mit Ausnahme der Bundreinheit, die ich komplett neu vornehmen musste, damit der Bass in den oberen Lagen nicht verstimmt wirkte. Die Justierung der Oktavreinheit ging problemlos vonstatten, allerdings musste ich zur Korrektur der G-Saite das Bridgereiterchen so weit nach vorne schrauben, dass die Stellschraube bereits gut bis zur Hälfte des Reiterchens im Gewinde verschwand. Man hätte die gesamte Bridge daher eventuell durchaus einige Millimeter weiter nach vorne anbringen sollen. Unterm Strich liegt aber noch alles im grünen Bereich – mit anderen Saiten mag die Justierung ohnehin komplett unterschiedlich aussehen!
Ansonsten habe ich keine Sekunde das Gefühl, hier einen Bass in den Händen zu halten, der so dermaßen günstig ist. Nichts am Ibanez TMB100 Talman wirkt “billig” – weder die allgemeine Verarbeitung, noch die einzelnen Komponenten und schon gar nicht die Lackierung.

Der Hals ist nicht super schlank, aber gut zu beherrschen. Über den kompletten Spielbereich wirkt der Bass ausgewogen und es macht wirklich auf Anhieb Spaß, darauf zu spielen. Durch den opulenten Freiraum zwischen dem Splitcoil-Halstonabnehmer und dem Halsende lässt es sich hervorragend slappen. Auch der Sound mit beiden Tonabnehmern im Klanggeschehen kommt dieser Spieltechnik sehr entgegen. Wem die neutrale EQ-Stellung dabei zu zahm erscheint, der kann mittels eines Boosts der Bässe und Höhen sofort zu mehr Kraft im Ton gelangen. Das dadurch entstehende Mittenloch bei ca. 800 Hz ist perfekt für einen aktiven Slapsound:

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Slap, beide Tonabnehmer, EQ linear Slap, beide Tonabnehmer, EQ: Höhen und Bässe angehoben

Ein kleiner Nachteil ist, dass der Singlecoil-Tonabnehmer naturgemäß Einstreugeräusche einfängt, die sich aber auch dann nicht auflösen, wenn man beide Tonabnehmer simultan betreibt. Wer von Jazz-Bässen gewohnt ist, dass deren zwei Singlecoils in Zusammenwirkung gemeinsam als Humbucker wirken, der wird diesen Umstand hier vermissen!
Der Halstonabnehmer alleine geschaltet ist ein (brummfreier!) Splitcoil-Tonabnehmer und agiert entsprechend lautlos, selbst wenn man die Höhen am aktiven EQ boostet. Im folgenden mit Pick gespielten Beispiel hört man, wie deutlich man den Soundcharakter des TMB100 in Richtung “Aktiv-Sound” trimmen kann:

Audio Samples
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Pick, Halstonabnehmer, EQ: Höhen angehoben
Nicht nur als Zweitinstrument uneingeschränkt zu empfehlen: der Ibanez Talman
Nicht nur als Zweitinstrument uneingeschränkt zu empfehlen: der Ibanez Talman

Toll: Mit nur zwei minimalen Handgriffen verwandelt sich der Bass mit dem Halstonabnehmer sofort in die Vintage-orientierte Gegenrichtung. Mit minimal angehobenen Bässen und weit abgesenkten Höhen leben die besten Discozeiten wieder auf:

Audio Samples
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Finger, Halstonabnehmer, EQ: Bässe angehoben, Höhen abgesenkt

Auch der Stegtonabnehmer macht alleine eine durchaus gute Figur. Dort sind die etwas näselnden Mitten zuhause, die für perkussives Spiel, Akkorde, Flageolets oder ähnliche Spielvarianten hilfreich sind. Hier beginnt der Basspart mit Doublestops im Intro und spielt dann eine durchsetzungsfreudige Sechzehntelfigur. Bei abgesenkten Höhen kommen übrigens auch die Einstreugeräusche des Singlecoils nicht mehr stark zum Tragen.

