Mit den analogen Mini-Synthesizern Monotron, Monotribe und der volca-Serie hat Korg in den letzten Jahren Produkte präsentiert, die man von einem großen Massenmarkt-Hersteller nicht unbedingt erwartet hätte: Die charmanten Tascheninstrumente klingen gut – und machen aufgrund ihrer Einfachheit eine Menge Spaß, gerade weil sie so unkompliziert sind und auf viele Features verzichten. Mit dem volca Kick umfasst die volca-Serie inzwischen sechs Instrumente. Welche Vision treibt die Entwickler an? Beim Erscheinen der ersten drei volcas im Jahr 2013 sprachen wir mit dem Ingenieur Tatsuya Takahashi, der bei Korg maßgeblich an der Entwicklung der Mini-Analogen beteiligt war.
bonedo: Wie entstand bei Korg die Idee, kleine, analoge Mini-Synthesizer zu bauen?
Tatsuya Takahashi: Es war nicht ursprünglich meine Idee. Sie kam von unserem Produktplaner Tadahiko Sakamaki, er ist der Typ mit den Einfällen. Ich habe mich schon immer für analoge Synthesizer interessiert. Aber als ich 2006 zu Korg kam, glaubte ich nicht daran, dass ich einmal einen bauen würde. Das machte damals kaum jemand, und ich hatte nicht das Gefühl, dass die Leute das wirklich wollten. Aber eines Tages, es muss etwa 2009 gewesen sein, kam der Produktplaner in einer Zigarettenpause zu mir und fragte: „Kannst du einen analogen Synth bauen, der so groß ist [zeigt Größe des Monotron mit den Händen], batteriebetrieben und mit einem Lautsprecher drin?“ Ich sagte: “Klar, mache ich!“ Er meinte aber auch, dass dieser Synth nur 50 Dollar kosten dürfe. Inzwischen ist der Monotron ja deutlich günstiger, aber damals war das unser Ziel. Ich fragte mich also, wie ich es anstellen sollte, einen analogen Synthesizer für 50 Dollar zu bauen. Um einen guten Sound zu haben, brauchte er nicht besonders aufwändig zu sein, das war mir klar. Wenn man die Features richtig wählt, kann man etwas bauen, das nicht zu teuer wird und trotzdem diesen tollen Sound hat. So entstand der Monotron als erstes Instrument dieser Reihe von kleinen Gadgets. Es war ein ein Konzeptprodukt – der Monotron wurde nicht wie die Produkte sonst für ein konkretes Zielpublikum oder bestimmte Musikstile entwickelt. Dafür bot er jede Menge Schraub-Spaß, das war eigentlich alles. Danach kam der Monotribe mit seinem Sequencer und seinen simplen, analogen Drums. Das war für uns schon eine weniger konzeptionelle Herangehensweise an analoge Synthese, und die Features des Monotribe machen ihn für bestimmte Musikrichtungen besonders interessant. Auch der Monotron Duo und der Monotron Delay, die danach kamen, sind weniger konzeptionell als der erste Monotron und richten sich an deutlich speziellere Anwender: Der „Delay“ ist für Leute, die Sci-Fi- oder Retro-Future-Soundeffekte machen wollen, und der „Duo“ lässt sich chromatisch spielen.
bonedo: Woher kam denn die ursprüngliche Idee für diese „Synth-Toys“? Hat euer Produktplaner das verraten?
Tatsuya Takahashi: Keine Ahnung, er hat immer einen Haufen Ideen! (lacht) Ich müsste ihn mal fragen.
bonedo: Jedenfalls habt ihr ja nicht mit dem MS-20 mini oder anderen „großen“ Analogsynths angefangen, sondern mit analoger Technik etwas völlig anderes gemacht. Damit habt ihr den Markt für analoge Synthesizer ziemlich aufgemischt – vorher bestand er ja hauptsächlich aus teurem Vintage- und Boutique-Zeugs, das sich die wenigsten leisten konnten.
Tatsuya Takahashi: Ja, vorher war analog ziemlich teuer und etwas abgehoben – fast ein bisschen „snobby“. Ich hatte schon länger an einfachen, handgemachten Schaltkreisen herumgebastelt und wollte einfach zeigen, dass es auch anders geht. Analog muss nicht teuer sein, es hat bloß niemand gemacht: Günstige Analogsynths gab es einfach nicht. Das war sicherlich auch ein Grund dafür, dass das Projekt auf der geschäftlichen Ebene abgesegnet wurde. Man kann mit sehr einfachen Mitteln tolle Sounds erzeugen, darum ging es mir.
bonedo: War es denn schwierig, die Chefetage von diesen Produkten zu überzeugen, die ja doch ganz anders sind als euer übliches Angebot?
