Die IK Multimedia ToneX App in der Praxis
Im Praxisteil bekommt ihr Einiges aus dem Fundus der ToneX App zu hören, aber zuerst widmen wir uns dem Tone-Modeling. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, wie nah ein selbst erstelltes Tone-Model in Klang und Spielgefühl dem Original kommt.
Für die Praxis wird das Tone-Model eines Marshall Plexi mit 4×12 Box erstellt
Wenn man ein Tone-Model seines Amps erstellen möchte, muss die Modeler-Funktion im GUI oben links angewählt werden. Ein neues Fenster öffnet sich und man wird Schritt für Schritt durch den Vorgang geführt. Das sorgfältige Studieren einer Bedienungsanleitung ist nicht notwendig, die Führung durch die einzelnen Bedienschritte inkl. Verkabelung ist ausgezeichnet dargestellt und komplett verständlich.
Um das Ganze ausführlich zu testen, soll ein Tone-Model von meinem Marshall Plexi (SLP100) mit einer 4×12 Cab erstellt werden. Das Cab wird mit einem Neumann TLM-103 abgenommen, danach geht es in einen Neve Channel Strip (neutraler EQ) und dann zurück in den Computer.
Die Software führt Schritt für Schritt durch das Tone-Modeling
Nach der Begrüßungsseite (Welcome) gibt es sieben Schritte: Zuerst wird das Instrument ausgewählt, dann der Typ des Tone-Modelings, zum Beispiel Amp and Cab, Complex Rig, Stomp, etc. In meinem Fall ist das natürlich Amp and Cab. Im nächsten Schritt „Setup“ wird die Verkabelung dargestellt und man wählt das Audio Interface und die entsprechenden Ein- und Ausgänge aus. Unter Check werden die verschiedenen Pegel getestet. Dort zeigt sich die Anzeige beim Messen des Input-Gains der Gitarre etwas zickig. Bei normalem Anschlag wird man aufgefordert, den Eingangspegel höher zu drehen, wobei man aber schnell im roten Bereich landet. Ich habe deshalb etwas mit Fingerspitzengefühl und Ohr gearbeitet. Dazu habe ich das direkte Signal von Gitarre und Amp mit dem Signal über Computer und Reamping Box verglichen. Wenn die Pegel passen, geht es zum Schritt Capture und die berühmten Testsignale werden auf den Amp geschickt. Anschließend spielt man noch ein paar Riffs zum Finetuning.
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Der Modeling-Vorgang braucht bei der ToneX-App seine Zeit
Im Vergleich zu Kemper oder Neural DSP dauert der Capture-Vorgang mit 4:40 Minuten etwas länger. Dann folgt die Stufe „Training“ und die ToneX App verbindet sich mit dem Netzwerk, wobei das neu kreierte Modell noch einmal genauer analysiert wird. Was hier passiert, erschließt sich mir ehrlich gesagt nicht, aber dieser Vorgang dauert noch einmal 12 Minuten. Danach kann man Original und Tone-Model vergleichen und die Gain-Struktur einstellen. Dass dabei das Original über Reamping und Computer etwas verzögert wiedergegeben wird und leicht verändert klingt, ist zum Einstellen kein Problem. Im Menüpunkt „Skin“ wählt man das virtuelle Gehäuse aus, also das Bild des Amps, das bei der Anwahl in der App oder dem Plug-In erscheint. Danach werden die Eckdaten zu Amp, Cab und Mikrofon eingegeben und das Ganze kann gespeichert werden. Sehr gut klappt dabei die Kommunikation zwischen Plug-In und Stand-Alone-App. Ich hatte die DAW während des Tone-Modelings geöffnet inklusive einiger Instanzen des ToneX Plug-Ins. Direkt nach dem Speichern in der App war das Tone-Model auch in den Plug-Ins verfügbar.
Im direkten Vergleich sind sich Original-Plexi und Tone-Model sehr ähnlich
So, und nun könnt ihr die beiden Kollegen im direkten Vergleich hören. Um Dynamik und Ansprechverhalten gleich mitzutesten, habe ich zu Beginn leicht mit den Fingern angeschlagen, dann hart mit dem Pick und zum Schluss den Volume-Regler an der Gitarre von 10 auf 6 zurückgenommen.