Audio Samples
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Finger, Stegtonabnehmer, EQ: Bässe angehoben, Höhen abgesenkt
Kommentieren
Profilbild von Florian

Florian sagt:

#1 - 27.02.2016 um 21:11 Uhr

0

Kann mir jemand einen Bass nennen, der ebenfalls P/J-Tonabnehmer hat und so einen ähnlichen Headstock hat wie dieser Ibanez? Dazu sollte er passiv spielbar sein, nur aktiv geht nicht.
Beim Fender PJ-Bass gefält mir die Kopfplatte nicht so...

Profilbild von Marxx

Marxx sagt:

#2 - 22.06.2017 um 02:02 Uhr

0

An den Tester und Schreiberling:
Dein Zitat:
"mit Ausnahme der Bundreinheit, die ich komplett neu vornehmen musste"
Upps!
Wie hast Du denn das gemacht?
Alle Bünde rausgepult und neue Schlitze gesägt?
Neue Bünde reingeschlagen?
Respekt, Respekt ;-))
Kapiert das endlich mal:
Das Einzige was man/frau einstellen kann, ist die Oktavreinheit!
Ein Bass, der nicht bundrein ist; da ist zumindest der Hals reiner Schrott!
So, das musste ich mal loswerden!
Ansonsten:
Weiter so!

    Profilbild von Oliver - BONEDO Red. Bass

    Oliver - BONEDO Red. Bass sagt:

    #2.1 - 23.06.2017 um 09:51 Uhr

    0

    Hallo lieber Marxx,Vielen Dank für Deine aufmerksame Anmerkung. Zu allererst freut es mich, dass auch ältere Tests , wie dieser hier über den Ibanez TMB100, immer wieder neue Aufmerksamkeit erfahren.Die Begriffe Bundreinheit und Oktavreinheit bezeichnen, wie Du korrekt schreibst, unterschiedliche Sachverhalte und da liegst Du mit Deiner Beschreibung absolut richtig. Im Fall des Testbasses war die Oktavreinheit so weit verstellt, dass sie sich bis in die tiefen Lagen hörbar auswirkte, der Bass also im "hörbaren" Sinn nicht mehr bundrein war. Ist die Mensur eines Basses falsch "installiert", durch fehlerhaftes Platzieren der Bridge, so kann man trotz mathematisch exakt platzierten Bünden ein nicht bundreines Instrument erhalten. Deswegen habe ich mir erlaubt in diesem Fall von Korrektur der Bundreinheit zu sprechen. Natürlich musste ich hierfür lediglich die aussergewühnlich stark verstellte Oktavreinheit justieren - was wegen der Bridgeposition gerade noch so möglich war.Ein anderes Beispiel ist ein, trotz perfekt eingestellter Oktavreinheit, am ersten und zweiten Bund nicht bundreiner Bass wegen eines zu hohen Sattels. Auch hier muss man keine Bünde verschieben :-) , um den Bass bundrein zu justieren, denn es muss lediglich der Sattel nachgefeilt werden, oder der Auflagepunkt der Saite im Sattel minimal korrigiert werden. Die hörbaren Auswirkungen solcher Nuancen verhalten sich beim Bass auf Grund seiner tiefen Frequenzen allerdings etwas toleranter als bei der Gitarre.Davon abgesehen werden die Begriiffe Oktavreinheit und Bundreinheit auch heute noch weitreichend dazu verwendet um den Prozess der Oktavjustierung zu beschreiben und von daher - leider zu Deinem Grauen - gewohnheitsmässig durcheinandergewirbelt. Das stammt einfach noch aus der Zeit, zu der man sich um solche Feinheiten noch keine grossen Gedanken gemacht hat. Heute übliche Stimmgeräte gab es in den Kindheitstagen des E-Bass noch nicht und die Oktavreinheit hat man, wenn überhaupt, per Gehör justiert (mit Ausnahme von Herstellern und einigen Fachleuten die über Stroboskop Tuner verfügten) und selbst diese Fachleute verwendeten seinerzeit den Begriff "Bundreinheit einstellen" für die Justierung der Oktavreinheit. So stand es sogar auf Reparaturauftragszetteln, Rechnungen und Quittungen (I am getting old...).Herzliche Grüsse und viel Spass beim weiteren schmökern auf BONEDOOliver (BONEDO Red. - Bass)

Profilbild von Franz

Franz sagt:

#3 - 05.05.2022 um 15:19 Uhr

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Mahagoni Korpus? Ich lese bei den Händlern Pappel.

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