In Ears versus Wedges: Das ist die richtige Monitorlösung für die Bühne

Der Ring ist eröffnet. Die Diskussion um die Vorzüge von In Ears oder Wedges brandaktuell, da es immer billigere und bessere In Ear Systeme auf dem Markt gibt, und heutzutage sogar schon ganz junge Bands mit In Ears zum Gig kommen. Den Vorteilen und Gefahren beider Seiten haben sich unsere bonedo Autorinnen Nina Graf und Catharina Boutari in zwei Liebeserklärungen gewidmet.

Fotos Shutterstock: pixjets + Sombat Muycheen
Fotos Shutterstock: pixjets + Sombat Muycheen

Pro: In Ears

von Nina Graf
Zugegeben, es müssen schon einige Voraussetzungen erfüllt sein, damit der Gig mit In Ear Monitoring wirklich Spaß macht. Es ist nur ein schmaler Grat zwischen “Katastrophe” und “weltbester Gig”. Stimmungskiller sind beispielsweise schlechtsitzende In Ears, ein schlechter Mix, eine qualitativ schlechte Funkstrecke mit mangelhafter Verbindung oder auch die Befestigung des Empfängers an der Kleidung. Kommen dann mehrere dieser Faktoren zusammen, hat der ein oder andere Musiker schon mal danach gesagt “Alles klar, einmal und nie wieder”. Und natürlich ist es auch eine Gewöhnungssache, auf In Ears umzusteigen. Weißt du aber, worauf du achten solltest, bringt In Ear Monitoring sehr viele Vorteile mit sich, auf die viele Sänger nicht mehr verzichten wollen.

Nach deinen Vorlieben gefertigt

Klar gibt es universale In Ears in verschiedenen Preisklassen, eine wirkliche Offenbarung sind aber erst angepasste Stöpsel – und hier richtet man sich ganz nach dir. Anbieter wie Ultimate Ears oder Vision Ears haben eine Vielzahl an Modellen, aus denen du wählen kannst. Wie viele Wege/Treiber sind dir wichtig? Magst du vielleicht eine Anhebung eines bestimmten Frequenzbereiches? Jedes Ohr hört anders. Mit In Ears kannst du dir die Kopfhörer aussuchen, die deinem Hörverhalten am ehesten entsprechen, am angenehmsten klingen und für dich einen Mix am harmonischsten erscheinen lassen. Üblicherweise testest du die In Ears mit einer Aufnahme deiner Wahl, entscheidest dich für ein Modell und lässt dann Abdrücke deiner Ohren nehmen. Wenige Wochen später hast du perfekt sitzende Kopfhörer, die nicht rutschen und so klingen, wie es dir gefällt.

Du singst besser

Jeder kennt es: Die Bühne ist klein und man steht in einer Soundsuppe von Verstärkern und Wedges. Als Sänger oder Sängerin lässt man sich seine Stimme daher gern verhältnismäßig laut auf den Monitor geben, um sich überhaupt zu hören – denn deine Stimme ist das wahrscheinlich leiseste Instrument. Je nach Qualität der Monitorbox und des Mischers kannst du dich mehr oder weniger gut hören, auf jeden Fall aber verfälscht, denn: Um die Feedbackgefahr zu minimieren, kann es sein, dass der Mischer bestimmte Frequenzen rausdrehen muss, die zum Intonieren aber wichtig wären. Dies ist mit In Ears nicht nötig, denn auf deine Ohren lässt du dir natürlich alles viel leiser geben als auf eine Box. So hörst du dich über die Kopfhörer so, als würdest du Gesang im Studio aufnehmen. Dieser ehrliche Spiegel ist anfangs auch etwas hart, bringt dich aber dazu, wesentlich genauer zu singen, besser zu hören, ob du richtig intonierst und auch auf deine Dynamik feiner einzugehen. Darüber hinaus schonst du deine Stimme, kannst leiser singen und musst nicht gegen deine Bandkollegen anschreien.

Individueller Mix

In Ears erfüllen auch eine Gehörschutzfunktion. Je nach Modell reduzieren sie die Lautstärke gern um die 26 dB und schotten dich vom Sound-Dschungel auf der Bühne ab – dadurch ist es für dich möglich, dir einen Mix so geben zu lassen, wie es für dich wichtig ist. Tipps für einen gelungenen In Ear Mix findest du zum Beispiel hier.

Die Bühne wird leiser

Ein erheblicher Vorteil von In Ears ist eine reduzierte Bühnenlautstärke – nicht nur für dich selbst, sondern auch für das Publikum. Je leiser die Bühne ist, desto differenzierter und genauer kann euch der Mensch am FOH-Pult mischen. Gerade in kleineren Clubs hört das Publikum am Bühnenrand nämlich gern den nicht repräsentativen und unausgewogenen Monitormix und nicht das, was gehört werden soll.