Respekt! Das klingt recht gut, die dynamische Ansprache ist dem Original entsprechend. Und der generelle Klangcharakter ist absolut getroffen. Vergleicht man das Ganze unter dem Mikroskop mit dem Original, ist beim Tone-Model der Klang in den Höhen etwas spitzer. Außerdem fehlen ein paar untere Mitten und das Kompressionsverhalten ist geringer. Der Unterschied im Frequenzgang wird mit neutralem EQ-Setting direkt nach dem Tone-Modeling deutlich. Natürlich gibt es die Möglichkeit, mit der Amp-Klangregelung und dem integrierten EQ in der ToneX App/Plug-In nachzubessern, um dem originalen Frequenzgang näherzukommen. Beim Spielgefühl hat man außerdem das Problem der Latenz, weil die App ja auf dem Computer geparkt ist. Hier besteht die Möglichkeit, das Ganze bis zu 32 Samples herunterzuschrauben. Das funktioniert, aber es ist trotzdem träger als mit einem Amp Modeler/Multieffekt oder dem direkten Spielgefühl am Amp. Aber das liegt in der Natur der Sache, wenn das Programm auf dem Computer installiert ist. Was die Klangqualität im Allgemeinen anbelangt, bleibt das Ganze meines Erachtens doch noch recht weit hinter den Ergebnissen eines Kempers oder Quad Cortex zurück. Wie bereits erwähnt, wird das Klanggebilde vom ToneX gut eingefangen, allerdings nicht so hochauflösend, wie bei den genannten Mitstreitern. Dort wird auch die Ansprache bei unterschiedlichem Anschlag wesentlich feinfühliger umgesetzt. Aber natürlich muss man die Kirche im Dorf lassen, denn die Tone-Modeling-Technologie gibt es in der ToneX SE-Version schon für weniger als 60 Euro.
Viele Amp- und Effekt-Klassiker bringt die IK Multimedia ToneX App schon mit
Ich hatte zum Test die Vollausstattung ToneX Max und die ist wirklich üppig mit Amps und Pedalen bestückt. Die Amp-Klassiker sind allesamt vorhanden, bei den Pedalen sieht es ähnlich aus. Die bekannten Namen stehen zum Teil mit verschiedenen Amp-Modellen auf der Liste. Dazu gehören Hersteller wie Fender, Marshall, Vox, Diezel, Peavey, Boogie, Orange, Engl oder Hiwatt, aber auch Dr. Z, Sound City oder Dumble. Bei den Pedalen wird es noch bunter. Hier sind die Klassiker wie Tube Screamer, Klon Centaur, The Rat, Big Muff und viele andere in unterschiedlichen Varianten vertreten. Bei einem kombinierten Tone-Modeling-Vorgang mit Amp und Stomp kann das Pedal nicht extrahiert werden. Deshalb behandelt die ToneX App das Resultat als verzerrten Amp.
Hier eine Auswahl von Amp/Cab und Stomp/Amp/Cab Modellen.
Das Angebot ist vielseitig und man findet manche sehr brauchbare Amp-Modelle, andere hingegen klingen nicht so gut. Aber in der Fülle des Angebots (auch bei den „kleineren“ Versionen) sollte für jeden Geschmack das passende Amp-Modell zu finden sein.
Die Sounds der integrierten Stomp-Modelle der IK Multimedia ToneX App
Die Stomp-Modelle werden in der ToneX App ohne Amp/Cab aufgerufen. Spielt man sie in der ToneX App, klingt es etwas harsch, aber beim Aufnehmen ist das prinzipiell problemlos. Man nimmt die nackte Gitarre auf, hört dabei aber den Sound aus der ToneX App oder dem Plug-In. Im Channel-Strip werden zwei Instanzen der ToneX App aktiviert, einmal mit dem Stomp-Tone-Model und danach der gewünschte Amp. Genau so habe ich es auch für die folgenden Beispiele gemacht. Auch hier muss man experimentieren, welches Amp-Modell mit welchem Zerrgenerator passt. Verglichen mit dem analogen Besteck wird es hier etwas schneller matschig.
Die Amp-Modelle der IK Multimedia ToneX App im Band-Arrangement
Wenn man ein passendes Amp-Modell für die Anwendung gefunden hat, kann man mit der ToneX App/Plug-In recht gute Aufnahmen erstellen. Hier ist das Ergebnis mit mehreren Gitarrenspuren.
Doomsday sagt:
#1 - 18.02.2023 um 23:36 Uhr
Der Test läßt ein entscheidendes Detail aus: bei realen Amps reagieren die Regler der Klangreglung und Lautstärke interaktiv miteinander, selbst der Kemper beherrscht das nicht. Der Capture-Software geling es halbwegs gut, einen fixen Sound einzufangen, sobald man aber ein Parameter verändert, geht der Realismus den Bach runter. Das dürfte bei einer 60-Euro-Software dann wohl auch nicht besser ausfallen.
