Interview: Dan Mayo – Die Suche nach der eigenen Stimme

Die eigene, besondere Handschrift am Instrument zu finden, ist ein langwieriger und sehr persönlicher Prozess. Die Aussage, dass man so viel wie möglich lernen muss, um es im richtigen Moment zu vergessen, beschreibt diesen Prozess wohl am besten. Dan Mayo ist einer dieser Musiker, der sich in seinem Werdegang nicht nur technisch unglaubliche Fähigkeiten angeeignet hat, sondern durch großes Interesse an der facettenreichen Musiklandschaft seiner Heimat Israel und die Prägung dadurch für sich eine ureigene Ausdrucksform gefunden hat. 

Dan Mayo - Foto von Ariel Efron.
Foto von Ariel Efron.

“Als ich noch bei meinen Eltern gewohnt habe, konnte ich wegen der Nachbarn immer nur 40 Minuten am Tag üben. Um diese Zeit optimal zu nutzen, habe ich einfach durchgespielt und improvisiert.”

Neben seinem einzigartigen Spielstil an akustischen Drums hat ihn insbesondere die Integration von Gitarreneffekten in sein Setup zu einem echten Klangmagier werden lassen. In seinen Social Media Videos und zahlreichen musikalischen Performances entwickelt sich damit sein außergewöhnliches Drumming mithilfe der verrückten Effektkombinationen zu einer teilweise völlig neuen Klangwelt, die seine kreative Ausdrucksform auf ein neues Level hebt. Wir sprachen im Interview mit Dan darüber, wie der kulturelle Schmelztiegel in Tel Aviv und seine ständige Suche nach neuen Sounds ihn zu dem Musiker gemacht hat, der er heute ist. 

Du hast einen ganz besonderen, eigenen Sound am Drumset. Kannst du beschreiben, wie du deine Stimme am Instrument gefunden hast?

Vielen Dank, dass du das sagst. Vor vielen Jahren haben Leute begonnen, mir zu sagen, dass ich irgendwie einen besonderen Sound hätte. Für mich war das verwunderlich, weil ich nie darüber nachgedacht habe, wie ich eigentlich klinge. Ich wollte einfach nur Drums spielen und hatte nicht das Gefühl, dass ich irgendetwas besonders mache. Ich bin schon sehr früh durch Musik in Kontakt zu anderen Leuten geraten, also war es immer eine Form der Kommunikation für mich. Das ist die Essenz von Musik für mich. Ich habe auch nie besonders an Rudiments oder Technik gearbeitet, sondern immer nur daran, mit Leuten zu spielen. Als ich noch bei meinen Eltern gewohnt habe, konnte ich wegen der Nachbarn immer nur 40 Minuten am Tag üben. Um diese Zeit optimal zu nutzen, habe ich einfach durchgespielt und improvisiert. Wenn ich einen Fehler gemacht habe, habe ich einfach weitergemacht und es nicht als etwas Besonderes gesehen. Dadurch habe ich unglaublich viele neue Phrasen und Sounds gelernt und ich habe wirklich das Gefühl, dass das Drumset an sich über die gesamte Zeit mein bester Lehrer war.

Was waren musikalisch deine prägendsten Einflüsse?

Israel ist ein kleines und geschichtlich gesehen erst seit kurzer Zeit existierendes Land. Dadurch dass Menschen aus allen Teilen der Welt gekommen sind, um hier zu leben, haben alle auch ihre Kultur und Musik mit einfließen lassen. Wenn man Musiker in Israel sein will, muss man also sehr versiert in verschiedenen Stilistiken sein. Die Europäer und westlichen Einwanderer brachten den Jazz mit, der hier auf jemenitische, marokkanische oder äthiopische Einflüsse getroffen ist. Dadurch habe ich mich neben unterschiedlichen Feels auch schnell mit verschiedenen Sounds beschäftigt. In marokkanischer Musik ist beispielsweise die Eins oft keine Bassdrum, sondern eine hochgestimmte Snare. Also das komplette Gegenteil zu westlicher Musik. Ich habe all diese verschiedenen Einflüsse aufgesaugt, die mir maßgeblich zu meinem Sound verholfen haben.

Seine ständig wechselnden Setups kombiniert Dan mit einem Pedalboard und bearbeitet damit die Sounds. Foto von Ben Mizrahi.

Seine ständig wechselnden Setups kombiniert Dan mit einem Pedalboard und bearbeitet damit die Sounds. Foto von Ben Mizrahi.

In vielen deiner Videos sieht man unglaublich schnelles und komplexes Drumming, was du mit beeindruckender Präzision spielst. Sicherlich haben dazu doch nicht nur die vierzigminütigen Übesessions geführt, oder?