Bewegungsfreiheit

Hand aufs Herz, egal wie erfahren wir als Sänger sind – manchmal macht man im Eifer des Gefechts doch eine dumme Bewegung und kommt mit dem Mikrofon zu nah an den Wedge. Was dann folgt, ist das peinliche Fiepen, das mit Häme schreit: “Seht her, hier ist ein Sänger, der sein Mikro nicht im Griff hat!” Diese Situation kannst du mit In Ears natürlich ganz galant umschiffen. Egal, wie nah du mit dem Mikro “in Bodennähe” gerätst oder wild herumtanzt. Wo kein Wedge ist, da lauert auch erstmal kein Feedback. Ein weiterer Pluspunkt ist ein größerer Bewegungsradius. Ist man mit Wedges doch etwas an eine bestimmte Fläche gebunden, um sich vernünftig hören zu können, kannst du mit In Ears fröhlich auf der Bühne herumturnen, ohne Einbußen deines Monitormixes in Kauf nehmen zu müssen.

Pro Wedges

von Catharina Boutari
Was gibt es schöneres, als die eigene Stimme aus guten Wedges auf der Bühne zu hören? Nichts! Was gibt es schrecklicheres, wenn der Monitorsound mies ist? Ebenfalls nichts! In diesem Punkt gibt es keinen Unterschied zwischen In Ears und Wedges. Ein guter Sound, egal wie, ist das A und O für einen gelungenen Gig. Warum Oldschool (Wedges) für mich Newschool (In Ears) trotz allen von Nina oben genannten Vorteilen schlägt, erkläre ich dir jetzt.

Mit allen Sinnen

Der Schalldruck aus den Monitoren und Amps auf der Haut machen für mich erst das wirkliche “Live”-Feeling. Mit dem ganzen Körper im Sound baden, die Musik wirklich spüren – und nicht nur hören. Mit Licht verhält es sich genauso. Wenn die Hitze der Lampen auf der Haut brennt und dir so warm wird, dass du innerlich total loslässt, spürt man erst die Bühne. Kann das ein LED-Scheinwerfer ersetzen? Eben nicht! Genau so verhält es sich mit In Ears. Der fehlende Schalldruck der Musik erzeugt eine Anonymität, ich meine damit Neutralität, die du auf der Bühne nicht möchtest, da du diesen anonymen, neutralen Ort ja völlig mit deiner Stimme und deiner Band einnehmen willst.

Raumgefühl

Wedges erlauben dir auch einen direkteren Kontakt zu Band und Publikum, da du hörtechnisch nicht von den Umgebungsgeräuschen und der Welt um dich herum abgeschlossen bist. Gerade angepasste In Ears müssen erst aus dem Ohr genommen werden, um Publikumskommentare zu verstehen. Oder es müssen extra Mikros aufgebaut werden, um die Publikumsatmosphäre einzufangen. Finde ich alles viel zu kompliziert. Es macht unbenommen Spaß in einen Studiosound auf der Bühne eintauchen zu können, doch steigt die Gefahr, sich in ihm zu verlieren und mehr für sich, als mit der Band und für die Leute zu spielen. Wenn du mit In Ears singst, bist du mehr auf deine Stimme fixiert und eben nicht auf die feinen Gefühlsschwankungen deiner Band und deines Publikums. Du gibst Emotionen an sie raus, nimmst aber das, was zurückkommt, nicht genauso in dich auf und kannst nicht so von der Band und vom Publikum getragen werden.

Bühnenlautstärke

Vielleicht sind Bühnen mit Wedges insgesamt lauter. Vielleicht. Denn ein Soundmann erzählte mir neulich, dass er die ganzen jungen Bands mit Mega In Ear Ausstattung nicht mag, da sie ihre Amps, wenn sie sich nicht gut hören, absurderweise einfach immer lauter drehen. Außerdem ist eine gute Bühnendisziplin in puncto Amplautstärke in meinen Augen immer unerlässlich. Zu laute Amps beeinflussen nicht nur den Sound auf der Bühne oder am Bühnenrand, sondern machen auch die Soundgestaltung vor der Bühne sehr schwierig, da sich im Publikum der Bühnensound mit dem der Speaker vor der Bühne mischt. Fragt mal die FOH-Techniker.
Selbst wenn Bühnen mit Wedges lauter sind als solche ohne, so ist die Klangquelle doch meistens weiter weg von deinem Ohr. Oder es gibt die Möglichkeit sie von dir wegzudrehen. Und das schont deine Ohren. Mit In Ears sitzt die Schallquelle direkt in (!) deinem Ohr. Und auch In Ear Kopfhörer können undiszipliniert benutzt und sehr laut gedreht werden. Was die Gefahr für einen Tinnitus ebenso erhöht wie zu viel Krach auf der Bühne.

Performance

Der Fuß auf dem Monitor, den Körper Richtung Publikum gebeugt. Yeah, das ist doch eine klassische Rock- oder Punk-Geste, die unglaublich Spaß bereitet und mega cool aussieht. Wie soll das ersetzt werden, wenn auf der Bühne keine Monitore mehr stehen? Außerdem ist so ein Monitor eine gute Möglichkeit, Dinge für das Publikum unsichtbar auf der Bühne unterzubringen. Ich denke da an Setlisten, Requisiten für die Performance, Getränke, Ersatzsaiten für die Gitarre, Fotos des oder der Liebsten. Ein kleines privates Stück zuhause, versteckt im Schatten einer schwarzen Kiste.

