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Interview Michael Schwabe

Michael Schwabe ist seit 15 Jahren Mastering-Engineer und betreibt seit 2001 das Studio “monoposto” in Düsseldorf. Zu seinen Credits zählen Alben von “Wir sind Helden”, “Rosenstolz”, “Die Toten Hosen”, “Boss Hoss”, “H-Blockx”, “Kettcar”, “Xavier Naidoo”, “2Raumwohnung” und “Beatsteaks”. So ein Mann hat bestimmt einiges zu erzählen und kann Fragen zum Mastering, die vielen Tontechnikern und Musikern unter den Nägeln brennen, aus der ersten Reihe beantworten.

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Im Studio setzen wir uns auf die gemütlichen Sessel, auf denen üblicherweise die Kundschaft sitzt und lauscht, wie sich ihre Produktionen unter den Händen des Meisters verändert. Leckere belegte Brötchen mampfend, beginnen wir das Interview.
Bonedo: Michael, wie würdest du dich und deine Arbeit am Einfachsten beschreiben?

Ich bin “Auto-Tuner” für Musik. Wenn der Wagen zu mir kommt, fährt er schon, aber wenn er die Garage verlässt, fährt er sparsamer, leiser, schneller, und sieht schöner aus.

B: Aber fahren muss er können, wenn er zu dir kommt, oder?
Genau. Mastering ist ja nicht Arrangieren. Der Song muss in sich funktionieren, der Mix muss stimmen. Aber ich sehe meine Arbeit unter anderem auch darin, dass alles in die richtigen Verhältnisse gerückt wird. Meine Philosophie ist, dass man von mir einen speziellen Sound bekommt. Ich bin also eher ein aktiver Mastering-Engineer als ein passiver. Ich habe vor denen, die es anders machen, auch Respekt, aber es macht mir einfach Spaß, diese künstlerische Note mit einzubringen. Wenn es aber ein perfekter Mix ist, werden ich keinen falschen Ehrgeiz entwickeln, den zu verdrehen, nur um zu zeigen, was ich kann.
B: Machst du es auch von den Produktionen und der Musikrichtung abhängig, was und wie viel du tust? Wenn man sich deine Credits anschaut, ist das ja vornehmlich der Rock/Pop-Sektor.

Ich mache im Grunde alles bis auf Klassik. Ich hatte aber wirklich schon alles in der Hand: von Avantgarde und experimentellen Dingen wie (Anm. d. V.: Einstürzende) Neubauten bis zu Schlager, Vicky Leandros zum Beispiel. Bei Produktionen mit vielen “echten” Instrumenten ist Mastering im Gegensatz zu mancher elektronischer Musik in jedem Fall nötig, woraus sich auch zwangsläufig ergibt, dass ich damit mehr zu tun habe. Bei manchen Dance-Sachen kann man unter Umständen das Mastering umgehen, wenn der Mix richtig gut ist, die Bassdrum stimmt und alles laut genug ist.

Der erste Grund ist Kontrolle, also ein zweites Paar Ohren drüberhören lassen, um eine zweite professionelle Meinung gehört zu haben. Der zweite Grund ist die Hauptaufgabe – und das nimmt auch am meisten Zeit in Anspruch – nämlich das Geraderücken, das Korrigieren der Frequenzen, das Optimieren des Klanges, das Reparieren von Mischungen. Und da sind die Grenzen zur geschmacklichen Optimierung fließend. Das wäre dann der dritte Punkt, dass man zusätzlich etwas in die Musik hineinbringt, was ein gewisses Flair hat. Die vielbesagte Wärme etwa oder edle Höhen. Etwas, was nicht zwingend notwendig ist für die Musik, aber angenehm ist, sympathisch ist oder einfach Spaß macht. Das ist dann sozusagen die Kür.

B: Für wie wichtig hältst du die technischen und kreativen Feedbacks, die Engineers, Musiker und Produzenten von dir bekommen?