Mir ist irgendwann aufgefallen, dass ich ständig und wirklich zu jeder verfügbaren Gelegenheit mit meinen Händen verschiedene Rhythmen ausgecheckt habe. Das hat auf jeden Fall dazu geführt, dass mir diese Phrasen in Fleisch und Blut übergegangen sind und sich dadurch in meinem Spiel am Drumset flüssiger gezeigt haben.

Hast du dich auch intensiver mit Percussion beschäftigt?

Ja, ein bisschen. Am Anfang war ich zu klein für ein Schlagzeug und habe deshalb ein bisschen mit Percussion-Instrumenten gespielt. Ich bin zwar heute definitiv kein Percussionist, aber finde den Ansatz und die Sounds immer sehr inspirierend. Percussionisten haben ja selten ein festes Setup und sind immer auf der Suche nach neuen Sounds. Damit kann ich mich sehr identifizieren.

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Man sieht, dass sich dieser Ansatz auch in deinen Setups widerspiegelt.

Ganz genau. Ich habe irgendwann gemerkt, dass sich meine Phrasierungen ständig wiederholen. Also war das erste, was ich gemacht habe, mein Setup zu reduzieren und ein vierzigminütiges Solo nur mit Bassdrum, Snare und Hi-Hat zu spielen. Da musste ich mich echt bemühen, neues Material zu finden. Zum Beispiel habe ich dann die Phrasierungen, die ich vorher mit den Händen gespielt habe, zwischen Händen und Füßen aufgeteilt. So habe ich zwei ganze Jahre verbracht und kann deshalb mit diesen drei Instrumenten eine Menge machen. Während meiner Jugend habe ich vor allem Red Hot Chili Peppers gehört und deshalb meine Snare sehr hoch gestimmt. Durch die Obertöne habe ich gelernt, wie unterschiedlich eine Snare in derselben Stimmung klingen kann. Heute sind alle Ergänzungen meines Setups nur Bonus und werden von mir an die Musik angepasst ausgewählt.

Auf vielen deiner Videos sieht man ein Studio. Ist das dein eigener Recording-Raum?

Nein. Das ist ein Raum, in dem ich während der Pandemie häufig gespielt und Videos gedreht habe. Vorher war ich eigentlich die ganze Zeit nur mit meinen eigenen Projekten oder Mike Shinoda von Linkin Park unterwegs. Ich war eigentlich fast nie da. Als dann die Pandemie losging, habe ich nach einem halben Jahr depressiver Auszeit angefangen in einer Location, die unter meiner damaligen Wohnung war, mich das erste Mal mit Recording zu beschäftigen. So ging ein intensiver Lernprozess los. Recording ist sehr neu für mich und ich lerne ständig dazu. Später habe ich dann eine Connection mit dem Pluto Studio in Tel Aviv gemacht und dort nehme ich meine Videos heute auf. Ich versuche, Recording auch weniger als technischen Prozess zu sehen, sondern mehr als eine Art der künstlerischen Ausdrucksform durch Klänge. Deswegen habe ich dann auch mit den Gitarreneffektgeräten angefangen.

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Kommen alle deine Effektsounds aus deinem Pedalboard oder bearbeitest du deine Aufnahmen auch nachträglich mit Plugins?

Es ist ein Mix aus beidem. Einige meiner Videos, die besonders verzerrt sind oder wenig Low End haben, sind wahrscheinlich direkt aus dem Effektboard. Am Anfang habe ich meine aufgenommenen Drums immer erst nachträglich durch Effekte geschickt, dann aber gemerkt, dass der Sound der Pedale mein Spiel so beeinflusst, dass es für mich wichtig wurde, den Sound nicht nur beim Spielen zu hören, sondern auch beeinflussen zu können. Das Board ist für mich eine Kreativbox, die Chaos erzeugen soll, mit dem ich dann spiele. Im Nachhinein kümmere ich mich dann am Computer um EQ, Kompression und den Gesamtsound der Drums und mische den Sound der Gitarreneffekte parallel dazu.

Wie setzt du das Ganze technisch um?

Das ist sehr einfach. Ein Bändchenmikro, das auf die Bassdrum zeigt und damit viel Low End aufnimmt, erzeugt einen Ducking-Effekt. Diese Pedale sind ja alle für Gitarre gebaut und kommen mit viel Low End nicht wirklich klar. Das nutze ich aber aktiv, um einen pumpenden Sound zu erzeugen. Weil das Bändchenmikrofon eine Acht-Charakteristik hat, nimmt die andere Seite des Mikrofons den ganzen Rest des Drumsets auf. Es ist also einfach nur ein Mikrofon, dessen Output ich aus meinem Interface wieder herausroute und dann durch die Gitarreneffekte aufnehme.

Was sind deine Lieblingseffekte?