Eigener Monitor

In kleineren Clubs weißt du nie, was dich erwartet. Zu wenige Monitore, kaputte Monitore, schlecht eingemessene Monitore – das kommt alles sehr gerne und häufiger als gewünscht vor. Um diesem Zustand nicht ausgeliefert zu sein, aber sich den Luxus vom Singen mit Wedges leisten zu können, liegt für mich die Lösung darin, einfach einen eigenen kleinen aktiven Monitor mitzunehmen. Da weißt du, wie er klingt und dass er funktioniert.

Notfalltraining

Manchmal ist eine gewisse Portion Robustheit auf der Bühne überlebenswichtig. Denn was passiert, wenn die In Ear Anlage ausfällt? Du hast nie geübt, eine Show mit schlechten Wedges gut durchzustehen und hast keine Mikrotechnik, um dich auch mit einem Mikro in der Hand vor den Monitoren frei bewegen zu können. Das kann das ganze Konzert schmeißen. Mikrotechnik ist das Basis-Handwerkszeug eines Sängers. Mikrofeedbacks sind etwas für Laien. Profis haben gelernt, damit umzugehen. Sorry folks. Wie’s geht, lest ihr hier.

Fazit

Ziehe ich jetzt mal nicht selbst, sondern zitiere aus dem (übrigens sehr lesenswerten) Bonedo-Gearchat-Interview mit Flo Mega:
Stehst du live auf In Ear oder auf Wedges?
Ich habe live einen In Ear drin und einen Wedge. Das eine Ohr ist schon ganz schön dadurch belastet, aber ich habe so das schönste Raumgefühl. Nur In Ear kann ich nicht. Ich habe es lange versucht aber es ging nicht. Es sei denn, der FOH-ler weiß, wie man ein gutes Stereobild macht. Wenn jemand wirklich hochbrillant arbeitet, dann nehme ich auch beide. Für mich ist das Mittelding die beste Variante. Fürs Feeling. Ob ich mich dabei zerstöre, ist ja sowieso egal. Das kennen wir ja.
Es geht den meisten Sängern und Sängerinnen so, dass sie eine Mischform von Wedges und In Ear machen, oder ein Ohr frei lassen.
Genau. Wenn ich mehrere Wedges habe, dann stelle ich die meistens auf die Seite, wo ich nichts im Ohr habe und lasse, wenn es der Luxus erlaubt, mir aber auch noch auf der anderen Seite was kommen. Wenn ich Sidefills habe, ist sowieso schon alles super.
Und auf welcher Seite steht ihr?
Wir freuen uns wie immer auf eure Kommentare und Ergänzungen.

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Fotos Shutterstock: pixjets + Sombat Muycheen

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Profilbild von Silvio Amarell

Silvio Amarell sagt:

#1 - 01.02.2019 um 09:20 Uhr

0

Analyse der Argumente: In-Ear > Pro-Publikum, Wedges > Pro-Musiker. Muss man halt wissen für wen man das macht.

    Profilbild von Catharina.Bonedo

    Catharina.Bonedo sagt:

    #1.1 - 05.02.2019 um 12:00 Uhr

    0

    Das kommt ja auch darauf an, wie du als einzelner Musiker gestrickt
    bist. Es gibt nicht die Lösung für alle. Meine Erfahrung allerdings ist:
    Je besser ich mich auf der Bühne fühle, desto mehr kommt bei meinem
    Publikum an. Und: Egal ob In-Ears oder Wedges, ich spiele immer für ein
    Publikum und nicht für mich. Herzlichst Catharina

    Antwort auf #1 von Silvio Amarell

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Profilbild von Kai Calvato

Kai Calvato sagt:

#2 - 05.02.2019 um 16:55 Uhr

0

Mal ne doofe Frage: im Studio singe ich über Kopfhörer generell schief, weshalb ich immer ein Ohr frei lasse. Wenn ich live In-Ears benutze, werde ich doch auch schlecht intonieren, oder?

    Profilbild von Catharina.Bonedo

    Catharina.Bonedo sagt:

    #2.1 - 06.02.2019 um 15:47 Uhr

    0

    Hallo Kai,ich kenne das Phänomen auch aus dem Studio und habe folgende Beobachtung gemacht: 1. Halbgeschlossene Kopfhörer funktionieren für mich für die Intonation wesentlich besser als geschlossene. 2. Manche Kopfhörer bilden die Bassfrequenzen anders als "in echt" ab. Du intonierst darauf, alles klingt im Kopfhörer richtig, aber beim Abhören in der Regie grottenschlecht. Dann musst du verschieden Kopfhörer ausprobieren. Ich habe noch nicht gehört, dass es dieses Phänomen bei In Ears gibt, würde aber erst einmal versuchen, das Kopfhörerproblem zu lösen. Solltest du da nicht weiterkommen, melde dich gerne wieder. Grüße Catharina

    Antwort auf #2 von Kai Calvato

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