Tatsuya Takahashi: Schon ein bisschen! (lacht) Es war ja kein typischer Entwicklungsprozess, wo man sich zunächst über eine Zielgruppe Gedanken macht. Normalerweise läuft es so ab, dass wir anhand von bestimmten Informationen einen Plan machen: Wir brauchen ein Instrument für diese Zielgruppe, diese Altersstufe, solche Dinge. Für den Monotron gab es überhaupt keinen solchen Business-Plan. Trotzdem wurde er am Ende abgesegnet, eben weil er so günstig ist. Dadurch war das Risiko sehr überschaubar. Wenn ihn niemand gekauft hätte, wäre Korg deshalb jedenfalls garantiert nicht pleite gegangen.
bonedo: Vielleicht spielte ja der Erfolg des microKORG eine Rolle. Das war ja auch schon ein Synthesizer, der etwas anders war als andere zu seiner Zeit.
Tatsuya Takahashi: Absolut. Das war ja vor über zehn Jahren und damals hatten die Entwickler es wirklich nicht leicht. Alle zweifelten daran, dass ein Synthesizer mit Minitasten erfolgreich sein könnte. Aber Korg ist eine interessante Firma, die gern auch mal Risiken eingeht und neue Ideen unterstützt.
bonedo: Wie habt ihr ausgehend von den Monotrons und dem Monotribe das Konzept für die drei volcas entwickelt?
Tatsuya Takahashi: Wir dachten uns, dass wir vielleicht Instrumente bauen sollten, mit denen man noch besser einfach Musik machen kann. Warum nicht eine Serie, die sich besonders für Dance-Musik eignet, aber natürlich auch für andere Stile? Wenn man es auf die einzelnen Elemente aufteilt, wird jedes Gerät für sich genommen einfacher und erfüllt vielleicht seine Aufgabe noch besser. Wir brauchten Drums und eine fette Bassline – das waren die ersten beiden Ideen. Später haben wir uns gedacht, dass wir auch einen Synth für Chords machen sollten. So entstanden die drei volcas. Im Nachhinein glaube ich, dass diese Aufteilung auf drei Elemente eine gute Wahl war. Jeder volca ist einfach zu benutzen, und wenn man sie zusammen verwendet, klingt es vollständig.
bonedo: Wie lange hat die Entwicklung der volcas eigentlich gedauert?
Tatsuya Takahashi: Das ist nicht gar nicht so einfach zu beantworten. Wenn man die erste Idee als Startpunkt sieht, habe ich etwa anderthalb Jahre daran gearbeitet. Dann überlegt man sich, was es kosten soll oder darf, wie man es herstellen wird, wie das Design aussehen soll, und Schritt für Schritt kommt alles zusammen. Manchmal muss man es danach aber auch wieder auseinandernehmen und alles neu machen, weil irgendetwas nicht funktioniert. Software ist prinzipiell viel flexibler, man kann auch in letzter Minute noch große Änderungen machen. Wenn man bei Hardware etwas ändern will, braucht man neue Platinen und neue Bauteile und muss alles neu zusammensetzen. Der Kreislauf ist viel langsamer.
bonedo: Eure Mini-Synths haben ein sehr musikalisches „Feeling“ und es hat den Anschein, dass sie von jemand entwickelt wurden, der nah dran an den Bedürfnissen von Musikern ist. Machst du selbst Musik?
Tatsuya Takahashi: Ja, aber ich benutze keine serienmäßigen Instrumente… (lacht) Ich habe ein Live-Elektronikprojekt zusammen mit einem anderen Ingenieur, der auch hier arbeitet. Unser Setup ist ein Tisch voller offener Platinen, die wir in Echtzeit patchen. Wir spielen also live direkt an den Schaltungen herum.
bonedo: Entstand daraus auch die Idee, die Platinen des Monotron und Monotribe zu beschriften und den Benutzern so einfach Modifikationen zu ermöglichen?
Tatsuya Takahashi: Ja, das machen wir, damit ich sie später auseinander bauen und damit machen kann, was ich will! (lacht) Natürlich orientiere ich mich bei der Entwicklung von Produkten für den Massenmarkt auch daran, wie ich sie selbst gern hätte. Meine eigenen Bedürfnisse als Soundbastler sind sicher eine starke Inspiration und ein Antrieb. Die Entwicklung vom Monotron über den Monotribe bis zu den volcas war für mich aber auch ein Prozess, bei dem ich mir viele Gedanken darüber gemacht habe, welche Features sich andere vielleicht wünschen, nicht nur ich selbst.