Ich finde das äußerst wichtig. Ich biete jetzt auch an, die Mixe vor der Fertigstellung zu prüfen, damit grobe Fehler vermieden werden können. Dies wird sogar immer wichtiger, weil immer mehr Leute “zuhause” mischen, also unter nicht optimalen Bedingungen. Als Beispiel fällt mir eine Metal-Band ein, die haben einen Engineer, der zwar wirklich Herzblut hat, aber eben nicht die zwanzigjährige Erfahrung. Die haben natürlich auch kein großes Equipment. Aber die Jungs können spielen – und sie haben Zeit! Und mit diesen beiden Voraussetzungen kommen sie dann lange vor Beendigung des Mixes zu mir. Ich höre mir das dann an und bekomme einen Schreck (lacht), schreibe mir dann aber in Ruhe alles auf, was mir auffällt. Das sind viele Details, was das Mischen angeht. Ich habe ja den Vorteil, dass ich früher auch viel aufgenommen und gemischt und  auch eigene Songs geschrieben habe. Und durch diese Erfahrung – aber auch mit dem Abstand, den ich zu dieser Produktion habe – kann ich der Band relativ genau sagen, was da falsch gelaufen ist.  Die hören zum Beispiel nicht, dass da zu viel Hall drauf ist, oder das Verhältnis zwischen Bass und Bassdrum etwas ungünstig ist. Ich kann das hier erkennen – natürlich geht so etwas hier besser als in den meisten Studios (zeigt auf seine Lautsprecher) – und benennen. Und dieses Feedback hat bei der Band, von der ich gerade gesprochen habe, dazu geführt, dass die Mixe wie ausgewechselt waren. Es war wirklich viel besser als vorher, obwohl ich nichts gemastert habe! Ich habe nur eine Empfehlung ausgesprochen. Es gibt aber auch Produktionen, bei denen ist so etwas nicht nötig. Viele meiner Kunden wissen sehr genau, was sie da tun. Ich würde sagen: Je unerfahrener das Produktionsteam, desto wichtiger ist dieser Punkt.

B: Was du angesprochen hast, sind ja auch Sachen, die jeder Engineer kennt. Hall einstellen, wie man es für richtig hält, und nach einer halben Stunde noch ein Bisschen mehr und noch eine halbe Stunde wieder mehr, ist ja der klassische Fehler. Durch Adaption “gewöhnt” sich das Gehör daran und rechnet die Information wieder raus. Welche anderen Fehler bemerkst du denn häufig?

Ich würde nicht unbedingt von “Fehlern” sprechen, eher von “Problemzonen”. Das sind öfter Bässe und S-Laute. Das ist immer wieder ein Thema. Die Unsicherheit im Bassbereich liegt in erster Linie daran, dass die Meisten keine guten Räume haben. Und oft kommen Leute mit ihren Produktionen, sind zu recht stolz und sagen: ‘Wir sind sehr zufrieden, sind uns im Bassbereich aber unsicher und es war ein Kampf mit den S-Lauten.’ Und diesen Kampf muss ich dann hier weiterführen. Und entweder ich kann die Leute beruhigen und sagen ‘Kein Problem. Hört euch mal Madonnas scharfen S-Laute an’. Und schon relativiert sich alles, denn andere Leute sind da oft viel unempfindlicher und auch mutiger. Oder ich arbeite noch etwas daran, aber immer so, dass man den De-Esser später nicht hört.

B: Also keinen “De-Effer” draus macht…

Genau. Aber in der Regel ist es so: Wenn ich noch eine Kleinigkeit dazutue, ist auch ok. Aber doch, ein “Fehler” fällt mir dennoch ein: Wenn jemand durch eine eigene Masteringkette mischt und dann mir zuliebe diese Kette einfach rausnimmt. Entweder bekomme ich das, was die gemischt haben – mit allem –, oder die sollten diese Vorab-Mastering-Tools weglassen und mir diese Aufgabe überlassen. Das andere ist so eine Art Hybrid, das funktioniert nicht. Denn in dem Moment, in dem die den Finalizer – oder was auch immer die benutzt haben – ausschalten, verschiebt sich der gesamte Mix völlig. Und daenn kommt noch die Anforderung an mich, ich solle das so rekonstruieren, nur “besser”. Dann denke ich, wie soll ich das denn machen, ich habe ja deinen Finalizer gar nicht (lacht). ‘Gib mir deinen Finalizer, dann mach ich das. Und sag mir auch gleich, welches Preset du benutzt hast.

Betet nicht, sondern tut etwas, das im Mastering das A und O ist: Michael Schwabe beim konzentrierten Zuhören.
Betet nicht, sondern tut etwas, das im Mastering das A und O ist: Michael Schwabe beim konzentrierten Zuhören.