Ich suche eigentlich ständig nach neuen Sounds, deshalb wechselt das häufig. Die ganze Reise in die Welt der Gitarreneffekte startete bei mir mit der Fusion Box von Erica Synths. Es ist ein Pedal, das ein Overdrive, Delay und LFO hat. Ein kleines komplexes Pedal, mit dem man unglaublich viel  machen kann. Ich nutze es gerne, um Drums zu verzerren und dem Delay mit hohem Feedback verrückte Geräusche zu entlocken, die durch das angesprochene Ducking immer nur kommen, wenn ich nicht spiele. Durch den LFO verändert sich der Pitch des Delays auch noch, wodurch alles noch interessanter wird. Durch Distortion ergibt sich auch häufig eine Räumlichkeit, die sehr spannend ist. Die meisten Effekte auf meinem Board sind verschiedene Delay- und Distortioneffekte.

Planst du zukünftig auch Workshops zu deinem Ansatz von Drums und Gitarreneffekten zu geben?

Ich denke da schon etwas länger drüber nach und werde das bestimmt bald machen.

In Momenten der Improvisation versucht Dan, möglichst ausschließlich intuitiv zu agieren und sich nicht auf Licks zu verlassen. Foto von Ben Mizrahi.
In Momenten der Improvisation versucht Dan, möglichst ausschließlich intuitiv zu agieren und sich nicht auf Licks zu verlassen. Foto von Ben Mizrahi.

An welchen Projekten arbeitest du aktuell?

Wir werden im April mit meiner Band Tatran unser drittes Studioalbum veröffentlichen. Außerdem arbeiten wir an einen großen Projekt, über das ich aktuell leider noch nichts sagen darf. Da freue ich mich aber sehr drauf. Nebenbei nehme ich auch immer wieder für meine Samplepacks auf. Das macht mir großen Spaß und ich liebe es, zu sehen, dass Leute sie in Songs nutzen. Ich bin auch überrascht davon, dass Leute wirklich meine besonders verrückten Sounds nutzen und mich sogar darum bitten, noch extremer zu werden. Das ist schon echt verrückt.

Was ist dir bei deiner Musik besonders wichtig?

Da kommen mir zwei Sachen in den Kopf. Einerseits möchte ich mich möglichst frei ausdrücken können, weil Musik und Drumming für mich eine Form der Sprache ist. Ich möchte Drums nicht nur spielen, sondern durch sie eine Sprache finden. Das andere ist, dass ich versuchen möchte, so wenig wie möglich dabei zu denken und nur zu fühlen. Ich bezeichne das immer als „Der Affe und das Gehirn“. Wenn ich beispielsweise improvisiere, möchte ich, dass der impulsive Affe in mir komplett übernimmt und mein Gehirn nur am Ende den Weg in die Form des Songs zurück leitet. Ich möchte intuitiv und weniger konzeptionell spielen. Das macht mir am meisten Spaß und kreiert einen Flow-Zustand, den ich sehr genieße.

Wie bleibst du ständig inspiriert?

Für mich sind Sounds unglaublich wichtig. Ich probiere immer wieder, mein Setup zu verändern, was mich ständig frisch hält. Ich habe beispielsweise nach der Tour mit Mike Shinoda, bei der ich viele große Becken verwendet habe, danach eine Zeit lang komplett ohne Crashes gespielt, um mich herauszufordern, wodurch nach zwei Jahren mit einem sehr ähnlichen Setup dann wieder ein völlig neues Spielgefühl entstanden ist.

Vielen Dank für’s Gespräch!

Ein Blick auf eines von Dans Setups verrät: Kleines Kit und trotzdem große Klangwelt. Foto von Dan Mayo.
Ein Blick auf eines von Dans Setups verrät: Kleines Kit und trotzdem große Klangwelt. Foto von Dan Mayo.

Dans Equipment:

Drums: A&F Drums in Raw Brass

Bassdrum: 16“ x 14“

Snare: 14“ x 5,5“ und ständig wechselnde Modelle der Raw Brass Serie

Toms: 13“ x 8“, 16“ x 14“

Becken: Meinl

Hi-Hat: 16“ Foundry Reserve Hats mit Ajuch Bells kombiniert,

8“ Crasher Hats

6“ Crasher Hats

Ride: 24“ Byzance Dark Apple Ride 

auf 18“ Byzance Dual Trash Crash gestackt

Sticks: Vic Firth

Pedalboard: Mono

– Erica Synths ZEN Delay

– Erica Synths Fusion Box

– Light Pedal von Gamechanger Audio

– Delay Llama von JAM Pedals

– Bruut Spring und Synth Fuzz von Deaftone Audio 

– Blooper, Habit und Generation Loss Mark II von Chase Bliss

– Tremstrotion von Mattoverse 

– Microcosm von Hologram

Website: https://www.mayodrummer.com/

Instagram: https://www.instagram.com/mayodrummer/

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