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bonedo: Beim Monotron Duo habt ihr diese schönen Beschriftungen auf der Platine weggelassen. Warum ist der Duo verglichen mit dem Original-Monotron so schwierig zu hacken?
Tatsuya Takahashi: Das war ein Kompromiss. Damit ein analoger Synth chromatisch spielbar ist, muss er „in tune“ sein. Das ist gar nicht so einfach zu bewerkstelligen und auch nicht ganz billig. Die automatische Stimmfunktion ist eines der wichtigsten Features beim Duo. Er stimmt sich selbst, ohne dafür teure Präzisions-Bauteile zu benötigen. Diese Technik ermöglicht es uns, analoge Synthesizer so günstig zu bauen. Gleichzeitig ist der Duo deshalb aber auch etwas komplizierter als der ursprüngliche Monotron. Also ist er auch schwieriger zu hacken.
bonedo: Im Gegensatz zu den meisten digitalen Synths haben alle Produkte aus dieser Reihe zwar einen eingeschränkten Funktionsumfang, aber dafür jede Menge Charakter. Digitale Synths können vieles ziemlich gut, aber es gibt kaum etwas Unverwechselbares.
Tatsuya Takahashi: Das ist genau das, was mir selbst auch gefällt. Bei den volcas gehörte es zum Konzept, analoge Hardware zu entwickeln, die ein bisschen wie ein Plugin ist, und sich auch als solches nutzen lässt. Wenn man mit Ableton ein Live-Set macht und feststellt, dass die Kickdrum nicht fett genug ist, kann man sich den volca beats kaufen. Selbst wenn man nur die Kick benutzt, ist es das wahrscheinlich schon wert.
bonedo: Das ist ein bisschen wie dieser Gitarristeneffekt, wo man sich noch ein Effektpedal zulegt und noch eins und noch eins, obwohl man eigentlich schon so viele hat.
Tatsuya Takahashi: Das ist genau das, was wir erreichen wollten. Früher konnte man Synthesizer über die Features verkaufen. Die Leute kauften sich einen Synth, weil er viele Stimmen hatte oder viel Rechenleistung. Heute ist es normal, dass die Geräte unglaublich viel können, und das lässt so manchen aktuellen Synthesizer auch etwas langweilig erscheinen. Wir haben also versucht, uns ein bisschen von der Featureliste zu lösen. Stattdessen wollten wir etwas bauen, das einfach gut klingt, leicht zu bedienen ist und Spaß macht.
bonedo: Da stellt sich natürlich die Frage, was ihr als nächstes plant!
Tatsuya Takahashi: Wir haben ein paar schöne Sachen in der Pipeline, ihr werdet überrascht sein… (lacht) Wir haben jedenfalls nicht aufgehört, da kommt noch was.
bonedo: Was denkst du, in welcher Richtung die Entwicklung analoger Synthesizer weitergeht? Auch viele neuere Synthesizer imitieren ja etwas, was in den Siebzigern schon einmal gemacht wurde. Es wäre spannend zu sehen, was die nächste Stufe ist.
Tatsuya Takahashi: Ich glaube, dass analog heute nicht mehr „retro“ ist und auch nicht so aussehen sollte. Die Leute wissen, was es ist und brauchen kein kultiges Design mit Holzteilen und großen schwarzen Knöpfen. Ich versuche ein bisschen, von diesem Retro-Charakter wegzukommen, nicht nur beim Design, sondern auch bei der Synthese selbst. Analogsynthesizer sind stark am Markt vertreten und selbst Leute, die in der Analogära noch gar nicht geboren waren, wissen, dass sie gut klingen. Das ist natürlich nicht nur Korgs Verdienst, sondern auch der aller anderen Hersteller, die dabei mitmachen. Jetzt, wo analog wieder viel lebendiger ist als noch vor 10 oder 20 Jahren, wo es fast ausgestorben war, ist eine gute Zeit um darüber nachzudenken, was der nächste Schritt in der analogen Synthese sein könnte. Es gibt immer noch vieles, was man machen könnte. Wahrscheinlich geht es aber nicht so sehr darum, die nächste Super-Modulation oder den nächsten Oszillator zu erfinden. Die Entwicklung wird eher schrittweise sein, denkbar wäre zum Beispiel ein sehr scharfes Filter oder so etwas. Das nächste Level auf der analogen Ebene wird wahrscheinlich keine große, bahnbrechende Erfindung sein wie etwa das nächste Ladder-Filter, sondern eine Reihe von Detailverbesserungen. Aber wer weiß, vielleicht habe ich ja Glück und stolpere über etwas Großes… (lacht)