B: Damit sind wir eigentlich auch schon bei meiner nächsten Frage. Was sagst du den Engineers bezüglich der Anlieferung? Ich hätte erwartet, dass du sagst, dass da nichts in der Summe sein soll, außer, es wurde mit einem Vocal-Keying oder so gearbeitet.

Nein. Also diese Bedingung kenne ich, schließe mich ihr aber nicht an. Da bin ich ganz “frei”. Wenn jemand durch eine Kette mischt und es klingt gut, soll er das gerne tun.

B: ‘If it sounds right, it‘s right’, richtig?

Ja, genau. Aber an dieser Stelle unterscheiden sich garantiert die verschiedenen Mastering-Engineers.

B: Aber das kommt doch sicher auch auf dein Vertrauen in den Engineer und sein Können an, oder?

Klar. Wenn ich merke, der beherrscht diese letzten Schritte nicht, dann sage ich auch ‘Komm, lass das besser weg.’ Interessanterweise sind Amateure da eher vorsichtig, und so, sagen wir “Dreiviertelprofis” sind da mutig und haben auch den Ehrgeiz, mir zu zeigen, wie laut ihre Mixes da schon sind – und ich zeige ihnen dann, wo es zerrt. Da habe ich schon erstaunliche Sachen von sehr erfahrenen Leuten mitbekommen. Vor allem, wenn die was mit Werbung zu tun haben, die ja bekanntlich immer laut sein muss. Ich habe einmal wunderschöne, orchestrale, bombastische Produktionen angeliefert bekommen, die wirklich deutlich verzerrt waren. Also nicht zu gebrauchen! Und ich habe mich dann gewundert, dass die das nicht gehört haben.

B: Nicht so, dass man sagen könnte, das sei vielleicht kreativ gemeint? Ich denke an manche Produktionen aus Großbritannien. Das kann ja auch reizvoll sein…

Neenee, das war ganz eindeutig kaputt.
Also: Wenn man das beherrscht mit dieser Mastering-Kette, habe ich nichts dagegen. Ich habe auch nichts gegen laute Mixes, die hier ankommen. Ich habe auch bei Remixes schon Sachen eins zu eins übernommen. Wenn die laut und knackig und knallig sind, stramme Bassdrum, aufgeräumt und so, dann dauert es manchmal ein paar Minuten, dann ist das Ding fertig!

B: Wenn die Leute unsicher sind, wie sie die wichtigen Signale platzieren sollen, gehörst du zu den Mastering-Engineers, die sagen: ‘Gebt mir einen Vocals-Up- und einen Vocals-Down-Mix.” oder ‘Macht die Drums lieber ein Stück zu weit nach vorne als zu weit nach hinten’?

Ja schon, aber das mache ich lieber mit diesem Vorgespräch. Aber gerade Bassdrum und Vocals würde ich schon sagen, die sollen lieber einen Tacken zu weit rausgucken. Das ist aber vielleicht auch typisch deutsch. Vor allem bei deutschsprachigen Sachen: Wenn man das nicht richtig versteht, ist die Aufgabe bei der Musik meistens nicht richtig erfüllt. Ich habe auch schon Mixes zurückgehen lassen, weil ich – obwohl es in Deutsch gesungen war – nur die Hälfte verstanden habe.

B: Alternative Stem-Mastering? Das wird ja immer häufiger gemacht, oder?

Naja, wenn Leute Zeit mitbringen und das entsprechende Budget haben kann man das machen. Bei unsicheren Engineers wird das gerne gemacht, weil die die Verantwortung dann auch auf den Mastering-Engineer abwälzen können. Es wird also hier dann zu Ende gemischt. Das ist bei Playback/Vocals vertretbar, bei acht oder zwölf Spuren kann das eben recht teuer werden. Ich biete aber an, dass die Leute ihr System hierhin mitbringen, dann hat man vollen Zugriff auf alle Parameter. Manches lässt sich im Arrangement viel besser regeln als in der Summe. Das ist ja dann eigentlich auch kein Stem-Mastering mehr, sondern richtiges Mixing.

B: Dann mal ein anderes Thema: Was sagst du zu der momentanen “Zerfaserung” des Albums? Als Kunstwerk, als Einheit wird es ja immer unwichtiger.