Wiesel sagt:
#1.1 - 20.02.2023 um 10:46 Uhr
Moinsen, Ein " Capture- Profile o.ä" ist immer nur ein Abbild des tonalen momentanen Ereignisses. Sämtliche Änderungen (z.B.: EQ oder Gain) werden interpoliert also künstlich dazugerechnet. Möchte man erhebliche Änderungen am Ton haben, muss man wohl ein neues Profil erstellen. Über die tatsächliche Tonqualität von Tonex gehen die Meinungen sehr stark auseinander, viele Videos auf Youtube sprechen von einer Ebenbürtigkeit mit dem Quad-Cortex und der Kemper würde sein Alter erkennen lassen als eine veraltete Technologie. Ich würde nicht soweit gehen wollen, da es ja im Prinzip andere Konzepte sind die nicht so einfach eins zu eins vergleichbar sind. Das eine(Tonex) ist Software ( hervorragend für Recording, der aufgenommene Sound des eigenen oder anderer gut klingender amps als Vst-plugin ). die anderen sind Hardware-Geräte die sich gut auf den Bühnen dieser Welt schlagen, wobei auch Sie hervorragend zum Recorden geeignet sind (dann aber nicht so flexibel). Wobei IK-Multimedia ja jetzt auch ein Tonex Pedal gerade rausgebracht hat. Profilen über die Software - und dann in den kleinen Fusstreter übertragen-dann geht Tonex auch für Bühne.
Antwort auf #1 von Doomsday
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenChris sagt:
#2 - 21.02.2023 um 00:00 Uhr
Ich kann die Meinung des Testers leider nicht teilen. Nachdem ich fast alle Modeller auf diesem Planeten besessen habe war ich von Tonex direkt begeistert. Dynamik, Spielgefühl und vor allem die Offenheit im Höhenbereich ist sonst nur noch bei den Universal Audio Amp Pedalen ebenbürtig. Ein Kemper klingt für mich dagegen schlapp und dumpf. Vielleicht sind meine Ergebnisse besser da ich ein Axe I/O zum Capturen genutzt habe. Es gibt auch bereits ein paar gute Profile Packs zu kaufen. Wie beim Kemper auch ist es schwierig, die Spreu vom Weizen zu trennen. Aber es gibt ein paar echte Perlen. Letztlich genügen ja 2-3 gute Profiles um alle Sounds abzudecken. Ich freue mich aufs Tonex Pedal, das ich hoffentlich nächste Woche bekomme.
Chobo sagt:
#2.1 - 21.02.2023 um 17:05 Uhr
Sehr ich genauso. Ich bin vollends begeistert und auch zB neural dsp plugins können da bei weitem nicht mithalten. Das volle Potential aber lässt sich in Kombi mit AmpliTube ausschöpfen, ein Traum!
Antwort auf #2 von Chris
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenRockpapst sagt:
#2.2 - 23.02.2023 um 13:41 Uhr
Also, neu ist das Thena ja nicht gerade Mooer hat mit GE-LAPS auch seit längerem ne Lösung, die sogar kostenlos ist. Zumindest man nicht erweitere Speicherplatz benötigt. Meiner Meinung nach, sind alle IR Player (ich nenne die jetzt mal so) alle mehr oder weniger gut, solange man eben nicht in die IR's klanglich eingreift. Es ist halt nur ein Snapshot oder eine Fotokopie vom Sound. Es ist wirklich schade, daß die meisten "Player" kein dualen Modus haben. Hier ist die Hardware (Kemper/ Quad / Line6) deutlich im Vorteil, aber vielleicht kommt da noch was. Die einzig mir bekannte Software, die allerdings nur eingeschränkt Profile laden kann ist Bias für die Mobile Anwendung. Ansonsten finde ich, ist fürs Laptop (also keine App) die Software von STL Audio sehr zu empfehlen. Gerade der Amphub ist im Abo mit den monatlichen neuen Amps und auch klanglich kaum zu schlagen. Und, man kann auch eigene Cabinets importieren. Das wichtigste, die Dinger klingen verdammt gut und fühlen sich auch sehr gut an. Zumindest meiner Meinung nach... 😉
Antwort auf #2 von Chris
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenBassman sagt:
#2.2.1 - 15.04.2024 um 20:34 Uhr
kann dem nur zustimmen. auch im Verbund mit einem Helix oder Pod Go ist das Tone X Pedal eine wahre Freude
Antwort auf #2.2 von Rockpapst
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenBassman sagt:
#2.3 - 15.04.2024 um 20:34 Uhr
kann dem nur zustimmen. auch im Verbund mit einem Helix oder Pod Go ist das Tone X Pedal eine wahre Freude
Antwort auf #2 von Chris
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