Was ich dazu sage? Mit einem Wort: Schaaade!
Ich liebe Alben! Ich war früher schon angetan von Alben wie zum Beispiel von Pink Floyd, Genesis. Diese Konzeptalben sind einfach in sich geschlossene Kunstwerke. Im Prinzip lässt sich die Entwicklung nicht aufhalten, aber ich sehe es philosophisch: Alles ist in Bewegung. Wir sollten diesen Dingen nicht wirklich nachtrauern. Aber wenn ich zum Beispiel den Rücken frei hätte und würde nur noch Musik machen können, dann würde ich ganz klar ein Konzeptalbum machen. Mit Übergängen und so weiter. Und nicht nur eine Sammlung von Songs. Aber heute wollen die Kids viel und schnell neuen Input. Aber ich bin auch nicht beleidigt, wenn ich für meine Meinung altmodisch genannt werde.

B: Was du gerade ansprichst, kommt ja nicht zuletzt durch die Orte und die Situation, in der heute Musik gehört wird. Wer setzt sich heute noch abends in seinen Sessel, hört eine Platte ganz durch und macht sonst nichts dabei? Viel mehr passiert in der U-Bahn oder auf dem Weg zur Bushaltestelle, beim Pizza aus Pizzakartons essen und so weiter. Hat es eigentlich Auswirkung auf das Mastering, dass heute viel mehr als je zuvor Musik über Kopfhörer gehört wird? Club und kleine Kopfhörer verdrängen ja fast die klassische Stereoanlage.

Bei mir nicht. Ich arbeite so, also wäre das immer noch ein Konzeptalbum. Ich verstehe auch manchmal nicht, wie durcheinander gewürfelt einige Sampler sind. Gerade Sampler mit Filmtiteln sind oft reine Verkaufssampler, die also mit dem Film oder der Filmmusik nicht mehr viel zu tun haben; da wird oft Musik aus vier Jahrzehnten zusammengewürfelt, das passt oft inhaltlich, levelmäßig, soundmäßig überhaupt nicht zusammen. Fürchterlich! Mein dringender Wunsch ist, dass das Album irgendwie zusammengehört. Das verstehe ich auch als wichtigen Teil meiner Arbeit.

B: Es ist ja auch um einiges schwieriger, ein Album zu mastern, als einfach nur mehrere Stücke. Der Spannungsbogen und so…

Genau! Ich habe einmal von einer Plattenfirma eine Ansage bekommen, von der ich immer noch schwärme: Ich solle doch bitte darauf achten, dass der letzte Song der lauteste Song ist. Hinten kam ein orchestrales Stück, das sehr laut wirken muss, um zu funktionieren. Und es gibt ja den oft unangenehmen Zusammenhang, dass Stücke mit besonders vielen Signalen um so schwerer laut zu mastern sind, obwohl gerade diese Stücke laut wirken sollen. Ich war also dementsprechend froh, die ganze Platte etwas leiser mastern zu können, damit hinten dieser eine Moment richtig schön wirkt.

Ersetzen natürlich keine grosse Mastering-Abhöre, bieten jedoch andere Vorteile wie enorme Impulstreue: Richtig gute Kopfhörer.
Ersetzen natürlich keine grosse Mastering-Abhöre, bieten jedoch andere Vorteile wie enorme Impulstreue: Richtig gute Kopfhörer.

B: Damit sind wir schon fast beim unumgänglichen Thema “Loudness War”. Aber zum Album habe ich vorher noch eine Frage: Ist es üblich, dass erst im Mastering Songreihenfolgen entschieden werden oder sogar noch Stücke rausfliegen?

Es ist eigentlich nicht meine Aufgabe, über die Reihenfolge zu entscheiden. Wenn ich gefragt werde, gebe ich aber gerne meinen Rat. Auch da gibt es gewisse Standards. Oft ist zum Beispiel die schlechteste Nummer die Vorletzte, der “Hit” ist häufig auf Platz Zwei.
Mit dem Rausfliegen, naja. In ganz, ganz krassen Fällen versuche ich vorsichtig meine Meinung unterzubringen. Da muss ich natürlich aufpassen, nicht respektlos zu sein! Der Künstler findet den Song ja unter Umständen sehr gut. Wenn ich allerdings ins Schwarze treffe, dann fliegt der raus, aber eigentlich nur, weil ich etwas ausgelöst habe, was sowieso schon unter der Oberfläche gebrodelt hat.

B: Ok, dann nun endlich zum Loudness War. Da steckst du ja eigentlich so richtig schön im Schützengraben…

Ja, ich muss mich wirklich jeden Tag mit dem Thema auseinandersetzen. Zu leise sein will keiner. Viele sind vernünftig, manche möchten die Lautesten sein. Manche wechseln deswegen das Mastering-Studio! Ich finde ja eine stolze Lautstärke auch gut, das hat für mich etwas sportliches, aber es gibt Grenzen. Vor allem gibt es Grenzen der Seriosität. Denn Lautstärke um jeden Preis wäre ja ein Fehler. Aber bei Testmastering gibt es fast keine Regeln mehr, sondern das Phänomen der Marktschreier: Der Lauteste gewinnt! Wenn du auf einem Markt, auf dem alle brüllen, nicht mitbrüllst, verkaufst du auch weniger Sachen. Das ist leider so. Im normalen Business bei einem ruhigen Produkt in einem ruhigen Umfeld ist es auch möglich, ein Master abzugeben, das nicht das lauteste der Welt ist.

B: Pitchings gewinnt man also, in dem man lauter ist als seine Mitbewerber?

Entweder das, oder billiger.

B: Sind Testmasterings häufig?

Immer häufiger, ein sehr unangenehmer Trend. Ich überlege mir jedes Mal aufs Neue, ob ich mitmache oder nicht. Die Anfragen werden oft wild gestreut. Manche bemustern wirklich alles, was sie im Netz unter Mastering finden können. Oft stimmt auch der Ton nicht mehr. Manchmal wird das regelrecht erwartet, und das geht mir ganz klar gegen die Ehre. Wenn ich keine Zeit habe, mache ich diese Sachen sowieso nicht, denn dann mache ich in der wenigen Zeit, die ich habe, meine bezahlten Jobs. Wenn ich Zeit habe, überlege ich mir, wer das ist. Und von der Höflichkeit in der E-Mail mache ich das auch abhängig. Manchmal bekommt man nur eine Email: ‘Bitte testen Sie mir folgenden Song’. Na super: Ich bin ja kein Automat, bei dem du auf einen Knopf drückst. Und natürlich muss ich schauen, wer das ist, und auch, welche Preisvorstellungen dahinter stecken und ich entscheide auch danach, ob sich das lohnt. Testmasterings sind immer unangenehm, vor allem für die etablierteren Studios. Die kleinen Studios müssen das machen, um auf den Markt zu kommen.

Bei Pitchings hängt es natürlich auch von der Erfahrung der Entscheidungsträger ab – sich nicht von den Lautesten blenden zu lassen beispielsweise. Es gibt diese Leute, die das einzuschätzen in der Lage sind.

B: Dann habe ich noch ein paar technische Fragen, die die Leser interessieren werden. Was hältst du von der viel diskutierten Thematik des Intersample Peak Limiting?

Das ist eine Sache, die von Akademikern auf der einen und Rock’n’Rollern auf der anderen Seite diskutiert wird. Man kann sich da selbst aussuchen, wo man steht.

B: Ok. Arbeitest du viel mit M/S-Technik?

Immer mehr. Ich bin stolz darauf, in Deutschland einer der wenigen zu sein, die analoges M/S anbieten können. Je mehr ich das mache, desto mehr gefällt es mir. Allerdings sollte man auch aufpassen, denn man kann auch einiges zerstören: Die Phase ist gefährdet – nach meiner Erfahrung gerade was den Punch von der Snare angeht! Je problematischer ein Mix ist, desto mehr freue ich mich, dass ich M/S zur Verfügung habe, weil ich weiter in den Mix hineingehen kann. Bei manchen war das Ergebnis nachher wie ausgetauscht, weil ich in der Mitte was völlig anderes machen konnte als in den Seiten. Beispiel: Gesang ist zu dumpf, aber die Becken schneiden schon. Im Stereobetrieb hast du dann ein Problem. In einem solchen Fall ist das natürlich spitze. Aber das ist auf jeden Fall ein Reparaturfall, und dafür ist M/S super.

B: Das kann ja für die Räume ganz angenehm sein, die werden dann ja nicht so sehr zusammengedrückt.

Ja, und vor allem pumpt dann außen nichts. In der Mitte schön straff, außen schön offen.

Multichannel-Mastering-DAW mit allem Schnickschnack: Eine Sadie Series5 im Geräteraum des Monoposto.
Multichannel-Mastering-DAW mit allem Schnickschnack: Eine Sadie Series5 im Geräteraum des Monoposto.

B: Wie gibst du die Daten an das Presswerk weiter, wenn das ganze Ding fertig ist, also PQ-Editing, Dithering etc. gelaufen sind. Benutzt du Exabyte?

Die Anforderungen von vielen Plattenfirmen werden vor allem von kleineren Studios nicht erfüllt. Das gilt besonders für das DDP-Image. Die EMI zum Beispiel verlangt neuerdings grundsätzlich DDP-Images, was dazu geführt hat, dass selbst namhafte Mastering-Studios bei mir auf der Matte standen und gesagt haben ‘Sound ist fertig, wir brauchen eigentlich nur noch das DDP-Image’. Das fand ich natürlich prima. Aber der gesamte Markt löst sich auf in einem Meer von Low-Budget, die Anforderungen werden auch verwässert. Das heißt, die Independant-Plattenfirma machen 500 Einheiten und wollen eine CD-R haben. Die wissen oft gar nicht, was ein ISRC ist! Mit diesem Verlust von Know-how und auch Qualitätsbewusstsein sinken wiederum die Anforderungen, das ist eine Spirale. Und selbst die großen Plattenfirmen haben ja auch immer weniger das ganz große Sagen. Die werden verkauft an große Investoren, die ehemaligen Fusionen werden vielleicht wieder aufgetrennt und so weiter. Sagen wirs mal so: Wenn man Mastering “richtig” machen möchte, muss man das alles können, muss es aber auch bezahlt bekommen. Weil diese Maschinen, die DDP, gutes PQ-Editing und so weiter zur Verfügung stellen können, die kosten richtig viel Geld.  Und das macht auch nur dann Sinn, wenn qualitätsmäßig alles in einer Liga spielt. Ich wende mich solange es geht an die Profis, aber ich muss auch den Jüngeren entgegenkommen. Das muss jeder mittlerweile verstärkt.
Exabyte als Datenträger biete ich an, aber vermehrt wird als Datenträger FTP benutzt. Die EMI zum Beispiel verlangt mittlerweile FTP-Uploads und akzeptiert nichts anderes mehr. Bei deren “Media-Mover”-System ist ein kleines Checksummen-Programm dabei, um die Datensicherheit zu erhöhen. Und es geht beim Versenden oder Abrufen eine Mail an alle Sender oder Empfänger raus, damit man auch kontrollieren kann, wo es abgeblieben ist. Also ein richtig großes “Big Brother”-Protokollsystem. Das finde ich da ausnahmsweise sogar ok, denn die machen das verständlicherweise aus Sicherheitsgründen, weil dadurch natürlich die schwarzen Schafe entdeckt werden, also Leute, die irgendwelche Listening-Copies aus Versehen in falsche Hände geben, und die dann vor dem VÖ-Termin schon im Netz zu bekommen sind. Und dieses DDP kann im Grunde keiner öffnen. Die EMI akzeptiert auch gar keine physikalischen Datenträger mehr, auch das bestimmt sowohl aus Sicherheits- aber auch aus Kostengründen. Die haben weltweit bestimmt so einige Kuriere herumgeschickt. Ich habe auch mal einen freundlich Rüffel bekommen, weil ich ungefragt einen Kurier bestellt habe, da war das gerade neu (lacht).
Und bei der Datensicherheit ist ein DDP das Beste, ich habe da auch viel mit meinem Workstation-Hersteller Sadie gesprochen. In Deutschland wird aber leider viel mit gebrannten Audio-CDs gearbeitet, was aus Sicht der Datensicherheit gerade mal “ausreichend” ist. Erstaunlich, dass gerade im viel gerühmten “Ingenieurland” Deutschland das Qualitätsbewusstsein so dermaßen niedrig ist!
Das Paradoxe ist, dass ich hier über DDP und Exabyte rede, aber hauptsächlich CD-Rs mache. Viele Plattenfirmen und Presswerke in Deutschland können damit nichts anfangen, wissen gar nicht, was das ist. Und dann haben sie natürlich auch kein Interesse, so etwas zu bezahlen. Denn ein Exabyte zu schreiben dauert natürlich auch länger, als eine CD zu brennen.
Klar: Man muss halt auch unterscheiden, ob man wirklich für die Industrie arbeitetet, es also mit Profis zu tun hat, oder für den “Hobby”-Bereich, in dem DDP und Exabyte nun auch wirklich nichts mehr zu suchen haben. Wenn eine Band live ihre hundert CDs quasi von der Bühne herab verkauft, ist ein DDP übertrieben. Ich versuche natürlich, beide Arten von Klientel abzudecken. Nicht zuletzt, weil die kleineren Jobs mittlerweile die Masse darstellen und auch oft einfach Spaß machen! Aber wirklich “leben” tue ich ja von den großen Jobs.

B: Wir haben ja vorhin darüber gesprochen, dass die Bewertung von Mixes ein wichtiger Faktor ist. Auch die Möglichkeit, eine teuere Mastering-DAW zu benutzen, erlaubt wirkliche Qualitätsarbeit. Ich denke da an die Möglichkeit, das Noise-Shaping komplett selbst einstellen zu können. Was sagst du jemandem, der wissen will, warum er in einem “vernünftigen” Studio wie diesem hier mastern lassen soll?

Für ein gutes Mastering-Studio benötigt der Mastering-Engineer erstens Know-how und zweitens … Geld. Nicht zuletzt ist es die Abhörsituation, die das Bewerten und das Arbeiten ermöglicht, das kann man in einem “Taschengeld-Studio” leider nicht so gut. Ich habe diesen Raum schon am Wochenende vermietet, damit Leute ohne guten Raum hier ihren Rechner anschließen können. Da muss ich ja nicht unbedingt dabei sein, und es ist natürlich weitaus billiger, als sich ein Studio zu bauen. Akustik ist eben nicht zu unterschätzen! Gerade den Bassbereich kann man in einer Umgebung wie dieser hier erst richtig beurteilen. Und da ist ein Mastering-Studio üblicherweise auch viel besser aufgestellt als die meisten Mix-Studios.

B: Ja, einmal der Raum und dann sehe ich da ja auch noch die netten Bowers & Wilkins Nautilus-Boxen, die sind ja auch nicht von schlechten Eltern…

Ja, aber selbst die stehen halt auch in dem richtigen Raum. Ein Raum, in den sie wirklich passen! Die können in manchen Räumen auch Scheiße klingen. Ich habe jetzt hier die 802er, die 801er waren für diesen Raum im Grunde zu groß. Zu viel Tiefbass, zu wenig bei 100 Hz. Die 802 haben sofort sehr gut hier hineingepasst! Die akustische Planung für ein Studio wie dieses ist wirklich sehr aufwändig, lohnt sich aber.

B: So, wenn ich diese Frage nicht stelle, werden mich die “Gearheads” unter den Lesern wahrscheinlich lynchen. Also: Was sind deine Lieblingswerkzeuge?

Hm. Das ist saisonabhängig. Im Moment ist es der Drawmer S3, denn den habe ich recht neu. Ein analoger Röhren-Multiband-Kompressor mit vielen Einstellmöglichkeiten und einem Wahnsinns-Sound! Wichtig ist mir vor allem, dass ich die Bänder auch einzeln ausschalten kann. Ansonsten schwöre ich auf meine Manleys (Massive Passive Röhren-EQ in Masteringausführung und Variable MU Röhrenkompressor – Anm. d.V.). Der Massenburg (GML8200 EQ – Anm. d.V.) ist aber wahrscheinlich das Gerät mit dem höchsten Flexibilitätsgrad. Fünf vollwertige Bänder in höchster Qualität für sechstausend Euros. Naja, der Manley-EQ hat dafür einen wunderschönen Knick an der Grenzfrequenz der Shelf-Filter, den man wunderbar regeln kann. Also so gesehen: Die analogen Geräte liebe ich eigentlich alle.
Moment (zeigt in Richtung Rack): Den Wandler finde ich super!

B: Ist das ein Lavry?

Im Grunde schon. Das ist ein Lavry aus einer Zeit, in der die Firma noch “db” hieß. Absolut Spitze, das Ding!

B: Michael, vielen Dank, dass du dir soviel Zeit für mich genommen und den Lesern einen so interessanten Einblick in deine Arbeit gewährt hast!

Gern geschehen!

Fotostrecke: 2 Bilder Das perfekte Team: Michael Schwabe und eine seiner B&W Nautilus 802.
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